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1400 Euro brutto für die selbständige Doula

Wenn das Kind auf der Welt ist, trifft Anne sich noch mindestens zwei Mal mit ihren Klientinnen.
Foto: Sina Villinger; Bearbeitung: SZ Jetzt

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Was eine Doula macht

Als Doula biete ich schwangeren Personen emotionale Begleitung während Schwangerschaft, Geburt und im Wochenbett. Im Monat betreue ich durchschnittlich eine bis drei Frauen. Mir ist vor allem wichtig, dass es Mutter und Kind gut geht. Im Vorfeld der Entbindung bringe ich den Schwangeren zum Beispiel Techniken bei, die helfen, die Schmerzen während der Geburt zu bewältigen. Außerdem unterhalten wir uns über ihre Wünsche für die Geburt und ihre Ängste. Was ich während der Entbindung tue, hängt stark von meinen Klientinnen ab. Ich schaffe einen Raum, in dem die Frau sich ihrem Geburtsprozess ungestört hingeben kann. 

Der Unterschied zur Hebamme  

Ich mache im Unterschied zu einer Hebamme nichts Medizinisches, wie Blut abnehmen oder Herztöne abhören. Stattdessen lerne ich die Frauen durch regelmäßige Treffen sehr gut kennen. Zwischen uns herrscht oft eine Intimität, die eine Hebamme, zumindest im Krankenhaus, nicht hat oder haben kann. Ich arbeite sehr gerne mit Hebammen zusammen und achte darauf, dass wir während der Geburt ein Team sind, das sich gegenseitig unterstützt.  

In den letzten zwei Wochen vor dem Geburtstermin können Klientinnen mich 24 Stunden durchgehend erreichen. Nach der Geburt bin ich da, wenn sie mich brauchen, und massiere zum Beispiel ihre Faszien. Wenn das Kind auf der Welt ist, treffe ich mich noch mindestens zwei Mal mit meinen Klientinnen, um mit ihnen die Erfahrung gemeinsam durchzugehen. Endet eine Geburt mit einer schlimmen Erfahrung oder einem Trauma für die Frau, kann das unfassbar belastend sein. In Krankenhäusern herrscht oft Personalmangel, auch im Kreißsaal. Das hat die Folge, dass Schwangere mit Wehen nicht immer ausreichend betreut werden können.  

Wie mein Arbeitstag als Doula aussieht 

Wenn ich gerade keine Geburt begleite, habe ich meistens vormittags und am frühen Nachmittag Termine in meiner Praxis.  Nach den Terminen kümmere ich mich um Büroarbeiten und Social Media.  

Steht eine Geburt bevor, bin ich meistens zwischen zwölf und 48 Stunden bei den Frauen oder Paaren zu Hause. Bei der Entbindung achte ich darauf, dass es meinen Klientinnen gut geht und stelle sicher, dass es nicht zu ungewollten und unnötigen Interventionen kommt. Haben Frauen keinen Partner, bin ich oft ab der ersten Wehe dabei. Eine Geburt kann schon mal mehrere Tage dauern.  

Wie ich Doula geworden bin  

Ich habe Sozialpädagogik studiert und dann nach einer Weiterbildung gesucht. Als meine Schwester ihr erstes Kind bekommen hat, war ich bei der Geburt dabei und so positiv überwältigt von dem Erlebnis, dass für mich klar war: Ich will unbedingt was mit Geburten machen. Hebamme wollte ich nicht werden, weil ich mir nicht vorstellen konnte, noch mal eine dreijährige Ausbildung zu machen. Über den Begriff „Doula“ bin ich bei der Recherche vor der Geburt meines Neffen gestoßen. Es gibt wahnsinnig viele Ausbildungsinstitute. Da Doula kein geschützter Titel ist, unterscheiden sich die Ausbildungen sehr voneinander.

In meiner Ausbildung gab es zunächst einen ausführlichen Theorieteil, in dem wir viel über natürliche Geburten ohne medizinische Interventionen gelernt haben. Dazu kamen Praxisphasen, in denen ich Geburten begleitet habe und während denen ich meine Mentorin, eine bereits ausgebildete Doula, anrufen konnte. Mit ihr habe ich die Geburten im Nachhinein durchgesprochen. Außerdem habe ich gelernt, in Ausnahmesituationen ruhig und präsent zu bleiben. Das ist ein sehr kraftvoller Teil meiner Arbeit. Egal was passiert: Ich bleibe da. Die Ausbildung hat ein dreiviertel Jahr gedauert. Es gab abwechselnd mehrtägige intensive Präsenzseminare und Online-Module. Ich musste sie selbst finanzieren, das hat etwa 1200 Euro gekostet. 

Wie der Job das Privatleben verändert 

Weil ich die meiste Zeit in Bereitschaft bin, stehen die Verabredungen, die ich treffe, unter Vorbehalt. Meine Schwester wohnt beispielsweise fünf Stunden weg, da kann ich nicht einfach hinfahren. Spontane Trips sind für mich keine Option. Mein Leben dreht sich daher um Leipzig. Damit Urlaub möglich ist, muss ich ihn mir sehr konsequent einplanen. 

Wie der Beruf mich verändert hat  

Jede Geburt prägt mich. Ich bin durch den Beruf innerlich sehr gewachsen. Ich habe gesehen: Es ist nicht selbstverständlich, dass ein Kind überlebt.  Aber die zahlreichen schönen Geburten, die ohne Komplikationen verlaufen sind, haben mich genauso sehr verändert. 

Welche Eigenschaften man für den Beruf braucht  

Wichtig ist der Wille, sich immer weiterzubilden, und dass man wirklich sehr belastbar ist. Die Fähigkeit, die eigenen Gefühle regulieren zu können, ist unentbehrlich. In enorm stressigen Situationen muss ich als Doula ein Anker im Raum sein und Ruhe ausstrahlen. 

Vorstellung vs. Realität 

Als ich angefangen habe, dachte ich, dass die Nachfrage nach Doulas steigen würde. Doch der Beruf der Doula ist generell noch sehr unbekannt. Während der Corona-Pandemie mussten wir unsere Kontakte beschränken und man hat eher versucht, Dienstleistungen zu meiden. In der aktuell schwierigen wirtschaftlichen Situation sind Menschen noch weniger bereit, Geld auszugeben für etwas, das für sie nicht unbedingt notwendig scheint. 

Welche Fragen mir auf Partys gestellt wird 

Am häufigsten höre ich: „Hä, was ist eine Doula?“ Ich erkläre dann kurz meinen Job. Meistens kommt dann sowas wie: „Wozu braucht man das? Macht das nicht der Vater?“  

Wie viel eine Doula verdient 

Mein Verdienst schwankt monatlich zwischen 200 und 2000 Euro. Durchschnittlich verdiene ich um die 1400 Euro brutto im Monat. Man muss gut wirtschaften können, weil das Einkommen sehr unregelmäßig ist. Ich biete verschiedene Pakete an, das günstigste Paket kostet 1500 Euro und beinhaltet neben dem Kennenlerngespräch und dem Bereitschaftsdienst fünf Treffen während der Schwangerschaft, ein Treffen im Wochenbett und ein Treffen mit der Back-up-Doula, die im Notfall für meine Klientinnen zuständig ist. Wenn Menschen sich den vollen Preis nicht leisten können, versuche ich, mit den Klientinnen eine gemeinsame Lösung zu finden.  

Oft sagen Menschen zu mir: „Das ist viel zu teuer.“ Mittlerweile kann ich darüber schmunzeln, denn Leute geben ohne Probleme zehntausende Euro für Hochzeiten aus. Eine Geburt ist für die meisten der wichtigste Moment des Lebens. Und dennoch finden viele 1500 Euro für eine Geburtsbegleitung zu viel.  

Warum der Partner meinen Job nicht machen kann 

Viele meiner Klientinnen sind Zweitgebärende. Sie kommen zu mir, weil sie bei der ersten Geburt gemerkt haben, dass ihr Partner sie eben nicht gut unterstützen konnte. Das ist natürlich nicht bei allen Paaren der Fall. Doch viele Männer sind überfordert. Geburt ist Krise. Geburt ist Ausnahmezustand. Und die wenigsten Männer bereiten sich so gut darauf vor, dass sie ihrer Partnerin wirklich eine Stütze sein können. Da reicht es auch nicht, einen Geburtsvorbereitungskurs zu machen.

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