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3061 Euro brutto für die Doktorandin in der Krebsforschung

Foto: privat; Bearbeitung: jetzt

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Wie reagieren Menschen, wenn sie hören, dass du Krebsforscherin bist?

„Viele denken, dass ich im weißen Kittel in einem Labor stehe und Zellen manipuliere. Sie stellen sich die Forschung als einen geradlinigen Prozess vor, bei dem ich eine Frage nach der anderen beantworte und bei jeder Erkenntnis ‚Heureka‘ rufe. Manchmal werde ich sogar gefragt: ‚Hast du schon eine Heilung für Krebs gefunden?‘ Viele wissen gar nicht, dass Krebs bei jedem Menschen anders verläuft und dass so etwas wie ein generelles Rezept für die Behandlung nicht existiert. Was wir heutzutage brauchen, sind personalisierte Krebstherapien.

Was machst du als Doktorandin in der Krebsforschung?

Ich forsche für die Humboldt-Universität zu Berlin und bin bei der Charité angestellt. Dort bin ich Teil des Doktorandenprogramms ‚Comp Cancer‘. In meiner Gruppe arbeiten 15 Personen. Wir haben uns alle auf die Krebsforschung spezialisiert, kommen aber aus verschiedenen fachlichen Richtungen. Ich habe Physik im Bachelor und Medizinische Physik im Master studiert. In meiner Forschung beschäftige ich mich damit, wie Krebszellen auf Bestrahlung reagieren. Manche Zellen sterben nach der Bestrahlung, andere nicht, weil sie zum Beispiel den dabei entstanden Schaden reparieren können. Ich versuche zu verstehen,  warum die Zellen unterschiedlich reagieren und beschäftige mich mit der Frage: Wie kann ich sie dazu bringen zu sterben? Ein Weg, die Zelle in den Tod zu führen oder zu inaktivieren, wäre zum Beispiel, ihren Heilungs-Mechanismus zu unterbrechen.

Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?

 

Ich beginne meistens um zehn Uhr und verlasse das Büro um 18 Uhr. Im Durchschnitt arbeite ich etwa sieben Stunden am Tag, fünf Tage in der Woche. Den größten Teil des Tages sitze ich vor meinem Computer und analysiere Daten. Das ist der versteckte Teil der Krebsforschung, an den wenige denken. Anders als die Biologen, die Versuche im Labor durchführen und dokumentieren, analysiere ich die dort gesammelten Daten. Ich versuche unter anderem, Trends zu erkennen und entscheide, was relevant ist und was nur ‚Rauschen‘. Oft höre ich dabei ruhige Elektromusik, das hilft mir, mich zu fokussieren. Immer wieder berate ich mit Kolleg*innen darüber, welche Daten möglicherweise neue Erkenntnisse liefern und ob man sich etwas nochmal genauer im Labor ansehen sollte. Wenn es spannend wird, diskutieren wir noch beim Mittagessen in der Kantine. Zur Zeit arbeite ich allerdings im Homeoffice. 

Welcher Teil des Berufs ist besonders hart für dich?

 

Manchmal fühle ich mich verunsichert und frustriert – und das über eine lange Zeit. Das Ziel der Forschung ist ja, Fragen zu lösen, auf die es noch keine Antworten gibt. Mein Forschungsprojekt ist für mich als Doktorandin etwas sehr Persönliches und ich will wirklich arbeiten, bis ich eine Antwort habe. Manchmal ist es dann schwer, nach der Arbeit den Kopf auszuschalten. Wenn man keine Antwort findet, muss man hart sein und sich sagen: Das ist nicht das Ende der Welt, am nächsten Tag geht es weiter. Ich denke aber, dass Verwirrung zur Forschung dazugehört und ich habe gelernt, dass man manches nicht sofort beantworten kann. Es ist ein Prozess, der Zeit braucht. 

Was gefällt dir besonders an deinem Beruf?

 

Wunderbar finde ich, dass in der Krebsforschung so viele Menschen mit speziellen Techniken aus verschiedenen Fachgebieten zusammenkommen. Da sind Forscher*innen aus der Mathematik , Biologie, Physik, Bioinformatik. Die einen entwickeln Werkzeuge, um Daten besser zu analysieren, die anderen arbeiten an den Zellen im Labor. Wenn ich mich mit Kolleg*innen austausche, bekomme ich viele neue Eindrücke von ihnen und lerne selbst, meine Sprache an ihren Wissenstand anzupassen, was eine gute Übung ist. Ich lerne auch Menschen aus anderen Ländern kennen, die an etwas Ähnlichem wie ich forschen, weil ich meine Arbeit auf Konferenzen vorstelle – und die können überall auf der Welt stattfinden. Außerdem sind meine Arbeitszeiten flexibel. Ich kann weitgehend selbst entscheiden, wie ich mir mein Arbeitspensum einteile. Wenn ich an einem Tag nicht arbeiten kann, erledige ich an einem anderen Tag dafür mehr. Speziell in der Krebsforschung ist es natürlich schön, an etwas zu arbeiten, dass hoffentlich in der Zukunft Menschen ein glücklicheres Leben ermöglicht. 

Wie bist du zu deinem Beruf gekommen?

 

Ich habe Personen in meiner Familie, die an Krebs erkrankt sind. Aber schon bevor ich davon wusste, war mir klar, dass ich etwas in diesem Gebiet machen wollte. Mein Physikstudium habe ich in Santiago de Chile begonnen. An meiner Fakultät forschte eine kleine Gruppe von Studierenden und Professor*innen an Krebs. Ich habe mit ihnen gesprochen und war erstaunt, wie komplex die Krankheit ist. Davor hatte ich noch mit dem Gedanken gespielt, Lehrerin zu werden, weil ich glaube, dass man dort viel bewirken kann. Aber je mehr ich in die Krebsforschung einstieg, desto mehr wollte ich meine Kenntnisse in der Realität anwenden und ich entschied mich für einen Master in medizinischer Physik. Es war ein Doppelstudium zwischen Santiago und Heidelberg. In dieser Zeit habe ich für das Deutsche Krebsforschungszentrum gearbeitet und mich danach nach einem Forschungsplatz an einer Universität in Deutschland umgesehen. 

Ich glaube nicht, dass es den einen Weg gibt, um in der Krebsforschung zu arbeiten. Wenn du gerne programmierst, kannst du Bioinformatik studieren, wenn du im Labor arbeiten willst, Biologie. 

Wie viel verdient eine Krebsforscherin?

 

Momentan  erhalte ich 3061 Euro brutto im Monat, das sind in meinem Fall knapp 2000 Euro netto. Für eine Doktorandin-Stelle in der Forschung finde ich das wirklich gut. Ich glaube, wenn ich  meinen Doktorarbeit abgeschlossen habe und als Post-Doc weitermache, könnte ich zwischen 2500 und 3000 Euro netto bekommen. Natürlich kann man in der freien Wirtschaft deutlich mehr verdienen. Vermutlich werde ich in etwa drei Jahren meine Doktorarbeit abschließen und ich würde danach sehr gerne weiter an Krebstherapien forschen. Ich kenne aber auch Kolleg*innen, die Professor*innen an einer Universität werden wollen. Andere arbeiten für große Unternehmen außerhalb der akademischen Welt. Ich kann aber noch nicht mit Sicherheit sagen, wie meine Zukunft aussieht, weil ich sehr viele Möglichkeiten habe – von diesem Gebiet aus kann ich mich in viele Richtungen entwickeln.“

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