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Etwa 2800 Euro brutto für die medizinische Präparatorin in der Rechtsmedizin

Foto: privat; Bearbeitung: jetzt

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Die Aufgaben

Ich arbeite als medizinische Präparatorin am Institut für Rechtsmedizin in Köln. Dort bin ich in der Prosektur, das bedeutet, ich kümmere mich um die Verstorbenen, die von der Kriminalpolizei beschlagnahmt wurden, weil die Todesursache noch ungeklärt ist und eine Fremdursache nicht ausgeschlossen werden kann. Wenn Verstorbene von Bestattern eingeliefert wurden, nehme ich sie an, pflege sie ins System ein und bereite gegebenenfalls Abschiede vor. Da muss ich die Verstorbenen so herrichten, dass ein Abschied pietätvoll sein kann und die Angehörigen keinen Schock bekommen, wenn sie zu uns kommen.

Außerdem gehört zu meinen Aufgaben die Assistenz bei der Obduktion. Nicht alle Verstorbenen werden automatisch obduziert, oft werden sie eingeliefert, weil nicht direkt ein natürlicher Tod festgestellt wurde – da wird bei uns eine zweite Leichenschau durchgeführt. Zusammen mit einem Facharzt und einem Assistenzarzt obduzieren wir also den Leichnam, wenn es von der Staatsanwaltschaft angeordnet ist. Dann bereite ich die Obduktion vor und nach und muss währenddessen sogenannte Organpakete entnehmen. Die Organe werden nicht einzeln entnommen, sondern paketweise, damit die Zusammenhänge zwischen den Organen hergestellt werden können und wir die Todesursache ausfindig machen können. Außerdem entnehme ich Blut-, Urin- und Gallenproben, die ich an das Labor weitergebe, wo sie dann untersucht werden.

Nach der Obduktion muss ich den Leichnam wieder zunähen.

Da wir bei einer Obduktion auch das Gehirn entnehmen und dafür der Kopf aufgeschnitten wird, muss ich ihn später ordentlich und filigran zunähen und den Kopf etwa so hinlegen, dass man den Schnitt nicht sieht, wenn es eine Abschiednahme geben soll. Außerdem lege ich eine Kopfstütze unter den Kopf und decke den Leichnam so zu, dass man die präparierten Stellen nicht sieht. Wir arbeiten nicht mit Schminke oder Kleber, das passiert dann beim Bestatter. Beim Nähen gebe ich mir immer viel Mühe, weil ich denke, dass das die letzte Ehre ist, die man einem Menschen erweisen kann und ich es mir bei mir selbst auch so wünschen würde.

Der Weg

Ich habe früher mit meinen Eltern Navy CIS geschaut und dort gibt es einen Rechtsmediziner, dadurch habe ich eine Faszination für das Thema entwickelt. Ich finde die Medizin unfassbar interessant und der menschliche Körper begeistert mich, weil er einfach so viel kann, weil alles so gut von der Natur durchdacht ist. Mein Traum war deshalb immer, Medizin zu studieren, aber ich habe den NC nach dem Abitur nicht geschafft. Deshalb wollte ich die Zeit bis zum Studium mit Wartesemestern überbrücken. Zunächst habe ich deswegen eine Ausbildung zur Bankkauffrau angefangen, die ich allerdings abgebrochen habe. Es hat mich einfach sehr gestresst, ständig im Kundenkontakt zu stehen. Eine Mannschaftskollegin beim Fußball hat mir dann vom Job als Präparatorin erzählt, davon hatte ich zuvor noch nie gehört. Und dann habe ich herausgefunden, dass es einen Ausbildungsstandort in Bochum gibt.

Die Ausbildung

Ich habe eine schulische Ausbildung zur präparationstechnischen Assistentin gemacht. Oft werden wir auch als Sektionsassistenten bezeichnet, das ist aber nicht ganz richtig. Innerhalb der Branche weiß man, dass Sektionsassistenten die Leute sind, die keine Ausbildung gemacht haben, sondern die einfach angelernt wurden. Mittlerweile gibt es eine schulische Ausbildung für medizinische Präparatoren, allerdings nur an zwei Standorten in Deutschland. Ich habe meine in Bochum gemacht, dort gab es zwar keine Vergütung, ich musste allerdings auch nichts zahlen. Während der Urlaubszeit habe ich mir dann meinen Unterhalt in Ferienjobs verdient, deswegen blieb mir auch keine Zeit für freiwillige Praktika. Unter Präparatoren gibt es verschiedene Fachrichtungen: Neben dem medizinischen Präparator gibt es zum Beispiel noch den biologischen, der sich mit Tieren beschäftigt oder geologische Präparatoren, die sich mit Fossilien auseinandersetzen.

Die Ausbildung geht drei Jahre lang und ist sehr theoretisch. Die Praxis habe ich mir in Pflichtpraktika angeeignet. Ich habe drei verschiedene Praktika gemacht, doch das in der Rechtsmedizin hat mir am besten gefallen, weshalb ich mich am Ende auch für den Job entschieden habe. In der Ausbildung hat man die Standardfächer wie Deutsch, Mathe oder Englisch, aber auch fachbezogene Fächer wie Werkstofftechnik, wo man die Stoffe kennenlernt, mit denen wir später arbeiten oder Ausstellungs- und Dokumentationstechniken, falls man zum Beispiel bei einer Ausstellung wie „Körperwelten“ arbeiten möchte. Außerdem gibt es noch einen Laborteil in der Ausbildung.

Das Gehalt

Ich arbeite nach Tarif 38,5 Stunden in der Woche und verdiene etwa 2800 Euro Brutto, bei Steuerklasse 1 sind das Netto 1800 Euro. Wir haben drei Schichten, die späteste ist aber um 17 Uhr zu Ende. Es hängt davon ab, wie viel ansteht – an einem Tag haben wir gar keine Verstobenen, an einem anderen können es gleich sechs sein. Am Wochenende muss ich ab und zu einen Bereitschaftsdienst machen, der wird aber noch zusätzlich entlohnt. Es gibt Institute, da gibt es eine Obduktionspauschale – bei aufwendigeren Todesfällen, wie Verkehrsunfällen gibt es dann einen Aufschlag, weil die Obduktion mehr Arbeit erfordert. Das ist in Köln aber nicht so.

 

Der Einfluss auf das eigene Leben

Mein Humor ist durch den Job auf jeden Fall makabrer geworden. Es ist keine schöne Thematik, mit der ich jeden Tag konfrontiert werde. Ich kann mir allerdings immer vor Augen halten, dass es nicht meine Schuld ist, wenn jemand verstirbt, ich arbeite ja für die gute Seite. Auch habe ich zu den Verstorbenen keine emotionale Bindung, weil ich sie nicht kenne. Ich bin immer respektvoll gegenüber den Verstorbenen, aber ich kann nicht den ganzen Tag schlecht gelaunt herumlaufen. Ich muss mich gedanklich sehr von meinem Beruf distanzieren – natürlich habe ich schon viele unschöne Bilder gesehen. Aber ich sortiere sie in meinem Kopf so weg, dass sie nicht während meiner Freizeit präsent sind. Wenn ich an einem Tag doch etwas emotionaler bin, dann schaue ich mir eher einen lustigen Film nach der Arbeit an als eine traurige Schnulze. An dem Tag, an dem ich das erste Kind hatte, musste ich schon schlucken, weil ich es traurig finde, dass ein kleines Kind sterben muss – oft durch Fremdverschulden. Solche Momente motivieren mich aber noch mehr, diesen Job zu machen, weil wir mit unserer Arbeit Menschen, die andere töten, das Handwerk legen können, da wir viele Behauptungen medizinisch widerlegen können. Auch die hohe Anzahl an Suiziden, die wir bearbeiten, erschreckt mich und macht mich traurig, weil das durch mehr Präventionsarbeit verhindert werden könnte.

 

Auf meinen Lebensstil wirkt sich meine Arbeit insofern aus, dass ich versuche, möglichst gesund zu leben und das Beste aus allem zu machen.  Ich sehe bei Menschen, die nicht gesund gelebt haben, welchen Einfluss das auf die Organe haben kann. Dann ist man dankbarer für die eigene Gesundheit und hat ein anderes Körperbewusstsein.

 

Die Frage, die auf Partys immer gestellt wird

„Ist das nicht voll eklig?“ oder „Was war das Krasseste, was du bisher gesehen hast?“ Ich glaube, jeder, der Horrorfilme wie „Saw“ gesehen hat, hat Krasseres gesehen. Ich habe mit Verstorbenen oder Blut kein Problem. Man gewöhnt sich auch an die Arbeit. Bei einer Sektion müssen wir zum Beispiel den Mageninhalt entnehmen und ich habe ein Problem mit Erbrochenem. Aber mit der Zeit konnte ich diese Empfindlichkeit zurückstellen. Einmal ist mir im Sektionssaal schlecht geworden, das war, nachdem ich etwas Deftiges gegessen hatte. Seitdem weiß ich, dass ich vor der Arbeit nur etwas Leichtes zu mir nehmen sollte. Am schlimmsten ist das Vorurteil, dass wir in der Rechtsmedizin ein Blutbad anrichten würden und es wie beim Schlachter sei. Wenn man ein totes Wesen – egal ob Mensch oder Tier – präpariert, ist es normal, dass Blut fließt. Aber wir halten es immer sauber und achten darauf, dass nichts auf den Boden kommt. Und wir sind dankbar, dass es Blut gibt, weil wir sonst viele Untersuchungen nicht machen könnten.

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