Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

„Ich seh’ doch nicht aus wie ‘ne Oma!“

Illustration: Julia Schubert

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

kinderkriegen mit vierzig cover

Illustration: Julia Schubert

Vater + Mutter = Kind – das war einmal. Heute ist die Frage nach der Familienplanung hochpolitisch. Will man überhaupt welche? Was bedeutet das für die Beziehung? Und wenn man sich dafür entscheidet – geht das dann so einfach? In dieser Kolumne erzählen Menschen von ihrer Entscheidung für und gegen Kinder. 

Janin, 43, wurde zum ersten Mal mit 40 Mutter. Gerade ist sie mit ihrem zweiten Kind schwanger – und kann sich auch ein drittes vorstellen.

Letztens war ich auf dem Flohmarkt und habe bei den Babysachen gestöbert, da fragt mich der Verkäufer ganz im Ernst: „Werden sie Oma?“ Ich habe höflich geantwortet: „Nein, Mutter.“ Das war schon ein Schlag ins Gesicht. Ich bin 43 und im vierten Monat schwanger. Ich dachte: Ich seh’ doch nicht aus wie ‘ne Oma! Ich hab versucht, es mit Humor zu nehmen und trotzdem was bei ihm gekauft.

Der Geburtstermin für mein zweites Kind ist derselbe wie bei meinem ersten Sohn, genau vier Jahre später. Bei der Geburt war ich gerade vierzig geworden, dieses Mal werde ich 44. Die krasse Übelkeit der ersten Monate ist jetzt zum Glück vorbei. Würde mir mein Körper nicht eindeutig zeigen, dass ich schwanger bin, könnte ich kaum glauben, dass das alles wirklich passiert. Auch wenn ich meinen Sohn durch unsere Wohnung laufen sehe, ist es manchmal immer noch unfassbar, dass da so ein kleiner Mensch ist, der jetzt zu unserer Familie gehört. Ich bin einfach richtig glücklich so, wie es jetzt ist.

Dass ich mal sehr gerne Mutter sein werde, hätte ich früher nie für möglich gehalten. Jeder, der mich kannte, wusste, dass ich kein Kindermensch bin. Ich konnte einfach nie was mit Kindern anfangen. Ich bin Einzelkind, selbst Kinder zu bekommen war für mich lange sehr weit weg. Mit 20 dachte ich: „Vielleicht mit 30?“ Mit 30 dann: „Vielleicht mit 35?“ So richtig mochte ich aber auch mit 35 nicht. Mein Mann, mit dem ich seit 16 Jahren zusammen bin, schon. Das war auch immer wieder Thema in unserer Beziehung. Mitte, Ende Dreißig hat sich aber langsam die biologische Uhr gemeldet. Viele unserer Freunde bekamen da schon das zweite Kind. Ich dachte: War es das jetzt oder will ich doch noch mal wissen, ob an diesem Mythos „Kinder sind das Schönste“ was dran ist? Irgendwann haben wir gesagt: „Wir probieren es einfach.“ So richtig tief war mein Kinderwunsch auch da nicht. Jeden Monat, wenn ich meine Tage bekam, war ich gleichzeitig traurig und erleichtert.

Von Statistiken will ich mich nicht verrückt machen lassen

Nach einem Jahr wurde ich schwanger. Das war erst mal ein Schock – zu dem Zeitpunkt habe ich schon gar nicht mehr damit gerechnet! Die Nachricht hat meine Welt komplett auf den Kopf gestellt. Ich war damals selbstständig und hatte auf einmal tausend Sorgen: Was sage ich meinen Kunden? Wie machen wir das finanziell? Bis dahin hatten wir getrennte Konten und ich konnte mir nicht vorstellen, meinen Mann zu fragen: „Kannst du mir vielleicht Geld geben?“ Ich musste erst lernen, mich auf das Leben mit Kind einzustellen. Mein Umfeld hat sich aber durchweg gefreut. Besonders meine Eltern waren total aus dem Häuschen. Sie hätten nie gedacht, dass sie jemals noch Großeltern werden.

Angst vor Risiken hatte ich nicht. Ich habe versucht, mich von Statistiken nicht verrückt machen zu lassen. Außerdem hatte ich eine tolle Ärztin, bei der ich mich rundum aufgehoben gefühlt habe. Bei ihr war mein Alter nie Thema. Meine Schwangerschaft ist, bis auf Sodbrennen und starke Rückenschmerzen, auch sehr gut verlaufen.

Seit mein Sohn da ist, sage ich oft: „Hätte ich vorher gewusst, wie toll das mit Kindern ist, hätte ich am liebsten drei“. Gerade wenn Kinder sprechen lernen und Humor entwicklen, ist das schon ein Kracher. Sie sind so lustig, ehrlich, so frei in ihrem Tun und wie sie mit der Welt umgehen. Alles ist für sie spannend: eine Pfütze, ein Marienkäfer. Man entdeckt die Welt noch mal neu durch Kinderaugen. Das macht den Alltag mit Kind so schön. Die Angst, in meiner Freiheit eingeschränkt zu sein, hat sich nicht bestätigt. Man kann auch mit Kind reisen und schöne Dinge tun. Das Problem sind mehr die Grenzen im eigenen Kopf, von denen sich viele einschränken lassen. Ich schwebe aber auch nicht auf einer rosa Wolke. Elternsein ist sau anstrengend. Man hat täglich kleine Kämpfe auszufechten und ist froh, mal eine Stunde für sich zu haben. Wie es ist, mit solchem Schlafmangel zu leben, kann man sich vorher auch nicht vorstellen.

Ich dachte ein zweites Kind sei in meinem Alter völlig unrealistisch. Außerdem habe die Zeit mit unserem Sohn so genossen, dass ich sie nicht mit einem zweiten teilen wollte. Nach anderthalb Jahren wurde das anders. Auch mein Mann meinte immer wieder: „Noch so eins wäre doch schön!“ Wir versuchten es wieder. Ein Jahr passierte nichts. Es war ganz anders, als vor meiner ersten Schwangerschaft. Jedes Mal, wenn ich meine Tage bekam, war ich einfach nur traurig, dachte: Und wieder nicht. Innerlich hatte ich schon aufgegeben, aber dann wurde ich tatsächlich noch mal schwanger – mit 43. Das ist schon ein kleines Wunder.

Meine Mutter galt mit 28 Jahren als spätgebärend

In der zweiten Schwangerschaft bin ich entspannter. Ich bin körperlich, aber auch emotional viel gefestigter. Ich weiß, dass wir das alles hinkriegen und ich mir nicht so viele Sorgen machen muss. Nur vor den schlaflosen Nächten graut es mir schon jetzt. Trotzdem glaube ich nicht, dass man als ältere Mama spezielle Nachteile hat. Auch eine 20-Jährige ist fertig vom Schlafentzug. Dass ich eine bessere Mutter bin, weil ich mehr Lebenserfahrung habe, glaube ich absolut nicht.

Einzig, dass ich wahrscheinlich nicht so viel Lebenszeit mit meinen Kindern teilen kann, finde ich schade. Ich würde gerne erleben, wie mein Sohn erwachsen wird, vielleicht selbst Kinder bekommt. Wenn er sich damit solange Zeit lässt, wie ich, hab ich allerdings ein Problem – dann wäre ich schon 80. Manchmal wünsche ich mir, wir hätten früher Kinder bekommen. Aber dann wäre es eben nicht genau dieses Kind geworden. Mein Ziel ist es einfach, 90 zu werden!

Wenn ich überlege, dass meine Mutter in den Siebzigern mit 28 als spätgebärend galt, finde ich schon, dass sich gesellschaftlich viel getan hat. Inzwischen ist es normal, dass Frauen mit 30 oder 35 Kinder bekommen. Trotzdem wird das Alter auch heute bei Frauen mehr thematisiert, als bei Männern. Bei Beratungen ging es meistens um mein Alter und nicht das meines Mannes, der 41 ist. Dabei ist bewiesen, dass auch ältere Väter das Risiko auf Fehlbildungen erhöhen können.

Eine Altersgrenze fürs Kinderkriegen habe ich eigentlich keine mehr – früher war es mal 40, heute denke ich einerseits: „Bin ich mit 45 zu alt?“ Andererseits: „Vielleicht kommt ja noch ein drittes?“ Das wäre kaum vorstellbar. Aber wenn ich eins gelernt habe im Leben: Es kommt immer anders, als man denkt. Deswegen sollte man sich eigentlich frei machen von Altersgrenzen. Frauen, die Ende dreißig überlegen, schwanger zu werden, würde ich sagen: Nicht lange fackeln, machen! Es lohnt sich. Und alles, worüber man sich Sorgen macht, lässt sich am Ende regeln.

  • teilen
  • schließen