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Diese Fotos dokumentieren die Entfernung von Nazi-Tattoos

Bis die Tattoos wirklich verschwunden sind, kann es Jahre dauern.
Foto: Jakob Ganslmeier

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Runen, Wehrmachtssoldaten, Hakenkreuze: Symbolträchtige Tattoos sind bei Neonazis beliebt, um die eigene Zugehörigkeit zur rechten Ideologie eindeutig und lebenslang zu signalisieren. Für viele Aussteiger*innen aus der Szene wird das letztlich zum Problem. Der Fotograf Jakob Ganslmeier hat für sein Projekt „Haut, Stein“ ehemalige Neonazis begleitet, die sich ihre rechtsextremen Tattoos weglasern ließen.

Der 29-Jährige wohnt in Berlin und hat dort an der Ostkreuz-Schule Fotografie studiert. Seine Protagonist*innen fand er über Kontakte zum Programm EXIT Deutschland, das Neonazis beim Ausstieg aus der rechten Szene hilft. 

„Die rechte Ideologie ist eine Ideologie, die einen nicht so einfach loslässt. Man steigt ja nicht mal so eben aus der rechten Szene aus“, sagt Jakob gegenüber jetzt. Die Tattoo-Entfernung sei deswegen ein einschneidender Moment im Ausstiegsprozess: „Das bedeutet: Auch nach außen hin zeige ich, dass ich mich von der rechten Ideologie distanziere.“

„Wenn man den ganzen Rücken tätowiert hat, dann braucht das drei oder vier Jahre“

Lange unterhielt sich der Fotograf mit verschiedenen Aussteiger*innen über ihre Geschichte. Am Ende begleitete er zehn Menschen bei der Entfernung ihrer Tattoos. „Wenn man den ganzen Rücken tätowiert hat, dann braucht das drei oder vier Jahre. Der Laserprozess ist sehr aufwendig“, sagt Jakob. Für viele sei es eine große Überwindung gewesen, bei dem Projekt mitzumachen. Denn mit dem Tattoo und der Entfernung sei immer auch eine tiefe Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensgeschichte verbunden. Und die ist schmerzhaft.

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Viele der Aussteiger*innen begleitete Jakob über mehrere Jahre.

Foto: Jakob Ganslmeier
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Denn es dauert lange, bis ein großes Tattoo wirklich verändert oder ganz entfernt ist.

Foto: Jakob Ganslmeier
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Manche der Fotografierten haben lange überlegt, ob sie bei dem Projekt mitmachen sollen.

Foto: Jakob Ganslmeier

„Das Foto, das dann letzten Endes herauskommt, ist das Ergebnis dieser Auseinandersetzung. Aber es erinnert auch an den Prozess, thematisiert die Vergangenheit und genauso auch die Zukunft“, sagt Jakob. Als explizite Warnung möchte er seine Fotos zwar nicht bezeichnen. Er erzählt aber: „Ein Aussteiger hat mal zu mir gesagt, dass er Geschichten wie seine eigene Lebensgeschichte nicht noch einmal wiederholt sehen möchte. Deswegen hat er bei dem Projekt mitgemacht.“

Der zweite Teil der Arbeit setzt sich mit Architekturen aus der NS-Zeit auseinander. Jakob fotografierte Gebäude mit NS-Symboliken, die sich noch immer in vielen deutschen Städten befinden. „Die stehen da oft relativ unkommentiert. Ich wollte hinterfragen: Wie weit liegt die Vergangenheit wirklich in der Vergangenheit, wenn diese früheren Machtdemonstrationen der Nazis bei uns im Stadtbild noch so deutlich zu sehen sind?“ 

Zu sehen sind zum Beispiel weggemeißelte Runen, Hakenkreuze, Reichsadler und andere Symboliken, die noch immer in die Gebäude eingeschrieben sind. Jakobs Schwarz-Weiß-Bilder stellen diese architektonischen Rückstände der NS-Zeit den tätowierten Körpern gegenüber – und dem Willen der Aussteiger*innen, die rechte Ideologie hinter sich zu lassen.

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Im Gegensatz zu den Tattoos stehen schwarz-weiße Stadtansichten, die Jakob in Deutschland und Österreich aufgenommen hat.

Foto: Jakob Ganslmeier
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Sie zeigen, wo in den Städten NS-Architektur bis heute sichtbar ist.

Foto: Jakob Ganslmeier
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Zu sehen sind zum Beispiel Runen oder Hakenkreuze.

Foto: Jakob Ganslmeier
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Jakob will auch die Frage stellen, wie wir heute mit unserer Vergangenheit umgehen.

Foto: Jakob Ganslmeier
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Das Projekt stellt diese architektonischen Rückstände der NS-Zeit den tätowierten Körpern gegenüber.

Foto: Jakob Ganslmeier

Dabei ist „Haut, Stein“ auf jeden Fall auch politisch. Inwieweit liegt die deutsche Vergangenheit in der Vergangenheit? Diese Frage könne man sich gerade heute sehr gut stellen, so Jakob. „Denn natürlich werden rechte Parteien immer wieder versuchen, den Holocaust oder das Dritte Reich zu marginalisieren oder klein zu reden.“ Wichtig ist ihm vor allem: „Wir dürfen nicht aufhören uns mit der eigenen Geschichte zu beschäftigen.“

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