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Sind Wunschzettel nützlich oder verderben sie das Schenken?

Illustration: Daniela Rudolf

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Die (Vor-)Weihnachtszeit ist voll von kleinen Ritualen und großen Traditionen. An ihnen scheiden sich jährlich die Geister: Die einen hassen den Trubel rund um das Fest, die anderen genießen nichts mehr. Folge vier der großen Streitfragen rund um Weihnachten: Das Pro und das Contra zum Thema „Wunschzettel“.

Katja schreibt Wunschzettel, um keine unliebsamen Geschenke mehr zu bekommen:

Langweilige Bücher. Hässliche Schals. Unnütze Küchengeräte. Ich hatte sie alle, jedes Jahr aufs Neue. Was ich dafür nicht hatte, waren: Bücher, die ich lesen, Klamotten, die ich tragen und Dinge, die ich benutzen wollte. So, und jetzt finde den Fehler.

Wer findet, ich egoistisches Miststück solle mir doch einfach all das Zeug selbst besorgen und mich an Weihnachten von meinen Lieben überraschen lassen, dem sei gesagt: Jedes verdammte Jahr versündigen sich meine Lieben an der Umwelt. Und zwar, indem sie aufwändig Dinge produzieren lassen, die nicht benötigt werden.

Bei mir müllen sie dann entweder die Wohnung zu, weil ich fürchte, der betreffende Schenker könnte eines Tages sein Buch in meinem Bücherregal suchen oder nach Mini-Donuts verlangen. Oder ich hocke, falls ich einen Besuch 100 pro ausschließen kann, ganze Nächte über Kleinanzeigen-Portalen, um wenigstens noch ein wenig Kohle aus dem überflüssigen Fehlgriff rauszuholen. Beide Varianten deprimieren mich zutiefst. Dabei ging es doch ursprünglich darum, mir etwas Gutes zu tun?!

Ja, es gibt sie, die perfekten Geschenke, von denen ich nichtmal wusste, dass ich sie haben will. Meine besten Freunde und mein Liebster und schaffen es regelmäßig, mir ein Freudeskreischen zu entlocken. Doch all den Tante Gerdas und Oma Hildes da draußen fällt es naturgemäß schwer, sich in die Welt der nachfolgenden Generationen einzufühlen. Dabei wollen sie nichts mehr, als den jungen Leuten eine echte Freude zu machen. „Was steht denn auf dem Wunschzettel vom kleinen Theo?“, fragen sie, bis er in etwa volljährig geworden ist. Dann hören sie damit auf und gehen zu Umwelt- und Laune-verderbenden Büchern, Schals und Küchengeräten über. Theo bzw. ich sind aber immer noch zwei Generationen und fünf Städte von ihnen entfernt, und haben ganz andere Wünsche.

Erinnern wir sie daran! Und machen wir auch ihnen eine Freude, indem wir uns bei der Bescherung wirklich freuen, statt in Gedanken alle Möglichkeiten durchzugehen, wo wir den Müll später lassen können. Der einzig mögliche Weg also zu allseitiger Glückseligkeit: ein Wunschzettel. Wenn es doch immer so einfach wäre im Leben.

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Für Lara berauben sich Wunschzettelschreiber der schönsten Momente des Weihnachtsfestes: 

 

 

Ich kann Wunschzettel nicht ausstehen. Für mich sind sie der textgewordene Beweis dafür, dass es in unserer Gesellschaft nur noch um Effizienz geht. Eine Kosten-Nutzen-Rechnung ist meiner Meinung nach aber nirgendwo so unangebracht wie beim Schenken. Denn Geschenke sind in erster Linie eben nicht dazu da, dem Beschenkten den größtmöglichen Nutzen zu verschaffen. Sie sollen vielmehr die Gedanken, die man sich um andere macht, greifbar machen.

 

Deshalb werden in der Paartherapie meist auch fünf Wege aufgezeigt, Liebe zu kommunizieren: über Lob und Anerkennung, über Zärtlichkeit, über Taten, über gemeinsam verbrachte Zeit. Und über Geschenke! Keiner nutzt jeden dieser Wege gleich viel. Es gibt also zum Beispiel Menschen, die nicht „Das hast du fantastisch gemacht, mein Lieblingsschatz“ sagen können, ohne verlogen zu klingen. Das wollen sie aber mit Geschenken wieder wettmachen. Zu dieser Art Mensch gehöre ich.

 

Dieses „Wett-“ oder einfach nur „Freudemachen“ funktioniert aber nicht, indem ich jemandem kaufe, was auf seinem verdammten Wunschzettel steht. Da geht die Gedankenkette des Schenkers schließlich bei „Was schenk ich ihm denn?“ los und hört schon wenige Minuten später bei „Hach, dieses Buch passt doch toll in mein Budget“ wieder auf. Das ist vielleicht praktisch für beide Seiten, hat mit Liebesbekundung aber relativ wenig zu tun. Wer einen Wunschzettel schreibt, spart sich maximal Geld. Was auf diesem Zettel steht, kennt er schließlich schon. Könnte er sich auch selbst kaufen.

 

Via Wunschzettel berauben wir uns der schönsten Momente des Weihnachtsfestes. Denen, in denen wir davon überrascht werden, wie gut andere uns kennen. Wie viele Gedanken unsere Mutter sich gemacht hat. Welch toll-verrücktes Instrument ein Freund auf dem Trödelmarkt gefunden hat. Wir berauben uns sogar der selbstgemachten Fotoalben, weil wir durch unseren Wunschzettel vermitteln: „Bitte, bloß nicht zu viel Mühe geben. Mir ist dieses Zeug sowieso viel lieber als deine krüppeligen Basteleien aus den vergangenen Jahren.“

 

Ich weigere mich deshalb auch in diesem Jahr wieder, anderer Leute Wunschzettel entgegenzunehmen. Denn ich schenke ja auch ganz generell nur den Menschen etwas, die mir wichtig sind. Warum sollte ich es Ihnen nicht zeigen – indem ich meinen Kopf in der Vorweihnachtszeit einmal darüber grübeln lasse, worüber sie sich freuen könnten?

 

Und ich werde deshalb selbst keinen Wunschzettel schreiben. Klar, wenn jemand auf mich zukommt und halbverzweifelt fragt, was er mir denn besorgen könnte, werde auch ich dieser Person antworten. Meistens lautet diese Antwort dann aber: „Wenn du mich beschenken willst, dann bitte einfach mit etwas, das mich überrascht.“ Ob der Schal dann hässlich ist, das Buch langweilig oder das Küchengerät unnütz – ganz ehrlich: Es ist mir egal. Jemand hat sich Gedanken gemacht, wenn auch nur für ein paar Minuten. Und das ist für mich beim Schenken das einzige, das zählt. 

 

 

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