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Wie du dich trennst, ohne ein Arschloch zu sein

Illsutration: Daniela Rudolf, Fotos: Freepik

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Es gibt kaum etwas, das unser Leben heftiger durcheinanderschmeißt als eine Trennung – das gilt selbst für die Person, die sich fürs Schlussmachen entschieden hat. Schließlich muss auch die mit den Trümmern ihrer Hoffnungen klarkommen, und ein paar Schuldgefühle gibt’s noch gratis obendrauf. Laut der Stressskala der Washingtoner Psychiater Thomas Holmes und Richard Rahe gibt es – abgesehen vom Tod des Partners – kein Ereignis, das uns emotional mehr beansprucht als das Aus einer Liebesbeziehung. Kein Wunder also, dass wir alles dafür geben, eine Trennung so schnell und schmerzlos wie möglich hinter uns zu bringen. 

Aber ist das wirklich immer die beste Methode? Hat sich jemals jemand ernsthafte Gedanken darüber gemacht, ob es nicht auch noch andere Möglichkeiten gibt? Falls nein: Hier ein Versuch, genau das zu tun. Eine Betrachtung der gängigsten Ratschläge für Menschen, die sich trennen, und warum sie vielleicht einfach totaler Quatsch sind. 

Typischer Tipp Nr. 1: Keine Erklärungen abgeben

Ein simples „Ich liebe dich nicht mehr“ ist genug. Schließlich muss sich niemand für seine Entscheidungen rechtfertigen und zum Guten wenden wird sich bei euch eh nichts mehr. Denn das ist doch der einzige Grund, warum man über Schwierigkeiten überhaupt reden sollte: um sie auszuräumen. Warum also lang und breit darlegen, weshalb du getrennte Wege für die Idee des Jahrtausends hältst?

Warum das Bullshit ist:

Weil jeder normale Mensch wissen will, warum ihm jemand, den er liebt, bei lebendigem Leib das Herz rausreißt! Also raus mit allem, was dich unglücklich macht, was dir fehlt, wo du hin willst. Was nicht heißt, dass du die Schuldfrage mit Sätzen wie „Du klammerst wie ein Baby“ oder „Ich langweile mich mit dir und deiner Katze zu Tode“ auf den Tisch knallen sollst. Das wäre nur ein zusätzliches Rumtrampeln auf dem zuckenden Klumpen. Du hast zum Scheitern dieser Beziehung genau so viel beigetragen wie der Langweiler mit seiner Katze. Selbst wenn er dir 100 Mal fremdgegangen sein sollte – du hast sein Verhalten auf deine Weise mitgetragen, und sei so anständig, das euch beiden einzugestehen.  

Typischer Tipp Nr. 2: Trösten sollen die anderen

Eure Beziehung ist beendet, damit bist du raus aus der Verantwortung. Denn das hier ist nicht das Leid deines Liebsten, nein, das ist das Leid deines Ex, und mit dem hast du nichts mehr zu schaffen. Außerdem sind deine Hände noch voll Blut. Wie sollst du damit jemanden tröstend umfassen? Und welcher Masochist will schon von seinem Peiniger gehalten werden? 

Warum das Bullshit ist: 

Ja, es kann durchaus sein, dass du nicht die richtige Person bist, um Trost zu spenden. Vielleicht will deine Ex-Liebe nichts mehr, als dich zusammen mit deinen hässlichen Unterhosen aus dem Fenster zu schmeißen. Das wäre nicht ungewöhnlich. Aber selbst wenn Körperkontakt das Letzte ist, was dein Ex grade ertragen kann, zeugt es von Mitgefühl, wenn du ihn nicht mit seinen Gefühlen allein lässt. Dir die Vorwürfe anhörst (ohne groß drauf einzugehen natürlich), die Tränen aushältst (ohne in Schuldgefühlen zu ertrinken) und das Gejammer erträgst (ohne auszuflippen). Ich weiß, für den Moment nach deiner Trennung hattest du dir eher eine Cocktailparty als verzweifeltes Schnapstrinken neben deinem bellenden Ex vorgestellt. Aber dein Moment wird noch kommen. Und der seiner Dankbarkeit dafür, dass du nicht einfach die Tür hinter dir zugeschlagen hast, auch.

Typischer Tipp Nr. 3: Kontaktsperre durchziehen

Es ist vorbei. Und das war deine Idee. Darum komm bloß nicht auf den Gedanken, deinen Ex-Lieblingsmenschen anzurufen und ihn zu fragen, wie es ihm geht! Er wird dann nur anfangen zu heulen oder denken, dass er dich zurückhaben kann (womit er sich geschnitten hat). Meide gemeinsame Lieblingsbars und überhaupt alle Gelegenheiten, wo ihr euch über den Weg laufen könntet. Denn du bist doch keiner von denen, die absichtlich Seelenschmerz hochholen, der vielleicht schon am Abklingen war.

Warum das Bullshit ist:

Eins lass dir gesagt sein: Der Schmerz war schon vorher da. Du hast dich getrennt, verdammt nochmal, das tut weh! Also halte das aus. Zeig dich von deiner menschlichen Seite und tu nicht so, als würde die andere Person nicht mehr existieren. Außer natürlich, sie hat versucht, dich zu vergewaltigen oder so etwas Ähnliches – dann darfst du sie ruhig für immer abschießen. Aber das wird wahrscheinlich nicht der Fall sein, sondern vermutlich wart ihr euch ziemlich nah. Habt Nagelscheren, Geheimnisse, Sehnsüchte und Körperflüssigkeiten geteilt. Und wenn man es genau betrachtet, ist es völlig hirnrissig, jemanden, den man im Grunde seines Herzen gern hat, aus seinem Leben zu schmeißen, nur, weil man nicht mehr mit ihm zusammen sein will. 

Typischer Tipp Nr. 4: Kein Sex mit dem Ex

Niemals. Darfst. Du. Mit. Deinem. Ex. Schlafen. Nie. Unter keinen Umständen. Denn wenn er schon nicht geheult hat, als du ihn angerufen hast, um zu fragen, wie es ihm geht – wenn du es ihm so richtig gut besorgst, wird er es danach garantiert tun. Willst du ihm das wirklich antun? 

Warum das Bullshit ist:

Zur Erinnerung: Der Schmerz war schon da. Keinen Sex mit dir zu haben, obwohl ihr da beide Bock drauf habt, lindert ihn keineswegs. Sondern verbannt ihn nur in den seelischen Untergrund. Dabei ist vielleicht ein letztes gemeinsames Mal, um euch auch körperlich voneinander zu verabschieden, genau das, was ihr braucht. Vielleicht werdet ihr sogar noch einige Male brauchen, weil das etwas ist, das zwischen euch schon immer gut funktioniert hat. Warum es nicht noch eine Weile genießen?

Typischer Tipp Nr. 5: Bloß nicht noch mal

Dein Ex wird möglicherweise versuchen, dich zurückzubekommen. Das ist gar nicht mal so unwahrscheinlich, schließlich ist er offensichtlich weniger unglücklich mit dir als du mit ihm. Lass dich bloß nicht darauf ein! Oder hast du etwa Bock auf ein qualvolles On/Off-Herumgesieche? Denn genau das blüht euch beiden, solltet ihr nochmal einen dieser lächerlichen Restart-Versuche unternehmen. Das zwischen euch kann nix mehr werden.

Warum das Bullshit ist: 

Ähm, sagt wer noch mal? Gott? Die Wünschelrute deines Homöopathen? Niemand kann wissen, was zwischen euch beiden noch möglich ist. Vielleicht wächst eure Beziehung an ihrer Nahtod-Erfahrung und ihr beide werdet fortan nur noch von dem Licht schwärmen, das ihr am Ende des Tunnels gesehen habt. Aber selbst, wenn du dir am Ende doch wieder nur deine eigenen Finger in den Hals steckst, statt ihm einen Ring an den Finger zu stecken, kann keiner mehr sagen, du hättest es nicht versucht. Trennung ist ein Prozess, und manchmal braucht er mehrere Anläufe, bis sich alle wirklich sicher sind. So wirst du dich wenigstens nicht bis zu deinem Einzug in die Senioren-WG fragen, ob diese Entscheidung damals die richtige war. 

Dieser Text erschien erstmals am 24.10.2017 und wurde am 12.3.2021 noch einmal veröffentlicht.

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