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„Ich erwarte von Rap nicht immer politische Korrektheit“

Josi Miller und Helen Fares nehmen gemeinsam den Podcast „Deine Homegirls“ auf.
Foto: Eric Kemnitz

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Muss oder soll man Privatperson und Kunstfigur immer getrennt voneinander betrachten? Diese Frage wurde seit #metoo immer wieder diskutiert, auch in Hinsicht auf die Deutschrap-Szene. Denn es ist kein Geheimnis, dass dort viele Texte sexistisch sind und es in einigen Kreisen immer wieder zu frauenfeindlichem oder gar gewalttätigem Verhalten kommt. Das jüngste Beispiel: Rapper Gzuz wird unter anderem vorgeworfen, seine Ex-Freundin misshandelt zu haben. Viele Hip-Hop-Medien ließen das Thema Sexismus dennoch lange unkommentiert, mittlerweile gibt es in der Szene aber immer mehr Journalist*innen, die sich kritisch damit auseinandersetzen. So auch Helen Fares, 24, und Josi Miller, 30.

Während Helen sich unter anderem als Journalistin für hiphop.de und als Moderatorin auf dem Festival Openair Frauenfeld einen Namen machte, legte Josi für Rapper wie Frauenarzt und Trettmann auf und startete eine eigene Partyreihe. Die beiden äußern sich oft kritisch zu Problemen in der Hip-Hop-Szene und nehmen gemeinsam den Podcast „Deine Homegirls“ auf. Darin sprechen sie mit Künstler*innen über alles, was sie und ihre Gäste bewegt – von Musik über Politik bis zu Astronomie. Im Telefonat mit jetzt geht es aber vor allem um Sexismus im Rap.

Jetzt: Ihr seid zwei junge Frauen, die in der Hip-Hop-Szene arbeiten. Da ist es naheliegend, dass ihr ständig auf die Sexismus-Debatte im Deutschrap angesprochen werdet. Hängt euch das zum Hals raus?

Helen: Tatsächlich wird uns momentan vor allem die Frage gestellt, ob uns das Thema nervt. Ich persönlich habe kein Problem damit, darüber zu sprechen, denn es interessiert die Menschen offensichtlich.

Josi: Ich bin kein Fan von dem Thema, weil ich lieber über Musik spreche. Aber solange es Probleme gibt, die wir beheben wollen, müssen wir natürlich darüber sprechen. 

Helen: Insofern: Frag ruhig. 

Habt ihr denn das Gefühl, dass die Debatte etwas in der Hip-Hop-Branche ändert?

Helen: Es gibt Bereiche im Rap, in denen immer mehr Bewusstsein für das Thema herrscht. Es gibt aber genauso Sparten, in denen die emanzipatorische Rolle der Frau nach wie vor nicht von Bedeutung ist. Das ist zum Beispiel in vielen Teilen des Straßenrap so. Da ist es vielen Menschen egal, dass sich Tausende Feministinnen dagegenstemmen.

„Ignoranz gegenüber Feminist*innen ist im Rap oft eine Frage der Bildung“

Was denkt ihr, woran es liegt, dass die Debatte dort nichts bewirkt?

Helen: Woher Straßenrap kommt und von welchen Menschen er gemacht wird, spielt dabei eine große Rolle. Aus meiner Sicht ist Ignoranz im Rap gegenüber Feminist*innen oft eine Frage der Bildung. In Deutschland haben wir leider immer noch das Problem, dass nicht für alle sozialen „Schichten“ die gleiche Bildung gewährleistet ist. 

Josi: Auch das soziale Umfeld spielt eine Rolle. Wer von Chancenungleichheit betroffen ist, den bewegen nun mal andere Themen als einen Studentenrapper. Das meine ich nicht abwertend, denn jeder hat auf seine Weise spannende Geschichten zu erzählen. 

Auch die Frage, ob man Kunstfigur von Privatperson trennen kann, ist in den vergangenen Monaten immer wieder zur Sprache gekommen. Hauptsächlich am Beispiel von Gzuz. Wie seht ihr das?

Helen: Im Podcast führen wir darüber häufig moralische Diskussionen. Eigentlich sagen wir: Privatperson und Kunstfigur können nicht getrennt werden, wenn die Person im Privaten viel Mist macht – dann sollte der Mensch nicht unterstützt werden. Verhält die Person sich im Privaten korrekt und ist ihre Musik als Kunst deklariert, die in überspitzter Form schwierige Thematiken aufgreift, dann ist das für mich persönlich ertragbar. Frauenarzt ist ein gutes Beispiel dafür. Oder, Josi?

Josi: Bei Frauenarzt weiß ich, dass er privat ein cooler Typ ist, und dass das in seinen Texten gewissermaßen eine Kunstfigur ist. Solange das nach außen hin auch aufgeklärt thematisiert wird, ist das für mich okay. Generell muss das im Einzelfall betrachtet werden. Wenn jemand seltsame Dinge rappt, sollte darüber gesprochen werden – deswegen müssen aber nicht das ganze Album oder die ganze Person abgestempelt werden.

„Sexismus darf kein Stilmittel sein“

Darf Sexismus eurer Meinung nach denn ein Stilmittel sein?

Helen: Nein, Sexismus darf kein Stilmittel sein.

Josi: Wenn Sexismus als Stilmittel verwendet wird, muss das auf humoristische Art verpackt sein. Ich erwarte von Rap nicht immer politische Korrektheit und wenn es offensichtlich ironisch gemeint ist, dürfen Sachen überspitzt dargestellt werden. Das ist aber nur meine Meinung. 

Und wenn es nicht ironisch verpackt ist?

Josi: Dann müssen wir in eine Debatte gehen. Helen macht es sich auch zur Aufgabe, unsere Gäste auf einzelne Zeilen anzusprechen. Sie erklären dann auch, wie sie solche Texte meinen. Wenn jemand sagt: „Im Tourbus wird immer gefickt, das ist meine Realität und da rappe ich auch drüber“, dann finde ich das okay.

Helen: Ich sehe das auch so. Außerdem wissen die Künstler*innen, die zu uns in den Podcast kommen, worauf sie sich einlassen. Themen wie rassistische oder sexistische Sprache werden bei uns angesprochen. Aber wenn ich jemanden wie Shadow030 einlade, dann muss ich nicht mit ihm darüber sprechen, dass Gewalt problematisch ist. Mir ist klar, dass ein Künstler wie er in seiner Musik die eigene Lebensrealität widerspiegelt. Und dass Gewalt prinzipiell nicht okay ist, wissen wir glaube ich alle. Ich spreche es aber an, wenn ich weiß, dass jemand einer sexistischen Realität oder einer kulturellen Aneignung aus dem Weg gehen kann. Also zum Beispiel, wenn jemand, der kein Native American ist, sich Kopfschmuck für Native Americans aufsetzt. Das ist dann nämlich nicht seine Lebensrealität.

„Wir haben keine Gäste, die in hohem Maße problematisch sind“

Gibt es Kriterien, nach denen ihr Künstler*innen zu euch in den Podcast einladet?

Josi: Uns ist wichtig, dass die Gäste dazu bereit sind, nicht nur etwas über ihre Musik zu erzählen, sondern auch über das, was sie außerhalb des Musikkosmos bewegt. Mir persönlich ist auch wichtig, dass Menschen kommen, deren Leidenschaft für Musik ich spüre. Jemanden, der von einem Label als Marke konstruiert wurde, müssen wir nicht einladen. Manchmal wissen wir das vorher natürlich nicht – das ist ja auch das Spannende daran.

Helen: Außerdem haben wir keine Gäste, die in hohem Maße problematisch sind. Gzuz zum Beispiel würden wir nicht einladen.

Achtet ihr darauf, vermehrt Frauen einzuladen?

Helen: Das ergibt sich bei uns meistens von selbst. Wenn wir dann aber zufällig mehrmals hintereinander Pimmelparty haben, dann achten wir auch darauf, so bald wie möglich wieder eine Frau einzuladen. Wir wollen das, was wir von der Gesellschaft fordern, schließlich auch selbst umsetzen.

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