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Interview mit Konstantin Gropper von Get Well Soon
Er wäre der erste Mensch auf Erden gewesen, der die Liebe durchschaut hätte. Und natürlich ist auch Konstantin Gropper, 33 Jahre alt, verheiratet und Vater eines vierjährigen Sohnes, an dieser übermenschlichen Hürde gescheitert. Aber der Versuch, der ehrt ja trotzdem. Gropper, besser bekannt als Get Well Soon, widmet sein eben erschienenes Album „Love“ also komplett dem einen Thema.
Das klingt zunächst banal. In der Popmusik geht es schließlich – wenn nicht gerade um Tod oder Ungerechtigkeit – immer um Liebe. Aber bei dem Mannheimer bedeutet die Entscheidung für ein Thema ja mehr. Tiefste, fast manische Recherche nämlich. In der Welt da draußen. Und in sich selbst. Das ist es, was ihn seit seinem Debütalbum 2008 zu den spannendsten Pop-Persönlichkeiten des deutschsprachigen Raumes macht. Besonders jetzt. So poppig und zugänglich wie auf „Love“ klang Get Well Soon schließlich noch nie. Altersmilde? Im Thema aufgegangen? Egal! Ein Gespräch über die Liebe jedenfalls.
jetzt: Konstantin, wie geht man das an, wenn man beschlossen hat, ein Themenalbum über die Liebe zu machen?
Konstantin Gropper: Wie immer. Ich habe zunächst mal gelesen und recherchiert wie ein Bekloppter und schnell entschieden, dass ich mich auf die Zweierbeziehungsliebe beschränke, weil es sonst zu breit geworden wäre. Ich habe mir alles angeguckt, was es in dem Spektrum gibt – vom Groschenroman bis zu Shakespeare. Irgendwo dazwischen habe ich dann meine subjektive Sicht auf die Liebe gefunden.
Die da wäre?
Vom Wesen her bin ich jemand, der immer nach einer Erklärung sucht, also konkret nach der Antwort auf die Frage „Was ist Liebe?“. Letztlich ist mein Fazit und auch das Fazit meines Albums, dass es die Antwort nicht gibt. Macht aber nichts. Ich finde es tröstlich, dass man so etwas Zentrales wie die Liebe weder verstehen kann noch verstehen muss.
Eine Überraschung ist das nicht.
Nein, insgeheim war mir das von Anfang an klar. Ich wäre ein sehr reicher Mann, wenn ich einen schlüssigen Erklärungsansatz für die Liebe gefunden hätte. Das Schöne an der Musik ist ja das Unscharfe, das Vage. Selbst eine Adele kann in ihren Songs die Liebe nicht erklären.
Welche der Songs handeln von deiner eigenen Beziehung?
Eigentlich alle (lacht). Ich bin kein Tagebuchschreiber, meine Sprache ist immer noch sehr bildhaft, aber in den Texten steckt mehr von mir als auf den anderen Alben. „It’s An Airlift“ setzt sich ein bisschen näher mit meiner Vaterrolle auseinandersetzt. Der Song ist mir sehr leicht gefallen, und doch hoffe ich nicht, dass ich einer dieser Väter bin, die nur noch über ihr Kind sprechen. Wobei die Gefahr groß ist (lacht). Der Sohn fängt schon an, mit meinen Instrumenten herumzuspielen.
Was sagt deine Frau zu „Love“? Ist sie gerührt?
Das möchte ich hoffen! Ich habe ihr meine Songs erst sehr spät gezeigt. Mir fällt das schwerer, als wenn ich vor 5000 Leuten spiele. Eben weil es so intim ist. Und manchmal ist es auch nicht einfach für meine Frau. Die letzten drei, vier Monate der Albumproduktion bin ich fast wie ein Zombie durchs Haus gelaufen.
Du arbeitest zu Hause?
Ja. Ich habe mein Studio im Keller. Am Tag arbeite ich an der Musik, die Texte schreibe ich gern abends mit einem Gläschen Wein.
Romantisch.
Naja, es ist einfach ein Keller. Mit Teppich und voller Instrumente. Immerhin habe ich jetzt ein paar Bilder an die Wand gehängt. Unter anderem Portraits von David Bowie und Stanley Kubrick, meinen beiden Lieblingskünstlern. Die beiden schauen mir jetzt über die Schulter, damit ich noch mehr Druck habe (lacht).
"Ich denke, eine gesunde Liebe ist ein sehr zartes Pflänzchen."
Das vorherige Album war sehr sperrig. „Love“ ist – für deine Verhältnisse – total Pop. War das ein ganz bewusster Schritt?
Schon, ja. Ich habe den Pop und alles, was damit zusammenhängt, lange Zeit vermieden, und dieses Mal habe ich genau das Gegenteil gemacht: Ich habe mir das größtmögliche Thema gesucht und dazu so viel Pop wie möglich genommen. Das war die sportliche Herausforderung an mich selbst.
Deine Musik klang noch nie wie die eines jungen Mannes. Nähern sich Künstler und Schaffen allmählich altersmäßig an?
Ja, vielleicht, doch. Kann man schon sagen. Auf dem ersten Album wollte ich bewusst älter klingen als ich damals war.
Sind deine Lieder zeitlos?
Das ist mir eigentlich egal, denn den Zeitgeist habe ich eh nie treffen wollen. Wichtig ist mir, dass mich die Musik berührt. Ich bin aber froh, dass ich nicht aktuell oder irgendwie hip klingen muss und auch so genügend Relevanz habe, um die Leute für mich zu interessieren.
Im Video zur Single „It’s Love“ spielt der berühmte Schauspieler Udo Kier die Hauptrolle. Wie bist du auf ihn gekommen?
Udo Kier wollte ich schon immer engagieren. Ich hatte ihn schon fürs erste Video meines ersten Albums damals angefragt. Das hat aber aus finanziellen Gründen nicht geklappt. Man muss ihn nämlich aus Palm Springs einfliegen lassen, wo er lebt. Jetzt gab es den glücklichen Zufall, dass er gerade in Europa drehte, und über eine alte Schlingensief-Connection bekam ich seine Handynummer. Udo Kier ist ein echter Traumschauspieler – nett und professionell zugleich. Ganz viel Respekt, wie er das mit seinen 73 Jahren durchgezogen hat.
Im Video spielt Kier einen Mann, der seine Tochter bei sich gefangen hält. Die klassische Josef Fritzl/Wolfgang Priklopil-Fantasie.
Der Song handelt nicht davon. Ich war hinterher fast schockiert, wie erschreckend gut der Text auf das Video passt. Mir ging es beim Schreiben eher allgemein um Liebe als Sucht. Darum, dass die Liebe das Beste wie das Schlechteste im Menschen hervorbringt, und wenn man einmal drinsteckt, dann kommt man nicht wieder raus.
Hast du dich bei deinen Liebesrecherchen manchmal selbst erschrocken, was Liebe alles sein kann?
Ja. Liebe kann man sehr weit fassen. Auch Leute wie Fritzl argumentieren ja mit Liebe, und man muss ihnen das wohl glauben, selbst wenn man es als einigermaßen normaler Mensch nicht nachvollziehen kann. Ich denke, eine gesunde Liebe ist ein sehr zartes Pflänzchen.
Hast du beim Schreiben des „Love“-Albums selbst Abgründe entdeckt, die du nicht kanntest?
Während des Schreibens habe ich das nicht bewusst wahrgenommen. Aber meine Frau sagte, als ich ihr schließlich das Album vorspielte, gleich an mehreren Stellen „Aha, das ist ja interessant.“ Wir sind aber immer noch zusammen. (lacht)