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Was bedeuten Nein heißt Nein, Consent und Rape Culture?

Foto: Seeliger/Imago

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Die Silvesternacht in Köln, der Fall Gina-Lisa, die Vergewaltigung auf dem Uni-Campus von Stanford – die Ereignisse der vergangenen Monate haben eines klar gemacht: Die Frage, ob man mit jemandem Sex haben sollte oder nicht und wie man das untereinander abmacht – was eigentlich ziemlich simpel sein sollte –, scheint immer noch zu vielen Menschen zu unklar zu sein. Oder sogar egal. Zahlen der UN besagen, dass in der EU jede dritte Frau im Laufe ihres Lebens sexualisierte oder körperliche Gewalt erlebt, mehr als die Hälfte werden mindestens einmal Opfer sexueller Belästigung.

Zu diesen Debatten kursieren einige Begriffe, die man zwar vielleicht schon öfter gehört, aber womöglich immer noch nicht richtig verstanden hat. Deshalb hier ein paar kurze Definitionen:

"Nein heißt Nein"

Mit diesem Slogan soll das Sexualstrafrecht in Deutschland verschärft werden. Denn bislang gilt ein sexueller Übergriff nur dann als Verbrechen, wenn das Opfer zum Sex gezwungen wird, sei es durch Androhung von Gewalt, tatsächlicher Gewalt oder wenn das Opfer dem Täter ausgeliefert ist. Eine Frau, die eine Vergewaltigung zur Anzeige bringt, muss nachweisen, dass sie sich körperlich gewehrt hat. Selbst ein mehrmalig geäußertes "Nein" gilt im deutschen Sexualstrafrecht bisher nicht als letztgültiger Beweis für eine Vergewaltigung. Wenn der Bundestag die Reform wie geplant noch vor dem Sommer beschließt, können sexuelle Handlungen künftig auch dann bestraft werden, wenn keine Gewalt angedroht oder angewendet wurde. Wenn, wie es immer wieder in solchen Fällen geschieht, das Opfer zu schockiert oder zu ängstlich war, sich zu wehren, aber verbal deutlich gemacht hat, dass es nicht möchte.

"Consent" oder "Ja heißt Ja"

"Consent" bedeutet "Zustimmung" und damit ist das Prinzip "Consent" eigentlich auch schon geklärt. Wer mit einem (oder mehreren) Partner sexuelle Handlungen vornimmt, muss sich immer wieder versichern, dass der das auch will und aktiv zustimmt, also "Ja" sagt. Consent muss nicht immer verbal geäußert werden, klar ist aber: Wer unter Drogen oder Alkoholeinfluss steht und nicht mehr kohärent seinen Willen äußern kann, der kann auch keinen Consent äußern. Und: Auch wenn man einmal in eine sexuelle Handlung eingewilligt hat, kann man diese Einwilligung jederzeit wieder zurückziehen. Das Fehlen von Consent ist vor allem in Nordamerikas Justiz ein wichtiges Merkmal des Straftatbestands Vergewaltigung. "Ja heißt Ja" ist im Grunde dasselbe wie "Consent", aber als Slogan eine Weiterentwicklung von "Nein heißt Nein" und zeigt damit deutlicher, dass das Prinzip Consent ein Paradigmenwechsel ist. Nicht mehr die deutliche Abwehr gegen sexuelle Avancen soll einen sexuellen Übergriff definieren; vielmehr soll eine sexuelle Begegnung erst dann als einvernehmlich gelten, wenn beide Parteien aktiv (und im besten Fall enthusiastisch) in den Sex eingewilligt haben.

"Rape Culture"

Dieser Begriff wurde in den 1970er Jahren von amerikanischen Feministinnen geprägt, die damit aufzeigen wollten, wie in einer gesellschaftlichen Atmosphäre des Sexismus und der jovialen Männer-Bünde Vergewaltigung und sexuelle Belästigung von Frauen als Kavaliersdelikte abgetan wurden und so eine Stimmung enstand, die solche Vergehen gegen Frauen (und natürlich in geringerem Maße auch gegen Männer) zwar vielleicht nicht aktiv unterstützte, aber doch duldete. Ihren Ausdruck findet "Rape Culture" zum Beispiel in der Gesetzeslage (in Deutschland zum Beispiel blieb bis in die 1990er Jahre Vergewaltigung in der Ehe straffrei), in den Medien und ihrer Berichterstattung (wenn Vergewaltigungs-Opfern unterstellt wird, dass sie es durch ihre Kleidung oder die Tatsache, dass sie Alkohol getrunken haben, darauf abgelegt hätten, vergewaltigt zu werden) und in der Popkultur (wie ein T-Shirt mit dem Aufdruck "No means aNOther Drink", das auch 2007 noch als witziger Partygag durchging).

"Campus Rape Culture"

All diese Begrifflichkeiten klingen vermutlich erst mal ziemlich anstrengend und abtörnend. Wenn man aber weiß, dass der Großteil der Begriffe aus den USA stammten und dort besonders im Zusammenhang mit sexuellen Übergriffen an Unis diskutiert werden, dann beginnt man vielleicht zu verstehen, warum das alles so genau geklärt werden muss. Der College-Campus ist für eine große Mehrheit der jungen Amerikaner der Ort, an dem sie zum ersten Mal freien Zugang zu Alkohol haben - und zum anderen Geschlecht, und zwar ohne Aufsicht. Das führt bisweilen zu dionysischen Gelagen, besonders in den sogenannten "Fraternities", die mit den deutschen Burschenschaften nur sehr bedingt vergleichbar sind. "Frat Partys" sind Gelegenheiten, bei denen sich junge Menschen zum ersten Mal einen Vollrausch gönnen und ihren Hormonstau ausleben wollen. Wenn man dazu bedenkt, dass ein großer Teil (geschätzt ein Drittel) dieser jungen Menschen vorher Sexualkunde nur unter der "Abstinence Only"-Prämisse erhalten haben, kann man vielleicht nachvollziehen, wie schwierig es für einige dieser jungen Menschen ist, einzuschätzen, ob ihre sexuellen Avancen willkommen sind oder nicht.

Das bedeutet allerdings in keinster Weise (siehe "Nein heißt Nein"), dass sexuelle Gewalt hier in Deutschland kein Problem wäre. Im Gegenteil, wir beginnen es gerade erst zu verstehen.  

Diesem Problem wollen wir in unserer  Serie "Nein heißt Nein" auf den Grund gehen. Wir sprechen mit Anhängerinnen von Gina-Lisa Lohfink, mit Juristen und lassen Menschen zu Wort kommen, die selbst sexuelle Gewalt erleben mussten. 

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