Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Die definitive Liste der Trump-Lügen

Foto: REUTERS/CARLOS BARRIA

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Schön wäre es ja, wenn das größte Problem an Trump wirklich seine Frisur, sein fehlendes Lachen oder ein unangemessener Gästebucheintrag wäre. Das Problem ist aber, dass das größte Problem ein anderes ist: Der US-Präsident lügt.

Das dachten sich wohl auch der Autor David Leonhardt und der Grafiker Stuart A. Thompson von der New York Times, als sie kürzlich eine Liste aller Lügen zusammenstellten, die Donald Trump seit seiner Amtseinführung erzählt hat, inklusive Richtigstellungen. Am vergangenen Wochenende wurden die Liste und ergänzende Grafiken in der NYT abgedruckt, was natürlich mehr oder weniger beeindruckend aussah:  

Für die Liste, die auch online einsehbar ist (und an eine Analyse der Washington Post zu Trumps Lügen nach seinen ersten hundert Tagen im Amt erinnert), haben sie einen „konservativen“ Ansatz gewählt, schrieb Leonhardt. Das bedeutet, dass sie nur solche Aussagen mit in die Liste aufgenommen haben, die eindeutig als Lügen zu identifizieren, also mit Fakten widerlegbar sind. Und sie haben in den aufschlüsselnden Grafiken zwischen „public lie“ und „public falsehood“ unterschieden. Wenn Trump also die Militärausgaben der USA im Nahen Osten übertreibt, zählt das nicht als „Lüge“, aber eben als „Unwahrheit“. 

Die Lektüre der Liste ist eine gute Möglichkeit, die Zeit seit dem 20. Januar Revue passieren zu lassen. Denn an viele Lügen erinnert man sich noch: Trumps Behauptung, er sei gegen die Irak-Invasion gewesen (21. Januar), er habe nichts von General Flynns Auslands-Kontakten gewusst (10. Februar) oder seine Andeutung, es habe einen Anschlag in Schweden gegeben (18. Februar). Gleichzeitig erfährt man von vielen Unwahrheiten, die man verpasst hat, wenn man den Polit-Betrieb in Washington nicht täglich verfolgt – zum Beispiel, dass die Demokraten angeblich Krankenversicherungen für Minenarbeiter blockieren (27. April), obwohl sich bisher vor allem Demokraten für eine Ausweitung der Versorgung eingesetzt haben. 

In den ersten 40 Tagen seiner Präsidentschaft, so heißt es in der Analyse, habe Trump jeden Tag eine Lüge oder Unwahrheit geäußert. Der 1. März 2017 war demnach der erste lügenfreie Tag seit der Amtseinführung. Und eine genauere Betrachtung aller danach folgenden lügenfreien Tage hat ergeben, dass Trump an diesen meistens in seinem Golf-Ressort Mar-a-Lago in Florida weilte – und nicht getwittert hat. Eine letzte Grafik zeigt, dass mittlerweile 60 Prozent der Amerikaner Trump für unehrlich halten (wobei der Glaube der Amerikaner an den Wahrheitsgehalt von Umfragen derzeit vermutlich auch nicht besonders hoch ist).

Nach der Veröffentlichung der Liste gab es eine Menge positives Feedback. Viele twitterten Fotos der Zeitungsseite und viele Medien berichteten. Der Link zur Liste wurde in den sozialen Netzwerken verbreitet, auch von US-Stars wie Mark Hamill oder deutschen Medien-Größen wie Dunja Hayali:

Im britischen Guardian gab Autor Nick Cohen die Verantwortung zurück an die Amerikaner: „Trumps Lügen sind nicht das Problem“, schrieb er, „sondern die Millionen, die sie schlucken.“ Und da die Journalisten der NYT ja zu Trumps Erzfeinden zählen (immerhin hat er sie schon öfter selbst der Lüge bezichtigt), äußerten sich Trump-freundliche Medien natürlich kritisch bis hämisch: In der Liste der Lügen habe selbst eine Lüge gestanden, hieß es bei Breitbart. Der Autor verwies dabei auf die Korrektur am Fuße der Seite, dass man sich bei der Zahl der Lügen in den ersten zwei Monaten geirrt und sie korrigiert habe. Zudem kritisierte er, dass man sich bei der Recherche auf linke Medien konzentriert habe – und dass die New York Times niemals eine Liste von Barack Obamas Lügen publiziert habe.

Gestern wurde die ganze Lügen-Debatte dann um eine neue ergänzt, die Trumps Umgang mit der Wahrheit (und den Medien) auf besonders absurde Art illustriert: Die Washington Post berichtete, dass in mehreren von Trumps Golf-Clubs ein Cover des Time Magazine vom 1. März 2009 aushänge, auf dem Trump abgebildet sei. Angeblich ging es dabei um einen Bericht zu seiner Reality-Show „The Apprentice“. Allerdings hat eine Nachfrage beim Magazin selbst ergeben, dass es am 1. März gar keine Ausgabe gab und das Trump auch auf keinem anderen Cover im Jahr 2009 zu sehen war. 

Wenn diese Geschichte stimmt, ist das zwar keine Lüge, die auf die Liste der New York Times passt, weil es ja keine Aussage ist – aber sie zeigt ebenfalls sehr gut, wie immer weiter an Trumps Welt der alternativen Fakten gezimmert wird. Oder, um sich nicht auch noch der Rhetorik des Trump-Teams zu bedienen: an seiner Welt der Lügen.

nasch

Mehr Trump:

  • teilen
  • schließen