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Eine Typologie der Wiesn-Dramen

Illustration: Julia Schubert

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Wo jedes Jahr Tausende Menschen vermeintlich bayrische Traditionen feiern, tun sich in Wahrheit Abgründe auf. Auf welche Dramen du dich auf der Wiesn gefasst machen musst und wie du am besten auf sie reagierst:

1. Der ver(w)irrte Tourist

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Illustration: Julia Schubert

So erkennst du das Drama auf den ersten Blick:

Du triffst ihn immer einzeln, isoliert von seiner Gruppe, mit der er extra aus Australien, Kanada, China oder Italien nach München gereist ist. Sein Erkennungsmerkmal: der verwirrte Blick, mit dem er angetrunken durch die Menschenmassen läuft, auf der Suche nach einem bekannten Gesicht. Immer wieder reckt er sein Smartphone in die Höhe, in der Hoffnung, aus dem Funkloch herauszukommen. Manchmal rinnt ihm vor lauter Verzweiflung sogar eine Träne über die gerötete Wange, etwa wenn sein Akku wegen der vielen Selfies leer ist und er fürchtet, nie wieder zu seiner Unterkunft zurückzufinden.

So kannst du helfen:

Versuche, dich in seine  hilflose Lage zu versetzen. Kein Akku, ganz alleine – und wo zur Hölle war nochmal der Weg raus aus dem überfüllten Festgelände? Die Lösung ist simpel. Frag ihn einfach, was er sucht und beschreibe ihm den Weg. Wenn du ganz viel Mitleid hast: Steh ihm in seiner Situation bei und hilf ihm, seine Freunde zu finden. Falls du selbst schon auf der Wiesn verloren gegangen bist, der Akku deines Handys schnell leer wird und du beim nächsten Oktoberfestbesuch auf das lästige Freunde-Suchen-Spiel verzichten willst, mach davor einfach einen Treffpunkt mit deiner Gruppe aus. Oder finde neue Freunde, mit denen du weiterfeiern kannst. Vielleicht ergibt sich daraus ja sogar eine Übernachtungsmöglichkeit.

2. Die, die am hartnäckigen Türsteher scheitern

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Illustration: Julia Schubert

So erkennst du das Drama auf den ersten Blick:

Besonders an Wochenenden, Feiertagen oder bei schönem Wetter wirst du in dichtem Gedränge vor den Zelten ausharren und lange Wartezeiten in Kauf nehmen müssen. „Wegen Überfüllung geschlossen“ heißt es dann auf den Banderolen vor den Eingängen. Zwischen dir und der Wiesn-Gaudi steht ein Türsteher, dessen grimmiger Blick sich von nichts und niemandem erweichen lässt. Trotzdem versuchen jedes Jahr ein paar naive, mutige oder dickköpfige Besucherinnen und Besucher, einen Weg in das Zelt zu finden. Sie belagern die Türsteher in Scharen, überlegen sich immer wieder neue, kuriose Ausreden und stecken ihnen sogar Geldscheine in die Tasche. 

So kannst du helfen – oder trotzdem ins Zelt kommen:

Jedenfalls nicht mit einem Zehn-Euro-Schein. Das kommt gar nicht gut an, denn Bestechung ist bei den Türstehern ein Tabu. Und auch mit gefälschten Reservierungsbändern, Fake-Anrufen vom Zeltbetreiber oder deiner Freundin, die drinnen seit einem gefühlten Jahrhundert auf dich wartet, kannst du nicht punkten. Wie du aber vielleicht doch noch Glück haben kannst: Sei freundlich und geduldig, trage Tracht und komme allein oder zu zweit – bloß nicht mit einer größeren Gruppe.

3. Das tragische Liebespaar

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Illustration: Julia Schubert

So erkennst du das Drama auf den ersten Blick:

Wiesn bedeutet Beziehungs-Drama. Die Jodel-Geschichte eines Münchners im Jahr 2016 ist dafür das beste Beispiel. Denn wo Alkohol fließt, da fließen auch Tränen und so sieht man jedes Jahr aufs neue wieder weinende und streitende Paare vor dem Zelt. Wahrscheinlich können sich die Beteiligten schon am nächsten Tag nicht mehr daran erinnern – in diesem Moment geht für sie aber die Welt unter.

So kannst du helfen:

Leider gar nicht, denn das macht es meistens noch schlimmer. Bei einem Konflikt zu dritt passiert es häufig, dass Rivalitäten, Eifersucht oder Vorwürfe wie „ihr seid alle gegen mich“ zu viel Raum einnehmen. Wenn du aber selbst zu den Pärchen zählst, die öfter aneinandergeraten, wenn Alkohol im Spiel ist: Frage dich doch mal, ob es nicht besser ist, ohne deinen Partner oder deine Partnerin auf die Wiesn zu gehen. Natürlich kannst du stattdessen auch auf Alkohol verzichten. Auf einem Bierfest dürfte das den meisten aber nicht allzu leicht fallen.

4. Der emotionale Hardcore-Wiesn-Fan

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Illustration: Julia Schubert

So erkennst du das Drama auf den ersten Blick:

Nach 16 Tagen Wiesn neigt sich die fünfte Jahreszeit dem Ende zu. Für die Hardcore-Junkies unter den Wiesn-Besuchern bedeutet der letzte Abend wohl das größte aller Wiesn-Dramen. Mit Leuchtkerzen in der Hand oder notfalls auch mit der Taschenlampenfunktion des Smartphones schunkeln sie gemeinsam zu „Sierra Madre del Sur“, liegen sich mit ihren besten Freunden und Freundinnen oder neuen Wiesn-Bekanntschaften in den Armen und genießen einen der sentimentalsten Momente ihres Lebens. Wie das danach weitergehen soll, kann sich mancher Wiesn-Fan gar nicht mehr vorstellen.

So kannst du helfen:

Vor allem: mit Verständnis. Denn während du vielleicht nach ein oder zwei Tagen in überfüllten Zelten die Nase voll hast, gibt es auch noch diejenigen, die sich zwei Wochen Urlaub nehmen und die Wiesn immer wieder wie einen neuen, wichtigen Lebensabschnitt zelebrieren. Darum: Hab Verständnis, überwinde deinen Schlager-Hass und schunkle ein bisschen mit oder klopf ihnen auf die Schulter und sag: „Das war wirklich eine schöne Wiesn. Nur noch circa 365 Mal schlafen, dann sitzen wir wieder hier und trinken eine Mass zusammen.“

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