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„Schon beim Reingehen roch man, dass etwas Schlimmes passiert war“

Illustration: FDE

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Während des Oktoberfests suchen Tausende Menschen nach einer Unterkunft in München – die eigene Wohnung zur Wiesn zu vermieten, scheint vielen daher besonders lukrativ. Aber lohnt sich das wirklich? Oder kostet die Untervermietung mehr Nerven, als das Geld Freude macht? Fünf Menschen, die während der Wiesn ihre Zimmer vermietet haben, erzählen – von hohen Preisen pro Nacht, Weißwurstfrühstücken und einer Verlobungsfeier, aber auch von einem Feuerwehreinsatz.

„Ein Blick in die Toilette übertraf die schlimmsten Erwartungen“

Raphael, 30, hat zum ersten Mal ein WG-Zimmer vermietet. Und wird es wohl nie wieder tun. 

„Mein Mitbewohner und ich dachten, es wäre eine gute Idee, unsere WG während der Wiesn unterzuvermieten. Die Wohnung steht nämlich gerade ohnehin leer. Ein Pärchen hatte angefragt. Ideal, dachten wir: Das würde sicher keinen Stress und keine Sauforgien geben. Doch kaum hatten wir die Buchung bestätigt, kam eine Nachricht: ,Wir sind übrigens zu viert, es kommen noch zwei Freunde von uns.‘ Rauswerfen wollten wir sie nicht mehr und die ersten beiden Tage liefen auch gut. Dann kam die dritte Nacht. Zehn Anrufe in Abwesenheit hatte ich in der Früh auf dem Handy, alle zwischen zwei und drei Uhr nachts. Dazu eine Nachricht: ,Das Klo ist übergelaufen. Wir haben die Feuerwehr geholt.‘ Morgens aber war das Handy der Gäste ausgeschaltet. Nachdem endlich jemand auf unsere Nachricht reagiert hatte, verabredeten wir uns in der Wohnung.

Schon beim Reingehen roch man, dass etwas Schlimmes passiert war. Doch ein Blick in die Toilette übertraf die schlimmsten Erwartungen. Einer der Gäste musste wahnsinnig betrunken gewesen sein und sich wiederholt auf und neben die Toilette übergeben haben. Das hat er dann offenbar mit massig Klopapier aufgewischt und versucht, alles auf einmal herunterzuspülen. Angeblich sei dann die Spülung durchgelaufen und die Toilette habe nicht nur das Bad, sondern den gesamten Flur geflutet, erzählten die Gäste. Sie hätten sich nicht anders zu helfen gewusst, als die Feuerwehr zu rufen, die dann die Wohnung leer gepumpt hat. Die zwei Verantwortlichen seien bereits abgereist, sagte das Pärchen.

Leider war es nicht möglich, die Gäste rauszuschmeißen. Laut dem Vermietungsportal dürfen wir sie nicht einfach auf die Straße setzen. So sind sie zwei weitere Tage in unserer Wohnung geblieben. Aber das Ganze wird wohl noch ein Nachspiel haben – die Rechnung für den Einsatz kommt in frühestens 20 Monaten.“

„Die Wohnung war danach fast sauberer als zuvor“

Alexa, 27, hat ihre Wohnung während der Wiesn schon öfter an Gruppen vermietet. Die Wohnung ist nur fünf Minuten von der Theresienwiese entfernt. 

„Für mich ist das Untervermieten meiner Wohnung einfach eine richtig gute Möglichkeit, mir die restliche Wiesn zu finanzieren. Pro Nacht nehme ich zwischen 250 und 300 Euro. Vor vier Jahren habe ich mein Apartment zum ersten Mal für die Zeit des Oktoberfests auf einer Wohnungsplattform online gestellt. Damals haben alle zu mir gesagt, dass ich total verrückt sei und dass das nie gut gehen werde. Meine ersten Gäste waren vier Italiener, so um die 30 Jahre, die am Italienerwochenende auf die Wiesn kamen. Alle haben geschrien: ,Du kannst doch nicht vier saufende Italiener in deine Wohnung lassen, die dann alles auseinandernehmen, während du im Urlaub bist.‘ Und es stimmt: In meiner Wohnung sind schon sehr viele Sachen, die kaputt gehen können. Aber ich dachte mir: Ich habe selbst viele italienische Freunde und die würden auch sehr respektvoll mit einer fremden Wohnung umgehen.

Tatsächlich war es eine super gute Erfahrung. Die Italiener waren die süßesten Gäste überhaupt. Sie haben sich hundert Mal bedankt, mir sogar kleine Lebkuchenherzerl als Dankeschön da gelassen und mich nach Italien eingeladen. Und die Wohnung war danach fast sauberer als zuvor.

Seitdem ist in all den Jahren nichts schief gelaufen – obwohl ich meine Wohnung jedes Jahr zum Oktoberfest an mindestens eine Gruppe vermiete. Meistens bin ich während der Zeit im Urlaub. Dieses Jahr bleibe ich in München und schlafe während der Zeit bei Freunden.“

„Für mich stand nicht im Vordergrund, übermäßig viel Kohle zu verdienen“

Stefan, 28, wohnt in einer Zweier-WG in Berg am Laim. Wer bei ihm ein WG-Zimmer zur Wiesn-Zeit mietet, bekommt sogar noch ein Weißwurstfrühstück serviert.

„Vor drei Jahren habe ich mein Zimmer zum ersten Mal während der Wiesn untervermietet. Pro Kopf haben mein Mitbewohner und ich damals etwa 45 Euro pro Nacht verlangt. Das war verhältnismäßig sogar wirklich günstig. Unsere Gäste sind meistens drei bis vier Tage geblieben und aus aller Welt angereist: In einer Saison hatten wir zwei Brasilianerinnen, drei Jungs aus London und drei Kanadier zu Besuch, die sogar bekannte Youtuber sind. Sorgen, dass was kaputt geht oder schief läuft, hatte ich eigentlich nie. Wahrscheinlich vor allem deswegen, weil ich mich einfach auf diese Erfahrung eingelassen und mich total auf die Wiesn-Besucher gefreut habe.

Natürlich schadet es nicht, die Preise ein bisschen anzuheben und damit ein paar Euro mehr für die Wiesn-Mass im Geldbeutel zu haben. Aber für mich stand nicht im Vordergrund, übermäßig viel Kohle zu verdienen. Vor allem wollte ich neue Leute aus unterschiedlichen Ländern kennenlernen, sie auf ihrem ersten Wiesn-Besuch begleiten und einfach eine gute Zeit verbringen. Für jeden Gast haben wir ein Weißwurstfrühstück in unserer WG organisiert und gemeinsam vorgeglüht, bevor wir zusammen ins Festzelt gegangen sind. Ich war also nicht nur Vermieter, sondern auch persönlicher Wiesn-Guide und nach den ersten paar Mass Bier auch schon ein guter Kumpel. Nach der Abreise sind mein Mitbewohner und ich mit unseren Gästen weiter in Kontakt geblieben. Einige von ihnen kommen auch in diesem Jahr wieder zu uns, dieses Mal aber ohne dafür zu bezahlen. Nach den gemeinsamen Wiesn-Erlebnissen sind wir ja längst gute Freunde geworden. Und für die ist immer ein Platz bei uns frei.“

„Sie fragten, ob wir noch mit ihnen in der Küche auf ihre Verlobung anstoßen wollen“

Louis, 24, hat am Goetheplatz gewohnt und einige lustige Momente mit seinen Wiesn-Gästen erlebt.

„Bis vor drei Jahren habe ich mit meiner Schwester und meiner Mutter in unserer Eigentumswohnung am Goetheplatz gewohnt. Wir sind eine sehr kommunikative Familie und die Wiesn-Gäste waren bei uns immer willkommen. Für 80 Euro pro Nacht haben im Zimmer meiner Mutter Menschen aus aller Welt geschlafen, hauptsächlich waren es aber Amerikaner:innen. Da ich damals gerade mit dem Abi fertig war und auf einen Studienplatz wartete, hatte ich viel Zeit und war oft mit den Gästen gemeinsam auf der Wiesn. In der Zeit haben wir viele schöne, lustige Momente und auch eine sehr romantische Situation mit unseren Besuchern erlebt. Zum Beispiel war einmal Pärchen aus Kalifornien bei uns und er machte seiner Freundin oben auf dem Riesenrad einen Heiratsantrag. Als die beiden dann spät in der Nacht in unsere Wohnung zurückgekehrten, klopften sie an unsere Zimmertüren und fragten, ob wir noch mit ihnen in der Küche auf ihre Verlobung anstoßen wollen. Also saßen wir alle in unseren Pyjamas bis in die frühen Morgenstunden in der Küche und tranken Wein aus Napa Valley.

Ein anderes amerikanisches Pärchen hatte ich zur Wiesn begleitet. Ich war schon eine Weile wieder zurück bei meiner Familie, als wir hörten, wie jemand nach Hause kam. Kurz darauf erschien Jake in unserem Wohnzimmer und erzählte uns ziemlich angetrunken von seinem Wiesn-Besuch. Wir fragten ihn, wo seine Freundin denn sei und ob es ihr gut gehe. Seine Antwort: ,Unfortunately, I miss my girlfriend.‘ Jake hatte den Weg von der Toilette zum Bierzelt nicht mehr gefunden und da sein Handy in der Tasche seiner Freundin war, konnte er sie nicht mehr erreichen. Zum Glück hatten wir ihre Handynummer und so konnte Jake einen Treffpunkt mit ihr vereinbaren und sie abholen.“

„Persönlichen Kontakt hatte ich mit den Besuchern nie“

Christian, 32, hat in Schwabing gewohnt und seine Wohnung vermietet, um sich seine Wiesn-Besuche und sein Studium in München zu finanzieren.

„Obwohl sich die Mieteinnahmen während der Wiesnzeit finanziell sehr für mich gelohnt haben, habe ich mich dazu entschieden, meine Wohnung nicht mehr an Dritte zu vermieten. Zum einen musste ich, während die Gäste in meiner 45 Quadratmeter großen Wohnung lebten, mein privates Zeug in einen extra Raum abschließen. In dieser Zeit bin ich bei meiner Freundin oder einem Freund von mir unterkommen. Natürlich habe ich ihnen etwas von den Einnahmen, also zwischen 30 und 50 Euro pro Nacht, abgegeben. Ein weiterer Grund war das unangenehme Gefühl, dass fremde Menschen in meinem eigenen Bett schlafen. Auch das permanente Umziehen von einer Couch zur nächsten und das Aufräumen und Putzen nach jedem Gast haben viel Zeit gekostet. Als ich dann auch noch 30 bis 40 Euro pro Nacht und Besuch an die Vermietungsplattform abgeben musste, habe ich endgültig damit aufgehört.

Bis dahin habe ich aber sehr von den zusätzlichen Einnahmen profitiert. Pro Nacht habe ich etwa 150 bis 200 Euro bekommen und konnte mir so meine eigenen Wiesn-Besuche zu finanzieren. Die Nachfrage war sogar so hoch, dass sich an jedem einzelnen Wiesn-Tag verschiedene Gäste in meiner Wohnung einquartiert haben. Persönlichen Kontakt hatte ich mit den Besuchern nie, unser Gespräch beschränkte sich auf Chat-Nachrichten. Durch die Anfragen konnte ich mir aber vorher schon ein Bild von den Leuten machen und entscheiden, wer bei mir wohnen durfte und wer nicht. Am liebsten waren mir meistens Pärchen, reine Männergruppen lehnte ich ab, weil ich ahnte, dass in diesen Gruppen am meisten Alkohol konsumiert wird und sie die Wohnung wahrscheinlich nicht so ordentlich hinterlassen. Zum Glück hatte ich nie größere Probleme mit meinen Gästen.“

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