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Eine transsexuelle Soldatin über Trumps Haltung zu Transgender-Soldaten
Sheri Swokowski trat 1970 der Nationalgarde in Wisconsin bei. Seither diente sie im US-Militär und ist nun pensionierter Oberst der Infanterie. Ihre Geschlechtsangleichung begann sie erst im Ruhestand. Dass sie im falschen Körper geboren wurde, wusste sie zwar schon mit fünf Jahren, aber erst als sie 25 war, lernte sie die Worte dafür kennen: Transgender und Transsexualität. Ihre Identität ordnete sie nach eigener Aussage ihrem Dienst am Land trotzdem noch jahrelang unter. Erst Barack Obama ließ bekennende Transgender-Soldaten zu. Während das Thema in Washington nach dessen Entschluss schon als abgehakt galt, hat Trump in einer Reihe von Tweets vor wenigen Tagen angekündigt, Transgender Soldaten wieder aus dem Militär verbannen zu wollen. Sheri Swokowski hat mit uns über Trumps Pläne gesprochen.
jetzt: Was war deine unmittelbare Reaktion auf Trumps Tweets?
Sheri Swokowski: Ich war schockiert und enttäuscht, dass unser Oberbefehlshaber tausenden Bürgern in Uniform, die unser Land und unsere Freiheit beschützen, den Rücken zukehrt.
Tausende?
Ja, es gibt tausende Transgender-Soldaten, die bei Armee, Marine und Luftwaffe wichtige Posten besetzen. Wir sind Kommandeure, Drill-Sergeants, gehören zu den Special Ops, sind Piloten und Doktoren.
Trump behauptet, er handle auf Empfehlung seiner Militärberater. Viele Militärangehörige und Politiker haben sich dagegen solidarisch mit Trans-Soldaten gezeigt. Wie stehst du dazu?
Trumps Tweets thematisieren horrende Ausgaben für medizinische Versorgung von Transgender-Soldaten. Keine Ahnung, woher Trump seine Zahlen bekommt. Es gibt eine offizielle Studie, die das Pentagon 2015 und 2016 in Auftrag gegeben hat. Dabei kam raus, dass die medizinische Versorgung zusätzlich zwei bis sechs Millionen Dollar kosten würde – das macht etwa 0.13% des Gesundheitsetats des Militärs aus. Der Anteil ist also verschwindend gering. Gleichzeitig zirkulieren Zahlen, die ein vielfaches dieser offiziell ermittelten Summe sind, aber eben auch nicht offiziell bestätigt. Ich glaube deshalb, dass der Kenntnisstand des Präsidenten nicht korrekt ist.
Ich frage ich mich dabei auch, wo er seine Informationen – auch zu anderen Themen – eigentlich hernimmt. Denn soweit ich weiß, war das Pentagon von dieser Ankündigung nicht informiert. Nicht einmal Verteidigungsminister James Mattis wusste davon. Ich bin mir also nicht sicher, wen der Präsident konsultiert - wenn er überhaupt jemanden konsultiert.
Wie reagieren die anderen Soldaten auf die Ankündigung?
Bisher habe ich noch niemanden sagen hören, dass er die Tweets des Präsidenten gutheißt. Ich freue mich auch sehr über die Unterstützung, die uns in der Öffentlichkeit zuteil wird. Die meisten Menschen äußern sich sehr wohlwollend uns Transgender-Soldaten gegenüber. Ich verstehe deshalb auch gar nicht, warum Trump die Forderung getweeted hat. Ich habe zweieinhalb Jahre im Pentagon gearbeitet und weiß, dass sich politische Grundsätze nicht über Nacht ändern. Drei Tweets machen noch keine Gesetze.
Also bezweifelst du, dass die Tweets Konsequenzen haben werden?
Wir müssen jetzt einfach abwarten, was sein Vorhaben tatsächlich für das Militär bedeuten wird. Die Tweets spiegeln vielleicht die Meinung des Präsidenten wieder, aber die Frage ist ja, wie sehr seine Meinung die Politik in Washington beeinflussen kann. Wenn auf die Tweets tatsächlich Taten folgen sollten, herrscht bei einem der größten Arbeitgeber in den USA jedenfalls plötzlich keine Chancengleichheit mehr.
Wie haben die Soldaten denn damals darauf reagiert, als Transsexuelle plötzlich offen im Militärdienst zu ihrer Identität stehen durften?
Die Umsetzung der neuen Regeln im letzten Jahr lief ziemlich reibungslos ab. Es gab Schulungen für Militärangehörige und zivile Mitarbeiter des Verteidiungsministeriums. Es wurde viel in Weiterbildung zu dem Thema investiert. Klar, es sind noch nicht alle an dem gleichen Punkt, aber sie alle wurden darüber informiert, dass Transgender eine medizinische Diagnose ist, die eine Behandlung verdient hat.
Hast du während deines aktiven Dienstes jemals über deinen Wunsch zur Geschlechterangleichung gesprochen?
Nein, niemals. Fünf Jahrzehnte lang war es mein Geheimnis. Ich habe während meiner Laufbahn wohl das ein oder andere richtig gemacht und bin deswegen befördert worden. Aber ich frage mich, wie viel besser ich als Offizier, als Führungskraft, gewesen wäre, hätte ich authentisch dienen dürfen.
Du gehst sehr offen mit deiner Identität, deiner Sexualität und deinen Erfahrungen um. Wie ist es für jüngere Soldaten, die sich noch unsicher sind oder Angst haben?
Als Transgender hast du permanent innere Konflikte, die du mit dir austrägst, vor allem wenn du nicht offen dienen kann. Ich habe das alles jahrzehntelang unterdrückt, und dabei versucht der bestmögliche Offizier zu sein. Aktive Militärangehörige konnten, zumindest bis vor wenigen Tagen, offen ihren Dienst leisten und all ihre Energie auf ihre Pflichten verwenden. Dadurch ist die Performance des Einzelnen stärker und so wird auch die Einsatzbereitschaft der ganzen Truppe besser. Nun hängt es von den einzelnen Soldaten ab, wie gut sie mit dem Stress umgehen können, eventuell ihren Job zu verlieren.
Wie war es denn für dich während deiner aktiven Zeit?
Ich habe, wie gesagt, diesen Teil von mir unterdrückt, um meinem Land dienen zu können. Hin und wieder hatte ich authentische Momente, in denen ich mir dann doch die richtige Kleidung gekauft und angezogen habe. Aber die sind alle sehr schnell wieder in der Tonne gelandet.
Während des Wahlkampfes hat Trump sich als großer Freund der LGBT-Community dargestellt - wie schätzt du das rückblickend ein?
Das war eine ziemlich bedeutungslose Behauptung. Schon damals ist mir aufgefallen, wie schwer es ihm fällt, das Akronym bei Veranstaltungen auszusprechen. Er hatte außerdem auch die Regenbogen-Fahne falsch herum aufgehängt. Ich frage mich, ob er überhaupt jemanden kennt, der Transgender ist. Ich würde mich definitiv gerne mal mit ihm unterhalten – damit er merkt, dass wir Menschen sind, die Würde haben und Respekt verdienen, so wie jeder andere Bürger auch.