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Warum junge Menschen Bürgermeister*in werden wollen

Fotos: Marion Riedl / Maurice Then / Privat

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Über 60, männlich und bei jedem noch so kleinen Dorffest mit dabei – so stellen sich wohl die meisten Menschen klassische Kommunalpolitiker*innen vor. Es gibt jedoch auch viele junge Menschen, die sich in ihrem Heimatort engagieren. Einige sogar an der Spitze des örtlichen Gemeinderats: als Bürgermeister*in. Auch bei der bayerischen Kommunalwahl am kommenden Sonntag stehen einige junge Kandidat*innen für dieses Amt zur Wahl – oft in kleineren Gemeinden, in denen es meist ein Ehrenamt ist. Erst in Orten mit mehr als 5000 Einwohner*innen sind Bürgermeister*innen in der Regeln hauptamtlich tätig. Wir haben drei von ihnen gefragt, warum sie sich als Bürgermeister*in mit Lokalpolitik beschäftigen wollen, ob sie Angst vor mangelnder Akzeptanz haben und was Freunde und Familie zu ihrer Kandidatur sagen.

Meine Freunde haben sich damit abgefunden, dass ich mich politisch engagiere

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Foto: Maurice Then

Maurice Then, 23, Bürgermeisterkandidat in Mainstockheim, Unterfranken (SPD)

„Wir haben seit 30 Jahren den gleichen Bürgermeister. Da sind eine Menge Themen liegen geblieben. Wir haben etwa ein altes Gasthaus im Ort, das seit 15 Jahren leer steht und bestens für eine Tagespflegeeinrichtung geeignet wäre – das ist beispielsweise eine Sache, die ich umsetzen will. Ich will auch voranbringen, dass es ein  Naherholungsgebiet am Main gibt. Das steht seit Jahren immer mal wieder im Raum, aber konkret wird da nichts. Mein Umfeld war zunächst überrascht, dass ich kandidiere, aber durchaus auch beeindruckt. Da Mainstockheim nur rund 1900 Einwohner hat, ist das Amt des Bürgermeisters hier ein Ehrenamt. Meinen Job als Hotelbetriebswirt werde ich aufgeben müssen, da ich mich ganz klar auf die Gemeinde fokussieren muss.

In den vergangenen Wochen habe ich viel Zeit in den Wahlkampf gesteckt. Seit Anfang Februar war ich jedes Wochenende unterwegs, habe an jeder Haustür in Mainstockheim geklingelt. Da sagen manche dann auch mal direkt, dass sie mich für zu jung halten. Ich versuche, da standhaft zu bleiben – es gibt auch sehr junge Abgeordnete im Europaparlament. Mein Alter ist aber auch der einzige Vorwurf, den ich zu hören bekommen, richtige Anfeindungen gab es noch nie. Meine Freunde haben sich damit abgefunden, dass ich mich politisch engagiere. Uncool finden sie das nicht. Nur im Bezug auf das Bürgermeisteramt haben sie mich gebeten, dass ich mir selbst treu bleiben soll.“

Ältere haben vielleicht mehr Erfahrung, für manche Ideen braucht es aber die Jüngeren

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Foto: Marion Riedl

Annika Popp, 32, kandidiert für das Amt der Bürgermeisterin in Leupoldsgrün, Oberfranken (CSU)

„Ich wurde 2014 schon einmal zur Bürgermeisterin gewählt. Damals kamen eigentlich nur ich und ein weiterer junger Kollege als Kandidat*in in Frage. Wir haben uns dann besprochen und entschieden, dass ich antrete. Ich war damals 26. Da ich davor schon sechs Jahre lang im Gemeinderat war, hatte ich einen guten Einblick in das Bürgermeister*innenamt. Das hat geholfen. Außerdem bin ich seit meiner Kindheit in die Dorfgemeinschaft hineingewachsen, war auf Festen und im Gesangsverein dabei. In Leupoldsgrün leben nur etwa 1250 Menschen. Die Leute, die mich hier siezen, kann ich an einer Hand abzählen. Trotzdem habe ich mich schon gefragt: Werde ich respektiert werden? Kann ich mich durchsetzen? Gerade am Anfang gab es ein paar Zweifler*innen, die lieber einen älteren Herren als Bürgermeister gehabt hätten. Auch mit diesen Menschen tausche ich mich offen aus. Bei manchen musste ich mir die Anerkennung erst durch meine Arbeit verdienen. Ich habe zum Beispiel erreicht, dass wir nach 15 Jahren endlich wieder einen Arzt bei uns im Dorf haben. Durch meine Erfolge habe ich im Nachhinein schon von einigen Skeptiker*innen ein Lob bekommen. Es ist ein schönes Gefühl, wenn Bürger*innen bei mir im Rathaus stehen und sich für Kleinigkeiten bedanken. Das motiviert mich.

Mein Motto lautet: nicht schimpfen, sondern anpacken und zeigen, wie es besser gehen kann. Dadurch bin ich auch in die Politik gekommen. So richtig geplant hatte ich das nicht. Es hat sich einfach Schritt für Schritt ergeben. Ich finde es wichtig, dass junge Leute sich trauen, etwas auszuprobieren. Ältere haben vielleicht mehr Erfahrung, für manche Ideen braucht es aber die Jüngeren. Ich habe beispielsweise einen Frauenstammtisch gegründet. Bisher gab es nur die klassische Männerrunde im Wirtshaus. Außerdem bin in den sozialen Medien aktiv und will so auch die jungen Dorfbewohner*innen erreichen. Es erfüllt mich, wenn ich sehe, was ich bewirken kann. Deshalb trete ich bei der Wahl dieses Jahr wieder an.“

Falls ich am Sonntag gewinne, kommt auch auf mich persönlich eine sehr große Umstellung zu

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Foto: Privat

Sebastian Grünwald, 28, Bürgermeisterkandidat in Weßling, Landkreis Starnberg (parteilos, wird jedoch von den Grünen unterstützt)

„Ich will Projekte vorantreiben, Dinge strukturieren. Zum Beispiel will ich das Areal rund um den Bahnhof in Weßling mehr fördern, dort brauchen wir Einkaufsmöglichkeiten und Gastronomie. Ich finde, das öffentliche Leben sollte am ÖPNV ausgerichtet werden. Als Mitglied im Gemeinderat hat man natürlich auch ein Mitspracherecht, aber nur als Bürgermeister kann man die Dinge letztlich wirklich durchsetzen und auch mal Druck machen. Ich denke dabei nicht, dass ich alle meine Ziele und Ideen in den nächsten sechs Jahren umsetzen kann. Mir ist bewusst, dass es immer Gegenwind geben wird. Allerdings muss sich jetzt dringend etwas ändern. Der Klimawandel ist beispielsweise ein Thema, das sofort angegangen werden muss. Ich will hier erneuerbare Energien lokal ausbauen – etwa durch eine gemeinsam mit den Weßlingern als Bürgerkraftwerk betriebene Windkraftanlage. 

Gegenüber meinen Ideen und meiner Kandidatur sind die Leute sehr offen. Anfeindungen habe ich bis jetzt noch keine erlebt. Ganz im Gegenteil, ich erhalte viel Zuspruch, viele Bürger*innen freuen sich, dass ein junger Mensch kandidiert. Sie wollen frischen Wind im Rathaus. Falls ich am Sonntag gewinne, kommt auch auf mich persönlich eine sehr große Umstellung zu. Ich habe einen Master in Mathematik und habe nun einige Jahre als IT-Consultant in München gearbeitet. Diesen Job müsste ich kündigen und ab sofort hauptamtlich im Rathaus arbeiten. Umziehen müsste ich aber nicht, da ich seit meiner Geburt in Weßling wohne und bisher immer nach München gependelt bin. Stören würde mich die Veränderung nicht, ganz im Gegenteil, ich würde mich freuen. Ich bin in Weßling aufgewachsen und hier will ich  Verantwortung übernehmen. Bei dieser Entscheidung hat mir auch geholfen, dass ich zurzeit ungebunden bin und noch keine eigene Familie habe. Gerade habe ich Zeit, mich zu 100 Prozent in der Lokalpolitik zu engagieren, das sieht in sechs Jahren vielleicht schon ganz anders aus.“

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