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„Es war immer meine größte Hoffnung, dass ich nicht der Einzige bin“

Xiuhtezcatl Martinez beim Youth Earth Talk des Fördervereins Senckenberg.
Foto: Förderverein Senckenberg

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Xiuhtezcatl Martinez war schon Umweltaktivist, bevor es cool war. Mit sechs Jahren sprach er das erste mal auf einer öffentlichen Veranstaltung zu dem Thema, mit 15 hielt er eine Rede vor den Vereinten Nationen mit der klaren Botschaft : „What’s at stake right now is the existence of my generation.“ 2015, im selben Jahr, klagte er mit 20 anderen jungen Menschen gegen die US-Regierung, weil diese der jungen Generation das Recht auf Leben, Freiheit und Eigentum verweigere, indem sie den Klimawandel ignoriere. Der Prozess läuft noch. Außerdem ist Xiuhtezcatl der Jugend-Direktor der NGO „Earth Guardian“, hält Vorträge in Schulen und Universitäten weltweit, hat ein Buch geschrieben und einen Hip-Hop-Track mit Jaden Smith veröffentlicht – natürlich über Klima-Aktivismus.

Xiuhtezcatl ist jetzt 18 Jahre alt – in Deutschland wäre er damit schon volljährig. Wir haben mit ihm über das Erwachsenwerden der Klimawandel-Proteste gesprochen.

jetzt: Du arbeitest seit mehr als zehn Jahren für den Umweltschutz – und Greta Thunberg wird nach nur einem Jahr für den Friedensnobelpreis nominiert. Eifersüchtig?

Xiuhtezcatl Martinez: Nein. Jeder weiß, dass sie nicht die erste Person ist, die so etwas macht, und auch nicht die einzige. Die Nominierung ist eine große Sache und ein aussagekräftiges Zeichen, dass der Klimawandel in der Politik angelangt ist wie nie zuvor. Ein Teil von Gretas Erfolg liegt natürlich auf den Schultern der Aktivisten, die es vor ihr gab. Die Krach gemacht haben.

Was macht sie zu so einer erfolgreichen Aktivistin?

Sie scheint cool zu sein. Intensiv. Ernst. Ihre Wortwahl ist sehr deutlich. Und die meisten ihrer Reden hält sie vor der politischen Spitze. Das habe ich auch gemacht, ich war ja auch bei den Vereinten Nationen. Aber ich versuche mich mehr auf die normalen Menschen zu konzentrieren.

Haben du und Greta Kontakt?

Nicht persönlich. Aber ich hätte ihn gerne. Sie ist doch um einiges jünger als ich. Und ich weiß noch, wie es für mich war. Es gab damals eine Menge Zeug, das ich nicht wusste oder noch herausfinden musste. Ich bin dankbar dafür, wer sie ist und was sie für unsere Generation repräsentiert.

Als du 14 Jahre alt warst, hast du gegenüber dem Guardian gesagt: „People listen to me more because I stand out“. Wie ist das jetzt mit 18?

Es war immer meine größte Hoffnung, dass ich nicht der Einzige bin. Ich freue mich, dass meine Stimme jetzt weniger außergewöhnlich ist. Das bedeutet nämlich, dass da mehr  junge Menschen draußen sind, die sich Gehör verschaffen. Klar war es auch meine Jugend, die mich bekannt gemacht hat. Jetzt werde ich älter, habe Wissen angehäuft und kann meine Gemeinschaft wirklich repräsentieren. Ich habe mir eine starke Basis aufgebaut, es ist also nicht so wie: Er ist 18 Jahre alt, seine Stimme ist jetzt egal.

Willst du dich dann auch in der klassischen Parteipolitik ausprobieren?

Ich habe nicht die Absicht. Es gibt dieses Narrativ in unserer Kultur, dass man ein Politiker sein muss, um Veränderungen herbeiführen zu können – das glaube ich nicht. Gerade jetzt sieht man, dass wir die Power haben, nicht auf Politiker warten zu müssen.

„Wenn man sieht, dass hier echt die Leute für diese Sache auf die Straße gehen – das ist inspirierend. Deutschland ist dope.“

Die Umwelt schützen, den Klimawandel aufhalten – das sind eigentlich keine wirklich kontroversen Themen in unserer Gesellschaft, da stimmen doch eigentlich die meisten überein. Wenn man da etwas bewegen will, ist das ein bisschen wie Schattenboxen?

Ja, das ist eine gute Metapher. Die wenigsten Menschen zweifeln an der Wichtigkeit der Thematik oder der Realität unserer Krise. Aber die Konversation darüber reflektiert nicht wirklich, wie heftig das alles gerade ist. Ich glaube, es ist leichter zu kämpfen, wenn es einen klaren Feind gibt. Beim Klima kannst du natürlich auf die großen Verschmutzer zeigen. Aber eigentlich ist das Problem so systematisch, dass alle schuld sind. Frühere Generationen, jetzige Generationen. Das macht es schwer. Auch ich muss weite Strecken mit dem Flugzeug zurücklegen.

Denkst du manchmal darüber nach, einfach alles hinzuwerfen?

Absolut. Oft. Was mir Mut macht, sind Tage wie gestern. Da war ich auf der FridayforFuture-Demonstration in Frankfurt. Da hat man echt Leidenschaft gefühlt. Neulich war ich auf einem ähnlichen Protest in L.A.. Ein tolles Event, aber da war ungefähr die gleiche Menge Menschen wie in Frankfurt. Dabei ist Frankfurt viel, viel kleiner. In den USA ist der Konsens, dass es den Klimawandel wirklich gibt, nicht so gegeben wie in Deutschland. Und wenn man dann hierher kommt und sieht, dass hier echt die Leute für diese Sache auf die Straße gehen – das ist inspirierend. Deutschland ist dope.

In Deutschland sind es ja primär junge Menschen, die protestieren. Glaubst du, unsere Generation hat bessere Voraussetzungen, den Klimawandel zu stoppen?

Es ist nicht so, dass der Mensch generell ignorant, faul oder apathisch ist. Beim Touren habe ich viele junge Menschen getroffen, die sagen, dass sie eingebunden werden wollen, dass man ihre Stimme hören soll, sie wissen nur nicht wie. Erwachsene haben ihnen nie gesagt, dass ihre Meinung zählt. Für mich geht diese Bewegung um mehr als um den Klimawandel, mehr als nicht zur Schule gehen. Es geht darum, die Kultur zu verändern.

Du und 20 weitere junge MitstreiterInnen haben die US-Regierung verklagt. Was passiert da eigentlich gerade, man hat lange nichts gehört.

2015 haben wir gegen die Obama-Legislatur geklagt, jetzt läuft das Verfahren gegen Trump. Es ist ein wenig vertrackt. Wir hatten so viel Erfolg und Momentum, aber jetzt versucht die Trump-Administration den Prozess so lange wie möglich aufzuschieben. Die nehmen die Klage ernst, weil sie wissen, dass es ein Game Changer sein könnte. Fakten sind Fakten. Klimawandel, Klima-Impakt, Statistiken und Wissenschaft, über die sich 99 Prozent der Wissenschaftler einig sind. Wir hoffen einen nächsten Prozesstermin für den frühen Sommer zu bekommen.

Glaubst du, die FridaysForFuture-Bewegung kann wirklich etwas ändern? Oder ist das nur eine weitere Modeerscheinung?

Wir haben einen Wendepunkt erreicht: Wir realisieren, dass absolut keine Zeit mehr ist, das Klima zu retten und wir uns um diese Sachen kümmern müssen. Das hoffe ich zumindest zutiefst. Das ist kein Witz, weißt du, das ist unsere Zukunft.

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