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Wieso bemühen wir Frauen uns so, nicht „typisch Frau“ zu sein?

Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

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Liebe (andere) Frauen,

mal ehrlich: Erzählt ihr rum, welchen Make-up-Artists ihr auf Instagram folgt? Dass ihr im Sommer gerne mit frisch lackierten Fingernägeln auf dem Balkon sitzt und Hugo (aus möglichst schicken Kristallgläsern) schlürft? Dass ihr zur Hochzeit einer Freundin unfassbar gern ein rosa Kleid mit viel Spitze tragen würdet? 

Ich vermute: wohl eher weniger. Wenn ich auf einer Party bin, beginne ich Gespräche eher selten damit, darüber zu philosophieren, ob ich Lidschatten lieber in Puderform oder als Creme verwende. Denn: Irgendwie wirkt das uncool. Ich habe Angst, dass man mich direkt als „oberflächlich“ abstempelt, wenn ich deutlich mache, dass ich mich häufiger mal mit Schminke beschäftige. Stattdessen versuche ich, „was Cooles“ zu erzählen. Zum Beispiel, dass ich seit mehr als zehn Jahren kickboxe, dass mein Lieblingsgetränk Whisky Sour ist und dass die Levis Jeans, die ich gerade trage, eine Original von meinem Papa aus den 80ern ist.

„Cool“ wird mit (zu unrecht) männlich konnotierten Hobbys wie Kampfsport und Computerspielen verbunden

Das kommt dann meistens auch ziemlich gut an. Wenn mich jemand näher kennenlernt, merkt dieser Mensch dann aber schnell: Sonst verkörpere ich ziemlich viel, was gemeinhin als „typisch Frau“ bezeichnet wird: Ich kann weder zocken noch Fußball spielen, bin mit dem Aufbau eines Ikea-Regals maximal überfordert und lehne ein hopfenlastiges, bitteres Pale Ale meist ab. Stattdessen bestelle ich im Restaurants einen „spritzigen Weißwein“, habe mehr Kleider als Hosen im Schrank und liebe es zu backen.

Das, was viele als „cool“ empfinden, verbinden sie mit (zu unrecht) männlich konnotierten Hobbys und Verhaltensweisen: Kampfsport. Computerspiele. Bier. Überhaupt: alle Getränke, die nicht süß und bunt sind. Abgeranzte, ein bisschen zu große Lederjacken. Burger und nicht Salat bestellen. Und so weiter. In meiner Kindheit waren die angesagten Mädchen in der coolen Jungs-Gang, die Skateboard fahren konnte. Nicht etwa „Pferdemädchen“, so wie ich. In meiner Jugend fuhren die Lässigen in meiner Clique dann Snowboard, ich Ski. 

Cool wollen wir ja alle irgendwie sein, vor allem, wenn wir neue Menschen kennenlernen. Schon oft habe ich gehört, dass jemand eine Frau besonders toll findet, weil sie ja „nicht so typisch Frau“ sei. Und ich frage mich: Was ist da eigentlich mit uns los? Wieso ist das noch immer so? Eigentlich sind diese Klischees doch längst veraltet, die Rollenbilder überholt.

Können wir also bitte aufhören, männlich und cool in einem Atemzug zu denken und manchmal auch zu nennen? Oder sehe ich, die „typische Frau“, da irgendwas nicht? 

Klärt uns bitte mal auf, liebe Girls. Wir ziehen da doch an einem Strang. 

Eure Frauen 

Die Antwort:

Liebe Frauen,

es stimmt: „Typisch Frau“ zu sein gilt nicht gerade als cool. Auch ich habe als Teenie versucht, mich durch vermeintlich unweibliche Interessen von anderen Mädchen abzugrenzen – zum Beispiel dadurch, dass ich mich sehr gut mit Rap auskannte und mehr Freunde als Freundinnen hatte. Auch der schrecklich peinliche Satz „Ich hänge lieber mit Männern ab, Frauen sind mir zu anstrengend“ kam mir öfter über die Lippen, als mir lieb ist. 

Bis ich realisiert habe, dass es eigentlich ziemlich frauenfeindlich ist, Frauen generell als uncool abzustempeln, hat es leider lange gedauert. Meine Vermutung, woran das liegt: Wir sind unter anderem deswegen so ungerne „typisch Frau“, weil es immer noch irgendwo tief in uns verankert ist, dass die Welt nach wie vor den Männern gehört und es in ihr nur begrenzt Platz für uns Frauen gibt. Also versuchen wir, uns einen Vorteil gegenüber anderen Frauen zu verschaffen, indem wir uns selbst als vermeintlich anders bezeichnen.

Bloß nicht zu mädchenhaft wirken – was für ein Schwachsinn

Das klingt schrecklich, aber ich fürchte, es stimmt auch heute noch. Das wird auch deutlich, wenn man über Kleidung nachdenkt. Denn was tragen wir, wenn wir bei einem wichtigen Meeting oder einem Vorstellungsgespräch ernst genommen werden wollen? Richtig: Eher nicht den geblümten Rock, eher nicht die verspielte Bluse. Sondern ein Outfit, das sich an männlichen Standards orientiert – einen schwarzen Blazer zum Beispiel. Bloß nicht zu mädchenhaft wirken – was für ein Schwachsinn. 

Hinzu kommt, dass „typische Frauen“ in der Film- und Fernsehwelt nicht besonders gut wegkommen. Glauben wir Produktionen wie „Girls Club“ oder „Germany’s Next Topmodel“, sind sie hysterisch, intrigant und oberflächlich und kriegen sich permanent wegen Belanglosigkeiten in die Haare – Stichwort „Zickenkrieg“. Stattdessen sind es die „coolen Girls“, die (vor allem bei Männern) besonders beliebt sind: die Fußball spielende Vanessa aus „Die Wilden Kerle“, die Junk-Food-liebende Mary aus „Verrückt nach Mary“, die Scotch-trinkende und Zigarren-rauchende Robin aus „How I Met Your Mother“.

Die Welt ist nicht in „typische Frauen” und „coole Girls” eingeteilt

Allem Anschein nach gibt es also nichts Begehrenswerteres als eine Frau mit möglichst „unweiblichen“ Interessen. Mal ehrlich: Habt ihr schon mal einen Typen davon schwärmen hören, wie toll seine Freundin ihre Haare flechten kann, wie vielseitig ihre Lidschattenpaletten sind oder was für einen tollen Hugo sie zubereitet? Kein Wunder, dass wir glauben, „typisch Frau“ zu sein sei nicht erstrebenswert – und folglich versuchen, bloß nicht in dieser Schublade zu landen. Und ihr habt Recht damit, dass wir das wirklich ändern sollten – endlich. 

Denn erstens ist die Vorstellung, die Welt sei in „typische Frauen“ und „coole Girls“ geteilt, völliger Schwachsinn. Eine Frau kann Basketball spielen und auf Actionfilme stehen und sich trotzdem gerne schminken, Aperol Spritz trinken und Taylor Swift hören. Zweitens, und noch viel wichtiger: „Typisch weiblich“ zu sein ist alles andere als uncool! Zum Beispiel ist es ziemlich cool, gut zuhören zu können, komplizierte Yoga-Übungen zu beherrschen und sich selbst einen Pullover stricken zu können. 

Es ist also völlig richtig, dass diese Klischees eigentlich längst überholt sind und wir unsere „typisch weiblichen“ Eigenschaften nicht mehr verstecken sollten. Deswegen werde ich in Zukunft öfter darüber sprechen, wie gerne ich mir Gesichtsmasken mache, mit welcher Präzision ich meine Fingernägel lackiere und an welchen Stellen von „Grey’s Anatomy“ mir die Tränen kommen. Und das sollten wir alle tun. 

In der Hoffnung, dass wir „typisch Frau“ bald nicht mehr als Synonym für „uncool“, benutzen,

eure Frauen

 

 

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