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Diese Typen triffst du am Wochenende vor Weihnachten in der Bahn

Illustration: Federico Delfrati

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Es ist da: das schlimmste Reise-Wochenende im Jahr. Verzweiflung und Wut, Abgehetztheit und Abgebrühtheit paaren sich in einer interessanten Mischung, die sich dir in Form unterschiedlichster Menschen präsentieren wird. Wer am Wochenende vor Weihnachten mit der Bahn nach Hause fahren muss, hat’s nicht leicht. Denn mit Verspätungen und verpassten Anschlüssen kann man lernen umzugehen. Wie man aber mit seinen Mitreisenden richtig umgeht und um wen du einen großen Bogen machen solltest, erfährst du hier.

Der Packesel

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Illustration: Federico Delfrati

So erkennst du ihn:

Mit seinem gesamten Hausrat bepackt, mindestens aber mit zwei großen Koffern und einem Rucksack sowie drei Tüten voller Geschenke, aus denen buntes Papier und Lebkuchen quellen. Der Packesel hat keine Hand mehr frei, um sich beim Betreten einer Rolltreppe festzuhalten, geschweige denn den Knopf des Fahrstuhls zu bedienen. Verschwitzt und mit verzweifeltem Blick bugsiert er nur langsam und schleppend seine Habseligkeiten an den richtigen Bahnsteig. Seine Jacke trägt er offen, darunter trägt er nämlich noch eine zweite – müssen beide mal gewaschen werden und im Koffer war kein Platz mehr. Gerne verteilt er seine Wertgegenstände über den Bahnhofsboden, wenn sie ihm aus Versehen aus dem Rucksack purzeln. Dann versucht er verzweifelt, alles rechtzeitig einzusammeln, bevor der Zug den Bahnhof wieder verlässt.

Deshalb fährt er nach Hause:

Nostalgie. Obwohl es auch in seiner Stadt eine Waschmaschine gibt, muss auch die Dreckswäsche der vergangenen Wochen eingepackt werden, um von Mama mal durchgewaschen zu werden.

Sich endlich mal wieder geborgen fühlen, mal wieder so richtig zu Hause sein. Schon letztes Jahr hat der Packesel seinen langen Urlaub genau über die Weihnachtstage gelegt, damit ihm da ja nichts dazwischen kommt.

Das wirst du ihn sagen hören:

„Die Bahn ist aber auch wirklich nicht auf Reisende mit Gepäck eingestellt. Es gibt ja gar keine Ablagen.“

(Während du versuchst, dich auf einen Platz zu setzen) „Ich hoffe das passt so, mit den ganzen Taschen.“

Damit wird er dir auf die Nerven gehen:

Hältst du dich zu sehr in der Nähe des Packesels auf, wird er dich früher oder später fragen, ob du ihm mal mit seinen Taschen helfen kannst. Dann darfst du die nächsten Minuten damit verbringen, seine Koffer ins richtige Abteil oder an einen anderen Bahnsteig zu schleppen. Vermutlich wird er dich informieren, wo er aussteigen muss, schließlich braucht er dann auch wieder Hilfe. Mit herzzerreißendem Hundeblick wird er sich bei dir bedanken, immer wieder, dabei verzweifelt seufzen und schüchtern lachen. Dieselbe Reaktion bekommst du auch, wenn du über seine Taschen stolperst, die den Gang versperren. Ja, konnte ja keiner ahnen, dass es doch so voll wird im Zug!

Wenn der Zug ausfällt, dann:

... steht dieser Mensch am Bahnsteig, umringt von einem großen Berg aus Gepäck, und weiß nicht so recht wohin mit sich. Die Griffe der Geschenketüten sind soeben gerissen, es gibt keinen Ort, an den man sich mit so viel Gepäck begeben kann und auch keine Möglichkeit, wie er das alles ganz alleine wieder wegtragen soll. Bis also eine Ansage mit Informationen kommt, versinkt der Packesel zwischen seinen Gepäckstücken, die er mit nervösem Blick beobachtet, damit ja nichts wegkommt. In seltenen Fällen ist der Packesel so entrüstet über den Service, dass er versucht, sich an den Serviceschalter zu drängeln, um endlich Antworten zu bekommen. Weil er aber sooo viel zu tragen hat, ist es ihm egal, ob du bereits vor ihm in der Schlange stehst.

Der faule Hipster-Student

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Illustration: Federico Delfrati

So erkennst du ihn:

An seinen Kopfhörern, den größten, die auf dem Markt zu finden waren mit perfekter Außengeräusch-Ausblendung. Der Student steht am Bahnsteig und starrt auf sein Handy. Wenn er aufblickt, dann nur um seine Augen zu verdrehen. Er war diesen Winter noch nicht so viel draußen und plant auch nicht, noch einmal rauszugehen. Deswegen trägt er nur dünne Sommerchucks und einen Trenchcoat, den er sich übergeworfen hat. Ein kleiner Rucksack mit dem nötigsten Zeug steht zwischen seinen Füßen. Er will schließlich mobil bleiben und ist auch viel zu faul, eine große Palette an Dingen einzupacken. Das Geschenk für seine Eltern hat er zu Hause vergessen, das fällt ihm aber erst am Weihnachtsabend auf. Aber die guten, alten Gutscheine für eine Umarmung und einmal Küche aufräumen funktionieren bestimmt immer noch.

Deshalb fährt er nach Hause:

Leider waren die Karten für die super-mega-krasse Weihnachtsparty des Jahres schon ausverkauft, zum Weihnachts-Goa-Fest in Berlin Kreuzberg will einfach niemand mitkommen, und wenn er das dritte Jahr zu Weihnachten in Folge nicht nach Hause fährt, enterben ihn seine Eltern. Deswegen hat er noch vor zwei Tagen schnell ein Ticket gekauft, aber leider keinen Platz reserviert. Dass das in der Weihnachtszeit sehr sinnvoll wäre, bemerkt er erst bei der Aussicht auf die nächsten fünf Stunden Fahrt – stehend im Gang. Genervt wird er die nächsten Stunden fünf Mal die gleiche Sprachnachricht verschicken und all seinen Kumpels von seinem Leid erzählen.

Das wirst du ihn sagen hören:

„Was machen denn alle für einen Stress?“

„Wie, man muss reservieren? Scheiß Bahn! Könnten die nicht einfach mal mehr Sitze einbauen?“

Damit wird er dir auf die Nerven gehen:

Wahrscheinlich gar nicht, er verbringt die Zugfahrt mit Netflix. Am ehesten bringt dich der Geruch seines Gösser Radlers auf die Palme.

Wenn der Zug ausfällt, dann:

... steht der Student gedankenverloren am Bahnsteig und überlegt sich, wie er die Zeit totschlagen kann. Eigentlich ist es ihm egal, denn so hat er die perfekte Ausrede, doch nicht nach Hause fahren zu müssen.

Der Geist der guten Weihnacht

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Illustration: Federico Delfrati

So erkennst du sie:

Der Geist ist meistens weiblich. Mit breitem Grinsen wünscht sie jedem Menschen, der ihr begegnet, ein wunderschönes Weihnachtsfest. Sie sitzt schon lange vor Abfahrt entspannt auf ihrem Platz im Zug. Die Schuhe sind ausgezogen, die Füße in bunten Ringelsocken, die Oma schon vor Wochen per Post geschickt hat, ruhen auf dem Sitz neben ihr. Auf dem Schoß befindet sich eine Packung Lebkuchenherzen, die genüsslich weggemampft wird. Von ihrem Pullover aus grinst dich ein lebensgroßes Rentier mit roter Wollnase debil an und aus ihren Kopfhörern dringt ein Weihnachtssong nach dem nächsten, sie nickt gemütlich im Takt mit. Dabei kann sie auch mal sentimental werden, wenn bei „Dreaming of a White Christmas“ plötzlich ein Weihnachtswunder geschieht und kleine Wattebausche hinter dem Fenster durch die Luft fliegen.

Deshalb fährt sie nach Hause:

Diese Person lieeeebt Weihnachten über alles! Zu Hause hat alles noch Tradition. Die Räucherkerzchen und die Nussknacker und die Lichter und der Baum, die Geschenke, die Harmonie, das Essen, die glücklichen Kinderaugen, hach ...

Das wirst du sie sagen hören:

„Ist das nicht die allerschönste Zeit im Jahr? So magic!“

„Das ist der schönste Weihnachtspulli, den ich weit und breit gefunden habe!“

„Ach, ich sehe meine Familie einfach viel zu selten.“ (schluchz)

Damit wird sie dir auf die Nerven gehen:

Mit dem Duft von Weihnachten, der an all ihren Klamotten hängt – Weihrauch, Mandarinenschalen, Glühwein. Wenn du in den Genuss kommen solltest, mit dem Weihnachtsgeist zu sprechen, kannst du dich auf längere Erzählungen gefasst machen. So wird Weihnachten schon seit Jahren bei ihr gefeiert. Das gibt’s zu essen. So läuft die Bescherung. Aber mindestens genauso neugierig ist der Weihnachtsgeist darüber, wie andere Menschen Weihnachten feiern. Das ist nämlich sooo spannend! Keine Sorge: Gleichzeitig kriegst du bestimmt was von ihren Lebkuchenherzen ab.

Wenn der Zug ausfällt, dann:

... ruft der Weihnachtsgeist frustriert seine Eltern an und steht kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Ganz schnell muss jetzt eine Möglichkeit her, wie er doch noch rechtzeitig zu Hause ankommt. Und wenn es Hunderte Euro kostet und wenn einer jetzt mit dem Auto in Hamburg losfahren muss, um sie in München abzuholen. Weihnachten MUSS zu Hause gefeiert werden.

Die Großfamilie

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Illustration: Federico Delfrati

So erkennst du sie:

Sie besteht meist aus zwei Elternteilen sowie mindestens drei Kindern. Während die Eltern vollgepackt sind mit Koffern und Tüten und unpraktischen kleinen Rucksäcken, in die kaum eine Trinkflasche reinpasst, reißen die Kinder ungeduldig an ihren Händen und Armen. Ob drei, vier oder mehr Kinder, spielt irgendwann auch keine Rolle mehr. Genervt schleppen sich die Eltern durch den Bahnhof und fragen sich mit ihren Blicken, warum genau sie sich noch kein Auto gekauft haben. Während das jüngste der Kinder meist noch etwas tapsig an der Hand von Papa mitläuft und sich gedankenverloren matschige Brezelstücke in den Mund schiebt und die Krümel an seinen Händen gekonnt an allem abwischt, was ihm zu nahe kommt, hüpfen die Älteren aufgeregt vor ihren Eltern umher und jagen sich durch das Bahnhofsgebäude.

Deshalb fährt sie nach Hause:

Ja, wieso eigentlich? Nächstes Jahr können sich Oma und Opa doch mal in den Zug zu ihnen bequemen! 

Das wirst du sie sagen hören:

„Luca – nicht die Brezelfinger an der Jacke von der Frau abschmieren!“

„Schatz, solltest DU nicht das Junior-UNO einpacken...?“

„Sind wir bald da?“ (alle 20 Minuten mindestens)

Damit wird sie dir auf die Nerven gehen:

Mit ihren Kindern. Denn egal, wie niedlich und süß die Kleinen sein können, im Zug willst du sie nicht als Sitznachbarn haben. Falls doch, kannst du nur hoffen, Kopfhörer dabei zu haben. Ansonsten kannst du dich schon mal auf vier Stunden lang viel Blabla einstellen. „Was ist das? Und warum? Wo fahren wir hin? Wo sind wir jetzt? Und jetzt? Und jetzt? Und jetzt? Wollen wir Uno spielen? Sehen wir den Weihnachtsmann, wenn wir aus dem Fenster schauen? Ich will was essen. Nein, kein Fruchtquetschie!“

Wenn der Zug ausfällt, dann:

... wissen Eltern, dass sie sich stets auf McDonald's verlassen können. Hier verbringen die geplagten Eltern die nächsten Stunden, um wenigstens in Ruhe sitzen zu können und die Bälger mit Fett, Salz, Zucker und Spielzeug ruhig zu stellen. Während sich die Kinder mit mutierenden Teenager-Schildkröten aus ihrem Happymeal also gegenseitig versuchen zu verprügeln, können die Eltern in Ruhe im Internet surfen. Höchstwahrscheinlich werden die Kleinen noch Tage mit dem Billigplastikschrott rumspielen und ihre guten Holz-Spielsachen unterm Weihnachtsbaum gleich wieder vergessen.

Der Grinch

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Illustration: Federico Delfrati

So erkennst du ihn:

Sehr wahrscheinlich ist er eher so der Businesstyp, der nicht mal vor Weihnachten seine Krawatte lockern kann. Zielsicher steht er genau da am Bahnsteig, wo sich die Türen zur ersten Klasse öffnen werden. Dorthin wird er verschwinden, so schnell es geht. Erst wenn alle Plätze der ersten Klasse belegt sind, erwacht der Grinch zum Leben. Ab sofort wird das Fahrgastpersonal umhergescheucht, um doch noch eine Extrabehandlung zu bekommen.

Deshalb fährt er nach Hause:

Weil sein Auto vor wenigen Tagen kaputtgegangen ist und in der Werkstatt steht, er seinem Chauffeur gekündigt hat, weil dieser nicht an Weihnachten arbeiten wollte, und alle Mietwägen in der Umgebung schon ausgebucht waren. Leider hat seine Familie auch schon die extra fette Weihnachtsgans bestellt, die sie nicht ohne ihn aufessen können. Jetzt muss er sich mit dem Pöbel in ein Zugabteil setzen. Und das in die zweite Klasse!

Das wirst du ihn sagen hören:

„Einen Rotwein. Trocken. Und einen Cognac. Ach wissen Sie was, ich nehme statt des Rotweins lieber ein St.Pellegrino.“

„Was ist denn das für ein Saftladen?“

„Das reicht jetzt! Ich möchte mit Ihrem Vorgesetzten sprechen!“

Damit wird er dir auf die Nerven gehen:

Wenn du in seiner Nähe sitzt, wirst du permanent Gemecker und Gejammer ertragen müssen. Nichts passt, alles ist falsch und sowieso, was ist das für ein schlechter Service? Den ganzen Laden müsste man mal ordentlich umkrempeln! Zwischendrin wird er schmalzig-schmierige Businessgespräche am Telefon führen, bei denen er ins Telefon säuselt, nur um direkt nach dem Auflegen ein leises „Arschloch“ auszuspucken.

Wenn der Zug ausfällt, dann:

... krallt er sich zunächst den armen Zugbegleiter und fragt ihn, wie zur Hölle so etwas passieren kann. Jetzt können alle mit einer saftigen Beschwerde rechnen! Fluchend setzt er sich dann in den nächstbesten Starbucks und hat ein stundenlanges Facetime-Meeting. Sitzt du neben ihm, solltest du schnell den Tisch wechseln, denn du solltest nicht zu laut in sein Headset quatschen. Das macht ihn wütend.

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