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Im Fernsehen sind alle Kaffeebecher leer

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Es ist gar nicht so leicht, einen vollen und heißen Kaffeebecher zu tragen. Noch schwieriger ist es allerdings, einen leeren Kaffeebecher zu tragen und so zu tun, als sei er voll und heiß. So schwierig, dass das im Fernsehen niemand hinzukriegen scheint: Wenn Menschen in einer Serie Kaffee trinken, sieht man an jeder Bewegungen, an der Art also, wie sie den Becher oder die Tasse hochheben, wie sie damit herumwedeln, wie sie daran nippen, dass diese leer sind. Und man kann es sogar hören, wenn sie sie abstellen.

Den amerikanischen Medienwissenschaftler und -kritiker Myles McNutt macht das schon lange wahnsinnig. Aus diesem Grund hat er im vergangenen Jahr den Hashtag #EmptyCupAwards erfunden, unter dem Beispiele für leere Kaffeebecher im Fernsehen gesammelt werden sollen. Daraufhin gab es einige Reaktionen von Fernsehzuschauern, die zum Beispiel auf Instagram kleine Videos gepostet haben. Aber McNutt waren das noch nicht genug. Darum folgte jetzt der zweite Aufschlag – mit einem für Slate produzierten Video-Essay, in dem man sehr viele, sehr lustige Beispiele für das Phänomen sehen kann und in dem McNutt genau erklärt, warum ihn das Thema so umtreibt.  

Wir alle wissen ja, dass Fernsehen Fake ist, sagt McNutt, aber dass sich eben doch darum bemüht wird, alles so realistisch wie möglich wirken zu lassen. Also machen die Menschen in Fernsehserien ganz normale Dinge. Und ungefähr das Normalste, was man sich vorstellen kann, ist: einen Kaffee trinken. Aber genau an dieser Stelle gibt es dann immer einen Bruch. Wenn die Schauspieler bei Seinfeld, Supergirl, Fuller House, Gilmore Girls oder Scrubs die augenscheinlich leere Tasse im Café anheben oder den ebenso leeren To-go-Becher (inzwischen noch viel üblicher, aber eben auch noch auffälliger) über die Straße tragen, erinnert uns genau dieser Moment, der Normalität und Realitätsnähe suggerieren soll, am deutlichsten daran, dass diese Welt nicht echt ist. Er reißt uns aus der Geschichte und ist, laut McNutt, "disrespect for the viewer and science".

Warum die das so machen? Weil es günstiger ist und weil die Schauspieler nicht aufpassen müssen, dass sie nichts verschütten. Und weil die Regisseure, Produzenten und Sounddesigner Wichtigeres zu tun haben, als sich um Kaffeebecher zu kümmern, sagt McNutt. Darum will er weiter Beispiele sammeln und damit diejenigen auf das Problem aufmerksam machen, die am leichtesten etwas daran ändern könnten: die Schauspieler selbst.

Nur: wie? In Kaffebecher-Workshops gemeinsam üben, Gewicht im Becher zu simulieren? Einfach Wasser reinfüllen? Und dann trainieren so zu trinken, dass nichts danebengeht und die Oberlippe nicht zu feucht wird oder die Schminke nicht verschmiert?

Die Schauspielerin und Sängerin Tiffany Topol hat auf Youtube einen guten Vorschlag gemacht: einfach einen Beutel Linsen in den Becher stopfen. Erinnert daran, dass er nicht leer ist, verhindert das hohle Geräusch und kleckern kann man auch nicht. Vielleicht wird mit diesem und anderen schlauen Tipps McNutts Traum vom realitätsnahen Kaffetrinken und -tragen und -abstellen endlich wahr.

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