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Youtuber erklären Sex

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Wo liegt eigentlich der G-Punkt? Diese Frage haben sich viele in ihrem Leben schon einmal gestellt. Und die beantworten jetzt auch die Öffentlich-Rechtlichen. „Fickt euch!“ ist ein Format von Funk, dem „jungen Angebot“ von ARD und ZDF, vorgestellt vor knapp zwei Wochen. Das öffentlich-rechtliche Angebot spielt seine Formate nur noch zum Beispiel auf Facebook, Snapchat und Instagram aus, oder, wie „Fickt euch!“, auf Youtube. In einem der neuen Videos erklärt Kristina Weitkamp also, wie man den G-Punkt, oder besser gesagt die G-Zone, findet. Sie sitzt dabei in einem Wohnzimmer mit einer großen Zimmerpflanze in der Ecke und dunkelgrauen Sofas im Hintergrund. Mit dem Finger zeigt sie die Bewegung, die man machen muss, um die G-Zone zu ertasten: „So, als würdet ihr jemanden heranwinken“.

Kristina ist 29 Jahre alt und sagt, sie sehe sich eher als große Schwester, nicht als „Sexpertin“. Sie möchte offen über Sex reden und ihm seine Normalität zurückgeben. Darin hat sie bereits Erfahrung. Auf einem anderen Youtube-Kanal „Dafuq Love & Sex“ gibt es mehr als hundert Videos, in denen Kristina über Sex spricht. „Am besten unaufgeregt, ruhig und sachlich – ohne Kichern oder peinlich berührt Sein“, sagt sie. „Ganz normal eben, es ist ja nur Sex.“ 

Ganz normal ist Sex für viele nicht. Man wird überall mit Sex konfrontiert, sei es durch Pornos oder die Medien. Kristina nennt das „oversexed but underinformed“. In anderen Worten sagt das auch Daniel Vogelsberg, kommissarischer Redaktionsleiter Junge Medien bei MDR Sputnik, der unter anderem für das Format „Fickt euch!“ zuständig ist. „Die angeblichen Höchstleistungen der Sexsternchen im Internet fördern verzerrte Rollenvorstellungen, sexuelle Hemmungen oder falsche Fremd- und Selbstwahrnehmung. Alles Dinge, die sich lösen lassen, in dem man sie thematisiert, diskutiert und reflektiert.“

Das soll nicht nur, aber auch im Internet passieren. Denn dort findet man eben auch die Pornoseiten und wird überflutet mit Dingen, die verunsichern können. Vogelsberg betont einen weiteren Vorteil des Internets: „Wir können hier viel leichter mit unseren Nutzern in Kontakt treten, auf ihre Fragen, Unsicherheiten und Anregungen eingehen.“ Konkrete Fragen gibt es in den Kommentaren bisher wenige. Das mag aber auch daran liegen, dass das Format noch sehr neu ist. Einen anderen Kanal, „Alina – die Liebe und der Sex“, gibt es schon seit gut einem Jahr. In einem Jubiläumsvideo beantwortet Alina Fragen von ihren Nutzern. Zum Beispiel „Wie viel Prozent der Frauen mögen es, Blowjobs zu geben?“ oder „Sind 13 Zentimeter zu klein?“

Und ein weiterer Kanal, in dem Sex erklärt wird, entwickelt seine neuen Videos inzwischen nur noch aus den Fragen der Zuschauer. „61 Minuten Sex“ gibt es schon seit Mitte 2010 auf Youtube. Auch hier sitzen die Moderatoren Jan Winter und Gianna Chanel in einer Art Wohnzimmer – in zwei gemütlich aussehenden Ohrensesseln. Ein Lampenschirm hängt in die rechte obere Bildecke hinein. Tenor der meisten Videos: Redet miteinander! Gebt euch Zeichen! Wenn der Mann beim Lecken die Erregung der Frau spürt, erregt ihn das wiederum selbst und auch für sie ist es nur schön, wenn sie merkt, dass es ihm Spaß macht. Ohne Kommunikation – schwierig. „Wenn jeder seine Wünsche selber wahrnehmen und kommunizieren würde, bräuchte es unseren Kanal nicht“, sagt Jan.

Doch der Bedarf ist offenbar da. Die mehr als 500 Videos des Kanals wurden zusammen fast 200 Millionen Mal aufgerufen. Das sind deutlich mehr Aufrufe als die meisten Sex-Education-Kanäle selbst in den USA bisher erreicht haben. Doch dort verteilen sich die Zuschauer auch auf mehr Sexerklärer oder vielmehr Sexerklärerinnen. Während in Deutschland „61 Minuten Sex“ eine klare Vorreiterrolle hat, reden in den USA verschiedene Youtuberinnen in verschiedenen Formen über Sex.

Da ist zum Beispiel Arielle Scarcella, die sich auf LGBT-Sex spezialisiert hat, also Sex für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender. Bei „Sex. Right. Now.“ werden Experten und Passanten befragt. Laci Green nennt sich eine Sex Education Aktivistin und spricht in über 150 Videos über Sex. Und Shannon Boodram macht einen "Sex, love and relationship channel for Generation Y", warum auch immer speziell für diese Generation. In den USA ist der Bedarf vielleicht noch größer als in Deutschland. Die Gesellschaft ist prüder, Nacktsein verpönter und die Sexualerziehung in der Schule scheint oft mehr Abschreckung als Aufklärung erreichen zu wollen.

Doch auch als junger Mensch in Deutschland hat man genug Fragen, die man in der Schule nicht stellen konnte. Gut, vielleicht möchte man auch nicht von der Biologie-Lehrerin erklärt bekommen, wie ein Blowjob zum schönen Erlebnis für beide wird – oder  vielleicht doch? „Man hat ja nicht deshalb Sex, um nicht schwanger und nicht krank zu werden. Aber so wird es vermittelt und das ist das Problem“, sagt Jan. In der Schule liege der Fokus auf der Gefahrenprävention. Das Lustbetonte komme zu kurz.

Das suchen sich viele also im Internet. Die Videos mit Sextechniken und konkreten Tipps werden am meisten geklickt. Sie tragen Titel, wie „Was Sie beim Sex wirklich will! Erregung erkennen und verstärken“ oder „Beim Sex fesseln? BDSM für Anfänger! Tipps und Tricks“.

 

Das wiederum klingt aber wiederum sehr technisch und wenig gefühlvoll. „Das Emotionale spielt beim Sex natürlich die größere Rolle, aber das muss ja auf etwas aufbauen“, sagt Jan. „Wenn jemand Unsicherheiten hat, und nicht weiß, wie man es technisch umsetzt, dann hat er zwei Probleme.“ Wenn man aber in der Technik eine gewisse Sicherheit gewonnen habe, könne man sich auch besser auf die emotionalen Aspekte einlassen.

 

Jan und Gianna betonen deutlich und wirken dabei fast wie Lehrer, die sichergehen wollen, dass die Schüler alles verstanden haben. Und irgendwie ist das ja auch so. Sie können nicht nur gut über Sex reden, die beiden sind auch ausgebildete Sexualpädagogen. Dass sich das „Junge Angebot“ dem Thema Sex widmet, findet Jan übrigens super. Und auch den Titel, „Fickt euch“, lobt er. „Das ist geradeheraus. Ich mag das, wenn nicht alles zurückgehalten wird.“

 

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