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„Nicht einfach Riesenbrüste, Riesenpenis, fertig“

Der Zuschauer lernt die beiden Protagonisten erst kennen. Hier wird der erste Kuss in der Küche gefilmt.
Foto: Privat

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Zwei junge Menschen lernen sich bei einer Mitfahrgelegenheit kennen, finden einander interessant, haben Sex: So funktioniert sehr verkürzt der Porno, den das Freiburger Start-Up „feuer.zeug“ gedreht hat und den man hier anschauen kann. Produziert wurde er von Kira (25) und Leon (23), zwei Studierenden aus Freiburg. Sie hatten keine Lust mehr auf Mainstream-Porno und wollten es besser machen. Das hat geklappt. Ihr Film ist authentisch und ziemlich sexy. Im Interview erzählen die beiden, was sie an anderen Pornos stört, was ihnen an ihren Protagonisten wichtig war – und ohne welche beiden Kriterien sie den Film nicht gedreht hätten.

jetzt: Euer Porno beginnt mit einer langen Kennenlern-Geschichte, die beiden Protagonisten sprechen über alternative Beziehungsformen, irgendwann schlafen sie miteinander. Wieso dauert es so lange, bis der Zuschauer Sex sieht?

Kira: Uns war es wichtig zu zeigen, in welchem Verhältnis die beiden zueinander stehen, denn das wirkt sich auch darauf aus, wie sie miteinander schlafen. Außerdem wollten wir einen richtigen Film drehen, und das geht über ein paar Stellungswechsel hinaus.

Leon: Der Plot basiert übrigens auf einer wahren Geschichte. Vielen Menschen hätte das genau so passieren können. Das Kennenlernen hat also auch einen total identitätsstiftenden Charakter für die Zuschauerinnen und Zuschauer.

Ein Mann ist auch keine Maschine, die immer funktioniert und ewig kann

Tatsächlich fand ich beide Darsteller sofort sehr sympathisch. Ging es euren Zuschauern bei der Premiere in Freiburg auch so?

Kira: So richtig pauschal können wir das natürlich nicht sagen, aber viele fanden es gut, dass man die Geschichte der beiden ein bisschen erfährt.

Leon: Das Feedback war aber durchweg gut. Viele haben vor allem auch die Safer-Sex-Szene gelobt.

Kira und Leon von Feuerzeug, feministischer Porno Freiburg

Kira und Leon hatten keine Lust mehr auf Mainstream-Porno. Und haben einfach selbst einen gedreht.

Foto: Privat

Die ist wirklich sehr präsent, die Protagonistin zieht ihrem Sexpartner langsam vor der Kamera das Kondom über. Wolltet ihr damit ein Zeichen setzen?

Kira: Absolut. Das war uns super wichtig. Die beiden begegnen sich zum ersten Mal, also wollten wir auch explizit rüberbringen, dass sie ein Kondom verwenden.

Leon: Wir haben uns in der letzten Zeit ja intensiv mit dem Thema beschäftigt und gemerkt: So viele Menschen verwenden auch bei One Night Stands keine Kondome! Da sollte man wirklich mal dagegen angehen. Im Mainstream-Porno gibt es eigentlich gar keinen Safer Sex, und auch im feministischen Porno werden nicht immer Kondome verwendet.

Was war euch außer Safer Sex noch wichtig?

Kira: Dass im Bett zwischen den beiden alles einvernehmlich passiert und dass das auch filmisch festgehalten werden kann.

Leon: Das waren unsere einzigen beiden strengen Vorgaben. Die Dialoge beim Kennenlernen haben wir zusammen mit unseren beiden Darstellern geschrieben, der Sex war aber nicht gescriptet. Die beiden konnten machen, auf was sie Lust hatten.

„Nicht einfach Riesenbrüste, Riesenpenis, fertig“

Euer Film reiht sich ein in den Kanon feministischer Pornografie. Was macht denn für euch einen feministischen Porno aus?

Kira: Da sind für uns zwei Ebenen wichtig: Einmal die Produktionsebene, wo Frauen in Schlüsselpositionen sitzen müssen, weil die Branche immer noch sehr männerdominiert ist. Und dann die Darstellungsebene: Es darf keine Herabwürdigungen geben, außer natürlich die Darstellerinnen und Darsteller wollen das explizit. Außerdem ist es wichtig, vielfältige Körperbilder zu zeigen: nicht einfach Riesenbrüste, Riesenpenis, fertig. Und: Feministischer Porno sollte immer auch antirassistisch sein.

Leon: Feminismus bedeutet für uns Gleichberechtigung und bezieht sich daher auch nicht nur auf Frauen. Auch die Darstellung von Männern in vielen Pornos sollte sich ändern. Ein Mann ist auch keine Maschine, die immer funktioniert und ewig kann.

Kira: Insgesamt haben wir ein sehr demokratisches Verständnis von Sexualität.

Eure beiden Darstellenden sind Amateure, ihr habt sie über Instagram gefunden. Was war euch an ihnen wichtig?

Kira: Wir hatten gar keine Vorstellungen oder Anforderungen, was die Körper oder das Aussehen der beiden angeht, oder ob wir ein homo- oder heterosexuelles oder ein queeres Paar zeigen. Das Zwischenmenschliche war wichtig.

Leon: Die beiden haben sich gemeinsam gemeldet, und wir waren uns sofort sympathisch, hatten ähnliche Vorstellungen. Das hat einfach gut gepasst.

Wie war das dann beim Dreh? Hat das gut geklappt oder gab es Schwierigkeiten? Ist ja doch ungewohnt, vor so vielen Menschen Sex zu haben und dabei auch noch gefilmt zu werden.

Kira: Das hat tatsächlich ziemlich gut geklappt und die Atmosphäre war auch angenehm.

Leon: Wir haben uns für die expliziten Szenen sehr viel Zeit genommen und den Tag auch erstmal mit einem gemeinsamen Frühstück begonnen. Bei den Sexszenen selbst waren dann auch nur noch unsere Regisseurin und die beiden Kameramänner im Raum.

Viele haben die Vorstellung, dass alle allein durch Penetration zum Orgasmus kommen. Absurd

Jetzt ist der erste Film fertig – wie geht es weiter?

Kira: Ohne viele Freundinnen und Freunde, Helferinnen und Helfer wäre dieser Film nie etwas geworden, es hat bisher noch niemand dran verdient, wir haben eher investiert. Aber wir hoffen natürlich, dass sich jetzt viele Menschen den Film ansehen und wir dann bald einen zweiten drehen können.

Leon: Auf jeden Fall sind wir extrem motiviert. Wir setzen uns beide schon lange mit dem Thema auseinander, Kira hat mal Aufklärungsunterricht an Schulen gemacht. Ich habe schon in der Schule eine Arbeit geschrieben zur Auswirkung von Internet-Pornografie auf Jugendliche. Teilweise war ich geschockt von den Antworten meiner Mitschüler.

Hast du ein Beispiel?

Leon: Viele haben die Vorstellung, dass alle allein durch Penetration zum Orgasmus kommen. Absurd. Das kann alles durch Bilder kommen, die durch Mainstream-Pornos generiert werden.

Kira: Dagegen wollen wir mit unserem Film auch ein Zeichen setzen, eine Alternative bieten zum Mainstream-Porno. Und außerdem anregen, dass die Leute viel offener über ihren Porno-Konsum sprechen. Da gibt es noch ein ziemlich großes Tabu. Niemand redet wirklich darüber, was für Pornos er schaut und ob er welche schaut. Das hat sich in unserem Bekanntenkreis sehr geändert, seit wir angefangen haben den Film zu machen.

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