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Sextoys sind gut, Hände sind besser

Illustration: Daniela Rudolf

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Den ersten Vibrator meines Lebens schenkte mir mein damaliger Freund zum 18. Geburtstag. Er war golden, geformt wie ein überdimensionierter Lippenstift und ließ mich innerhalb von zwei Minuten kommen. Und das nicht nur, wenn ich es mir allein machte, sondern auch beim gemeinsamen Sex. Eine Sensation für mich! 

Mit Sexspielzeug wie Vibratoren oder Dildos kommen Frauen schneller als ohne – das bestätigen auch Umfragen. Der Erotik-Versandhändler Amorelie liefert konkrete Zahlen: Für seinen Report zum Sex- und Liebesleben der Deutschen „So lieben wir” aus dem Jahr 2017 wurden in Zusammenarbeit mit einem Meinungsforschungsinstitut 3100 Erwachsene zu ihrem Liebesleben befragt. Heraus kam: Mit Toy-Einsatz kommen 28 Prozent der befragten Frauen beim Solo-Sex in nur maximal fünf Minuten und 39 Prozent in bis zu zehn Minuten. Ohne Helferlein schaffen es dagegen nur zehn Prozent in bis zu fünf und dreißig Prozent in bis zu zehn Minuten. 

Diesen Effekt soll sich schon Kleopatra zunutze gemacht haben. Ihr Mittel zum Zweck soll neben Marmordildos aus einem mit lebenden Bienen gefüllten Papyrustrichter bestanden haben, den die kleinen Viecher brummen ließen wie es heute ein batteriebetriebener Vibrator tut. Aber auch die alten Griechen kannten schon tönerne Dildos, die, mit warmem Wasser gefüllt, zur rituellen Stimulation von Frauen eingesetzt wurden. 

Früher verordneten Ärzte Selbstbefriedigung als Mittel gegen Verspannungen

So richtig Fahrt nahm die Geschichte der Hilfsmittelchen aber erst im 19. Jahrhundert auf, als die „Hysterie“ als Frauenkrankheit zum Massenphänomen wurde. Der wissenschaftliche Konsens damals war: Eine Gebärmutter, die nicht regelmäßig mit Samen gefüttert würde, neige dazu, suchend im Körper umherzuirren und Leiden wie Nervosität, Verwirrung, Wollust, aber auch Schlaflosigkeit oder Blässe hervorzurufen. Was tun? Orgasmus herbeiführen! Wer half? Ärzte! Während Selbstbefriedigung zutiefst verpönt war, massierten also Mediziner ihre Patientinnen bis zum Big O und halfen ihnen so zu neuer Frische und Entspannung. Weil das aber nicht nur ein befriedigender, sondern auch ein anstrengender Job war, suchte der amerikanische Arzt George Taylor nach einer Möglichkeit, seinen Tennisarm loszuwerden. Und so erfand er 1869 den „Manipulator”, einen Tisch, auf dem die Patientin mit dem Gesicht nach unten liegend mit einem dampfbetriebenen Stab bearbeitet wurde.

Knapp die Hälfte aller Frauen besitzt ein Sextoy

 

Vierzehn Jahre später präsentierte der britische Arzt Joseph Mortimer Granville den ersten batteriebetriebenen Vibrator namens „Percuteur” – und damit den Vorläufer von allem, was es heute zur Klitorisstimulation so alles gibt. Beworben wurden diese kleinen Maschinen aber bis weit ins 20. Jahrhundert nicht als Mittel zur Befriedigung, sondern mit diffusen Versprechen wie Abhilfe gegen Verspannungen, Vorbeugung von Hysterie und Erhalt von Schönheit und Jugend. 

Heute besitzt laut Amorelie knapp die Hälfte aller Frauen ein Sextoy. Nicht nur das: Die Dinger sind seit Sex and the City in unserer Popkultur genau so vertreten wie seit Kurzem in jeder zweiten Drogerie. Und wenn man mal ganz verrückt drauf ist, schmeißt man eine Dildo-Party für sich und seine Freundinnen. Google spuckt einem bei Interesse mindestens ein Dutzend Anbieter raus, die einem eine Beraterin samt Produktproben nach Hause schicken. Ihr Schmuddel-Image haben die Plastik-Penisse und -Häschen längst abgelegt: Während das Traditions-Erotikunternehmen Beate Uhse mit genau diesem Image in den Abgrund ritt, bauten sich diverse Start-ups  mit Qualitätsanspruch, modernem Design und Lifestyle-Versprechen als neue Giganten auf. Die anvisierte Zielgruppe: Frauen. Die Message: Eure Sexualität ist wichtig. Subtext: Kauft unsere Produkte.

Es ist aber ein schmaler Grat zwischen der der Enttabuisierung und Ermächtigung weiblicher Lust auf der einen Seite und ihrer Kommerzialisierung auf der anderen. Dass Frauen die dankbareren Kunden als Männer sind, ist hinreichend bekannt. Immerhin werden 70 Prozent der globalen Konsumausgaben von Frauen getätigt – und sie sind verführbarer. Nun sind es aber nicht mehr nur Schuhe, Kleidung, Kosmetik und andere Dinge,  die Frauen kaufen sollen, um ein glücklicheres Leben zu haben – sie brauchen außerdem noch dringend Gadgets, die ihr Sexleben verbessern. Worauf ich hinaus will: Schon wieder ist da etwas, das die Frau benötigt, weil sie alleine nicht klarkommt. 

Dabei lassen einen Vibratoren und Co. zwar schneller kommen – aber nicht unbedingt besser. Heute, 15 Jahre nach meinem ersten Stück, habe ich einige hochpreisige Modelle durchprobiert. Ob Massagestab, Womanizer oder mit zusätzlicher G-Punkt-Stimulation, das Ergebnis war immer das gleiche: Augenblickliches Entladen, aber leicht und ohne jeden Nachhall. So mechanisch muss sich Sex mit einer Maschine anfühlen. Obwohl, Halt! Es ist ja Sex mit einer Maschine. Kein Vergleich dazu, wenn sich meine oder fremde Finger an meiner Vulva zu schaffen machen. Sie vibrieren nicht monoton vor sich hin, sondern reiben, rubbeln, suchen, drücken, immer in Resonanz zu dem Körper, den sie berühren. Auch wenn es bis zum Orgasmus so vielleicht ein paar Minuten länger dauert, das Warten lohnt sich. Denn das, was dann kommt, ist tausend Mal intensiver als das, was die Maschine bescheren kann. Bei mir zumindest ist das so. Auf der anderen Seite gibt es auch Frauen, die sich so sehr an die Vibration gewöhnen, dass sie für andere Stimulation nicht mehr recht empfänglich sind. Dann heißt es „Ohne meinen Vibrator sag ich gar nix!” und das ist wirklich schade – für ihre Partner und Partnerinnen, am meisten aber für sie selbst. 

Keine Frage: Gegenstände können beim Sex (ob allein oder zu zweit) den Spaß potenzieren. Sich etwas in die Vagina zu stecken oder in den Hintern, sich den Kitzler massieren zu lassen oder die Eichel, sich mit etwas zu hauen oder zu streicheln – das alles können Spielarten sein, die für Abwechslung sorgen. Und doch: Es bleiben Werkzeuge, die wir da benutzen. Dinge, die nicht zu uns gehören, die keine Empfindung haben und nicht auf uns reagieren können. Dinge, die zwischen uns und unseren Körpern stehen. Dinge, die Männer ursprünglich erfunden haben, um Frauen maschinell Orgasmen verpassen zu können. 

Dabei brauchen wir Frauen nun wirklich keine Hilfe in Form von Silikon und Plastik. Was wir brauchen, ist die Freiheit, unsere Sexualität genau so schamlos leben zu dürfen wie Männer. Wie viele von ihnen übrigens sogenannte Masturbatoren aka „Taschenmuschis” benutzen, um sich zu befriedigen, ist unbekannt. Die Zahl dürfte gering sein, denn was den Markt für männliches Sexspielzeug wachsen lässt, ist die Tatsache, dass mehr und mehr Hetero-Männer auf den Geschmack von Prostata-Stimulation kommen – einem Bereich, den man ohne Hilfe nur schlecht erreichen kann. Denn wie man es sich vornerum so richtig gut besorgt, das erforschen Jungs im Gegensatz zu Mädchen schon im Jugendzimmer.

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