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Der verbotene Raum

Foto: Mr. Nico / photocase.de

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Dass jemand einfach so ins Badezimmer kommt, während man unter der Dusche steht, wünscht man sich schon allein deswegen nicht, weil man dadurch immer diesen kurzen „Psycho"-Moment hat und sich wahnsinnig erschreckt. Aber auch ansonsten ist Alleinsein im Bad gut und wünschenswert. Paare allerdings ignorieren diese Tatsache gern und dann wird voreinander geduscht, auf die Toilette gegangen und das Bein- oder Barthaar gestutzt. Manchmal ist es sogar so, dass ein Teil des Paares den anderen regelrecht zwingt, ihn neben sich ans Waschbecken zu lassen, obwohl der andere das gar nicht möchte. Das ist anscheinend ein derart verbreitetes Phänomen und gravierendes Problem, dass es die Meldung, Paare sollten das Bad bitte getrennt benutzen, nun sogar in den Newsticker geschafft hat. Argument dort: „Bei völliger Distanzlosigkeit geht die Attraktivität flöten."

Das hat man schon gehört und es klingt plausibel, aber möglicherweise ist die Kausalität andersherum: Wer immer gemeinsam das Bad benutzt, wird nicht unattraktiver füreinander, aber wer es getrennt benutzt, wird attraktiver füreinander. Nackt kennt man sich als Paar ohnehin, und unter der Dusche stehend sind Menschen ganz sicher nicht weniger schön als sonst, wenn nicht sogar schöner. Der Toilettengang ist ein Sonderfall, weil er den Attraktivitätsgrad tatsächlich ganz ungemein senkt. Aber das meiste, was man im Bad tut, würde kaum dafür sorgen, dass man auf einmal die eklige Seite des Partners entdeckt. Trotzdem sollte man auch beim Haarefönen und sich Eincremen möglichst alleine sein. Denn der Badbesuch ist im besten Falle so etwas wie der Gang durch die Zauberkugel in der „Mini Playback Show": Man geht zerknautscht und gähnend rein, und wenn man rauskommt, ist man rosig und duftet und der andere findet einen schön. Der Prozess dieses Aufblühens soll ruhig ein Geheimnis bleiben - und wenn es nur darin besteht, dass man sich einen Schwung kaltes Wasser ins Gesicht wirft und ein gut riechendes Duschgel benutzt. Außerdem ist der Moment, morgens frisch geduscht aus dem Bad zu kommen, während der andere noch zersaust am Frühstückstisch sitzt, besonders schön, weil man dann im Vergleich extrafrisch ist. Sitzt man selbst ungeduscht überm Müsli und der andere tritt mit noch feuchtem Haar aus dem Bad, ist der Effekt etwa der eines schnelleren Läufers vor einem auf der Tartanbahn: Er motiviert dazu, tief Luft zu holen und durchzustarten. Gar keinen Effekt hat es allerdings, wenn man morgenmufflig nebeneinander im Bad vor sich hin dümpelt, sich im Weg steht und man das Aufblühen des anderen gar nicht bemerkt, so wie man nicht merkt, wie die kleine Schwester immer größer wird, weil man sie jeden Tag sieht.

Ebenfalls relativ effektlos ist der abendliche Badbesuch. Trotzdem sollte man auch den alleine absolvieren, denn noch ein weiterer Grund spricht gegen das gleichzeitige Bürsten, Waschen und Cremen: Der Raum an sich. Nicht umsonst ist das Bad oft der einzige Raum einer Wohnung, bei dem es nicht seltsam wirkt, wenn man ihn abschließt. Es ist das Zimmer zum Alleinsein. Das Konzept Bad beinhaltet, dass es verboten ist reinzugehen, wenn jemand drin ist, ohne dass dieses Verbot ausgesprochen werden muss. Wenn in einer gemeinsamen Wohnung jeder Partner ein eigenes Zimmer hat, zöge der eine skeptisch die Augenbrauen hoch, verböte der andere ihm den Zutritt zu seinem Raum, wenn er grade drin ist, und eine Woche später stünden dann wahrscheinlich die Umzugskartons im Flur und beide wären wieder Single. Aber wenn die Tür, hinter der die Zahnputzbecher stehen, geschlossen ist, dann ist sie geschlossen, und dann klopft man auch nicht und fragt, ob man mit rein darf. Eigentlich. Denn das Bad ist ein Rückzugsort, an dem man sich um sich kümmert und da muss, nein, da sollte keiner dabei sein. Auch nicht der, der einem am nächsten steht. Mit dem kann man danach wieder in jedem beliebigen anderen Zimmer der Wohnung zusammentreffen und sich gemeinsam über die sauberen Zähne und das blumige Haar freuen.

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