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Wie sich die Berichterstattung über Frauenfußball verändert hat

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Die Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen in Frankreich ist in vollem Gang und die deutsche Nationalelf steht am kommenden Samstag im Viertelfinale. Abseits vom Spielfeld hatte vor der WM besonders ein Werbespot der Commerzbank mit den deutschen Spielerinnen für Aufsehen gesorgt, der die Diskriminierung von Frauen im Fußball thematisierte. „Wir spielen für eine Nation, die unsere Namen nicht kennt“, heißt es darin. Die Pointe: „Wir brauchen keine Eier, wir haben Pferdeschwänze“. Dieses Jahr werden zwar alle Spiele der Weltmeisterschaft im Fernsehen und per Livestream übertragen, die mediale Aufmerksamkeit ist aber lange noch nicht so groß wie bei den männlichen Profis. Wir haben mit einer Expertin darüber gesprochen, warum das so ist – und für welche Aspekte an der WM der Frauen sich die Medien besonders interessieren. 

Bettina Staudenmeyer ist Sozialwissenschaftlerin und arbeitet am Tübinger Institut für gender- und diversitätsbewusste   Sozialforschung und Praxis. Seit vielen Jahren forscht sie zu Medieninszenierungen des von Frauen* gespielten Fußballs.

jetzt: Hier zwei Schlagzeilen aus den letzten Wochen: „Hässlicher Auftakt-Sieg dank unserer ‚Hübschesten’“ und: „Sexy & siegeshungrig. Das sind die heißesten Spielerinnen der Frauen-WM 2019.“ Ist das beispielhaft dafür, wie die Frauenfußball-WM in den Medien dargestellt wird?

Bettina Staudenmeyer: Diese Schlagzeilen haben auf jeden Fall etwas damit zu tun , dass es eine WM von Frauen ist. Allerdings ist das kein Spezifikum dieser WM: Bei den letzten großen Turnieren der Frauen gab es immer wieder solche und ähnliche Berichte. Es kommt dabei aber auch auf das Medium an. Trotzdem ist mein Eindruck, dass es tatsächlich bei dieser WM – zum Glück – relativ viel klassische Sportberichterstattung gibt.

Für welche Aspekte interessieren sich denn die Medien an der Frauenfußball-WM besonders?

In meinen Analysen zur Frauen-WM 2011 in Deutschland war es noch extrem deutlich, dass vor allem über das Geschlecht berichtet worden ist, in diesem Fall war es das sogenannte „schöne Geschlecht“. So lautete auch die offizielle Strategie des DFB mit dem Motto: „2011 von seiner schönsten Seite“. Das hat die Berichterstattung natürlich gleich aufgegriffen: Frauenfußball als feminine, andersartige Sportart. Bei der diesjährigen WM finde ich aber besonders spannend, dass sich die Medien plötzlich für Aspekte der fehlenden Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen im Fußball interessieren. Das ist ein ziemliches Novum. Geschlecht wird thematisiert, aber nicht klischeehaft. Es geht vielmehr darum, wie verschiedene Spielerinnen Diskriminierung zwischen den Geschlechtern anprangern.

„Die Euphorie der Fans und Spielerinnen wird total ausgebremst“

Zum Beispiel?

Es wurde viel über den Gender Pay Gap im Fußball berichtet, beispielsweise über das US-amerikanische Team, das den eigenen Fußballverband auf Diskriminierung verklagt, weil hier die Frauen mehr Umsätze generieren als die Männer und trotzdem weniger verdienen. Aber auch über den Streik der Däninnen bei der WM-Qualifikation und den Austritt der norwegischen Spielerin Ada Hegerberg aus dem Nationalteam im Vorfeld. Ich finde es spannend und wichtig, dass in den Medien so viel darüber berichtet wird. Aber man merkt dennoch oft, dass der Blick von Journalistinnen und Journalisten nicht differenziert genug ist. Zum Beispiel muss man beachten, dass die ökonomische Situation von Fußballerinnen in den USA eine andere ist als in Deutschland. Gleichzeitig muss darauf aufmerksam gemacht werden, dass dennoch auch die Situation in Deutschland massiv von Diskriminierungen und Vorurteilen durchsetzt ist, welche eben die ökonomischen Möglichkeiten des Fußballs von Frauen  klein hält.

Dieses Jahr werden alle Spiele im Fernsehen oder Livestream übertragen. Warum sehen sich denn trotzdem – vergleichsweise – so wenig Leute die WM der Frauen an? 

Dafür muss die Geschichte des Fußballs betrachten werden. In Deutschland ist Fußball die wichtigste Sportart. Und die sogenannten Nationalsportarten sind, wie in vielen anderen Ländern auch, absolut männlich dominiert. In den USA sind das Football, Baseball und Basketball, und das hat dann dazu geführt, dass Fußball zur einer Sportart werden konnte, die als weiblich gilt. Das ist eine ganz andere Voraussetzung dafür, wie sich Frauen in einer Sportart durchsetzen können. Auch nach der Wiederaufnahme von Frauen im DFB 1970 gab es in Deutschland erschwerte Bedingungen für Fußballerinnen und nicht direkt einen regulären Spielbetrieb. Bis heute sind viele Spielerinnen in der Bundesliga in dem Sinne Amateurinnen, dass sie nicht davon leben können und sich also nicht voll dem Training widmen können.

Was bedeutet das für die Fankultur?

Vorurteile setzen sich so gesamtgesellschaftlich fort – und so auch bei der FIFA, dem DFB und den einzelnen Vereinen. Es stellt sich die Frage , wie viel in die Teams investiert wird – sowohl ökonomisch als auch symbolisch. Das lässt sich am Beispiel vom VfL Wolfsburg 2017 zeigen: Das Frauenteam hatte die Meisterinnenschaft gewonnen, durften aber keine Feier durchführen, weil das Männerteam gerade gegen den Abstieg angekämpft hat. Da zeigt sich immer noch eine mangelnde Anerkennung. Die Euphorie der Fans und Spielerinnen wird total ausgebremst und damit auch eine große Chance der Öffentlichkeitsarbeit verpasst. 

„Wenn Frauen Fußball spielen, galt das lange Zeit als unweiblich“

Liegt das auch an einer Vermarktungs-Strategie – also dass man die Profi-Männerfußballer einfach besser kennt und deswegen eine breitere Masse deren WM schaut?

Es spielt sicherlich eine Rolle, aber die Frage ist ja: Warum kennt man die Spielerinnen nicht? 2011 wurde der sogenannte Frauenfußball als etwas völlig anderes als der Fußball dargestellt, den Männer spielen und der ja als „normal“ gilt. Mit der Werbekampagne wurde die Geschlechterdifferenz betont, statt sie aufzubrechen. Das hat dem Sport selbst keinen Gefallen getan. Der Vergleich der Vermarktungsstrategien mit dem Männerfußball ist aber schwierig, weil es – dadurch, dass es sich in Deutschland um  den Nationalsport handelt – eine Überhöhung dieses Sports gibt. Was da für Gelder fließen, ist sicherlich nicht das, wonach irgendein Bereich streben sollte.

Würden Sie denn sagen, dass prinzipiell jede Berichterstattung gut ist, Hauptsache Sichtbarkeit?

Ich finde es wichtig, dass Medien weiterhin aufgreifen, dass sich Spielerinnen und ganze Verbände gegen Diskriminierung auflehnen. Dass das ernst genommen wird  und darüber auch differenziert und solidarisch berichtet wird. Und das zweite wäre: Es sollte der Sport und nicht das Geschlecht der Spielerinnen in den Fokus gerückt werden. Also sich auch bei einem Interview mit einer Spielerin zu fragen: „Würde ich solche Fragen auch einem männlichen Spieler stellen?“ Oder bei einer Schlagzeile: „Würde ich über Männer genauso schreiben oder nicht?Es geht auch darum, gängige Vorstellungen von Leserinnen und Lesern zu hinterfragen, wie häufig: „Die Männer erwirtschaften mehr, dann sollen sie auch mehr kriegen“. Da muss man aufklären und zeigen: Warum ist das eigentlich so?

Männerfußball wird als „ultra-hetero“ vermarktet. Homosexualität ist angeblich die große Ausnahme. Wie wird Homosexualität denn beim Frauenfußball thematisiert?

Wenn Frauen Fußball spielen, galt das lange Zeit als unweiblich und das wurde wiederum gleichgesetzt mit Lesbisch-Sein. Es hieß dann: „Die sind eh alle lesbisch“. Mit der WM 2011 hat der DFB offiziell versucht, dieses Image, das „Mannsweiber“-Klischee loszuwerden, was dazu geführt hat, dass die Thematisierung von Homosexualität in das Gegenteil umgeschlagen ist: Es ging plötzlich darum, die Spielerinnen als möglichst heterosexuell, feminin und den Schönheitsidealen entsprechend darzustellen. Spielerinnen, die da rein passen, werden in den Fokus gerückt. Es wird kaum über geoutete Spielerinnen gesprochen, auch bei homophoben Äußerungen gab es wenig Aufschrei. Bei dem aktuellen Werbespot der Commerzbank, der verschiedene Vorurteile und Diskriminierungen thematisiert, denen Fußballerinnen ausgesetzt sind, hätte man das auch mit reinbringen können.  Es scheint mir kein Zufall zu sein, dass diese spezielle Form der Diskriminierung – die Homophobie – da keinen Platz findet.

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