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"Ich weiß nicht, was ich ohne Obamacare tun soll"

Foto: dpa, eskemar / photocase.de

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Seit klar war, dass das US-Repräsentantenhaus erneut über den Umbau von Obamacare abstimmen würde, war mein Twitter-Feed voll mit Posts von US-Amerikanern, die traurige Geschichten über die Zeit vor Obamacare erzählten. Und von Menschen, die über ihre Zukunftsängste schrieben, jetzt wo es immer wahrscheinlicher wird, dass die Gesundheitsreform des letzten Präsidenten bald Geschichte ist. Schließlich hat „Trumpcare“, wie der Gegenvorschlag von Trump genannt wird, gestern im Repräsentantenhaus tatsächlich die erste Hürde auf dem Weg zum Gesetz genommen.

Der ACA (Affordable Care Act), genannt Obamacare, war das Prestigeprojekt der Obama-Regierung. Es verhalf seit seiner Verabschiedung 2010 mehr als 20 Millionen Amerikanern zu etwas für uns Deutsche völlig Selbstverständlichem: einer Krankenversicherung. Seit 2014 besteht im Rahmen von Obamacare sogar eine Versicherungspflicht für alle US-Amerikaner – so etwas war vorher undenkbar. Außerdem verbietet Obamacare den Krankenversicherungen, Menschen aufgrund von Vorerkrankungen abzuweisen. Das schätzen sogar viele republikanische Wähler an dem Gesetz.

Trotzdem war die Abschaffung von Obamacare eines der populärsten Wahlkampfversprechen Trumps. Er will die Versicherungspflicht aufheben und es Krankenversicherungen wieder ermöglichen, Menschen aufgrund von Vorerkrankungen abzuweisen. Aber: Notfälle, wie zum Beispiel der von Jimmy Kimmels Sohn, müssen immer behandelt werden. Auch immense Beitragserhöhungen will er wieder erlauben. Gleichzeitig soll die staatliche Hilfe für Menschen, die sich keine Krankenversicherung leisten können, drastisch zurückgefahren werden.

Vereinfacht gesagt bedeutet Trumpcare also: Die Beiträge für Frauen, Kranke, Menschen mit Behinderung und alte Menschen werden zugunsten allgemein sinkender Beiträge steigen. Manche Menschen werden durch Trumpcare sogar einfach gar keine Versicherung mehr finden. Das Gesetz ist also gut, wenn man ein junger, gesunder, reicher Mann ist. Ansonsten eher nicht.

Was denken junge Menschen in den USA über die Debatte? Wir haben zwei junge Frauen mit sehr unterschiedlichen Meinungen gefragt.

"Wenn Obamacare abgeschafft wird, wird es für mich extrem schwierig"

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Tricia Richards

Foto: privat

Tricia Richards, 23, Studentin aus New York City

„Mein ganzes Leben war ich über meine Familie mitversichert. Wenn ich in drei Jahren 26 werde, geht das nicht mehr. Ich habe keine Ahnung, was ich dann tun soll, wenn es Obamacare nicht mehr gibt. Weil ich Tachykardie habe, also ständiges Herzrasen, brauche ich täglich Medikamente, sonst könnte ich an einem plötzlichen Herztod sterben. Außerdem nehme ich Antidepressiva, um meine Angstzustände zu bekämpfen. Für diese Medikamente muss ich momentan schon 75 Dollar pro Monat zahlen – ohne Versicherung rechne ich mit mindestens 300 Dollar monatlich.

Wenn Obamacare abgeschafft wird und ich mich mit 26 selbst versichern muss, wird das extrem schwierig. Krankenversicherungen können dann ablehnen, mich zu versichern – wegen meiner bekannten Vorerkrankungen. Falls sie mich doch akzeptieren, werden sie mich auf jeden Fall deutlich mehr bezahlen lassen. Keine Ahnung, ob ich mir das dann leisten kann.

Wir Frauen sind sowieso benachteiligt. Unter Obamacare wurden zum Beispiel die Kosten für Verhütung komplett übernommen – in Zukunft dürfen Versicherungen sogar höhere Beiträge von Frauen verlangen und sich weigern, gynäkologische Vorsorgeuntersuchungen zu bezahlen. Trumps Regierung behandelt Frauen extrem ungerecht. Ich habe gehört, Abtreibungen, Verhütungsmittel wie die Pille und Kaiserschnitte sollen bald nicht mehr bezahlt werden, aber Viagra schon? Das kann ich einfach nicht fassen.“

„Ich bin froh, wenn Obamacare bald abgeschafft wird“

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Foto: privat

Sam LaBarre, 27, selbstständig aus Texas:

 

„2014 wurde bei mir Lupus diagnostiziert. Das ist eine Autoimmunkrankheit. Mein Körper erkennt meine Organe nicht und arbeitet gegen sich selbst. Deshalb muss ich täglich Immunsuppressiva und Schmerzmittel einnehmen.

 

Als ich mich nach meinem Abschluss nicht mehr über die Uni versichern konnte, musste ich mich nach Alternativen umsehen. Ich nehme viele Medikamente und muss auch regelmäßig zum Arzt, deshalb brauchte ich auf jeden Fall eine Krankenversicherung. Nach der Einführung von Obamacare konnte ich mir eine private Versicherung aber nicht mehr leisten. Also habe ich 2015 eine Krankenversicherung im Rahmen von Obamacare abgeschlossen. Die hat nur das Nötigste übernommen und wurde nicht von allen Ärzten anerkannt. Das war vor allem schwierig, weil ich für meine Krankheit Spezialisten brauche, die sowieso schon schwer zu finden sind. Wäre ich gesund, hätte ich mich einfach gar nicht versichert, auch wenn Obamacare das vorschreibt. Dann muss man zwar Strafe bezahlen, aber das haben alle meine Freunde so gemacht.

 

Obamacare hat für mich nur Nachteile gebracht: Die Preise für Medikamente und private Versicherungen sind gestiegen und die Leistungen der Obamacare-Krankenversicherungen waren minimal. Ich bin froh, wenn es bald abgeschafft wird. Meiner Meinung nach gibt es nichts, was die Regierung tun kann, das die Privatwirtschaft nicht besser könnte. Außerdem sollte die Regierung den Menschen nicht vorschreiben, wie sie für ihre Gesundheitsleistungen bezahlen – ob man sich versichert oder nicht, kann jeder selber entscheiden. Angst, dass Krankenversicherungen mich dann aufgrund meiner Vorerkrankung abweisen könnten, habe ich nicht. Vor Obamacare hatte ich damit nie ein Problem.“

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