Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

So unterschiedlich kann Geschenkepolitik sein

Foto: Flügelfrei/photocase.de

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

An Heiligabend sitzt zwischen 18 und 22 Uhr ganz Deutschland im Wohnzimmer unter dem rot geschmückten Tannenbaum und packt in Glanzpapier eingeschlagene Geschenke aus. Same same? Niemals!

Wer genau hinschaut, stellt nicht nur in Sachen heiligabendliche Speisekarte, Baumschmuck und Baumbeleuchtung, sondern auch innerhalb des Geschenkerituals massive familienkulturelle Unterschiede fest. Und weil ja nichts so sehr beglückt wie Voyeurismus, haben wir in der jetzt-Redaktion herumgefragt: Wer schenkt da familienintern wem eigentlich was und nach welchem Prinzip?

1. Max darf Daddys Kreditkarte benutzen

Kurz vor Weihnachten passiert in unserer Familie immer etwas ganz Besonderes: Meine Brüder und ich dürfen ganz offiziell Papas Kreditkarte benutzen. Weil er deren Abrechnung strenger kontrolliert als Münchner Schaffner Fahrkarten, würde er den Rest des Jahres über sofort merken, wenn wir sie benutzen. Aber für unsere Weihnachtsgeschenke geht das klar.

Jeder von uns vier Kindern bekommt ein Budget von 150 Euro, für das wir uns nach Hause bestellen dürfen, was wir wollen

Mama fragt zwar immer spätestens Mitte November, was wir uns eigentlich wünschen, aber das ist mehr wohlwollend alibimäßig. Sind wir ehrlich, kann ich mich nicht erinnern, wann wir zum letzten Mal wirklich unter dem Weihnachtsbaum überrascht wurden. Jeder von uns vier Kindern bekommt ein Budget von 150 Euro, für das er sich nach Hause bestellen darf, was er will. Hauptsache, es ist an meine Mutter adressiert, damit die es noch schön verpackt und darauf achtet, dass ja keiner zu früh an sein Geschenk kommt.

Andersrum läuft es ganz ähnlich ab. Ich frage meine Eltern, was sie sich wünschen und schenke ihnen jedes Jahr ein Parfum, eine CD oder ein Buch. In unserer Brüder-Whatsapp-Gruppe verhandeln wir zusätzlich ein Gemeinschaftsgeschenk, für das einer 60 Euro vorlegt, um es zu kaufen und dann später von den anderen das Geld einzusammeln. 

Das mag jetzt alles furchtbar materialistisch und ganz und gar unbesinnlich klingen – ist es aber nicht. So geht man jedenfalls sicher, dass man keine Geschenke bekommt, die man gar nicht haben will. Und so oberflächlich unsere Bescherung gestaltet sein mag, so festlich findet sie statt. Seit 13 Jahren fahren wir mit der ganzen Familie (inklusive Oma, Onkel, Tante und Cousin) über Weihnachten eine Woche in die Berge und verbringen die Festtage zusammen. Fahren Ski und Snowboard, veranstalten jeden Abend ein Festessen und haben jede Menge Spaß. Klingt cheesy, ist aber wahr: Dieser gemeinsame Urlaub ist mir mehr wert als jedes Geschenk.

Max Sprick

2. In Nadjas Familie gelten militärische Regeln

Die Geschenke-Politik in meiner Familie ist ziemlich eindeutig geregelt, beinahe militärisch – dafür aber auch besonders fair.

Es gelten folgende Regeln: Je zwei Schwestern schenken der jeweils dritten Schwester etwas zusammen. Die jeweiligen Kinder der Schwestern (sofern vorhanden) bekommen ein zusätzliches Geschenk. Alle drei Schwestern beschenken zusammen die Eltern, und zwar mit zwei einzelnen, günstigeren Geschenken, oder einem teureren, das sie gemeinsam nutzen können. Die Eltern schenken jeder Tochter etwas, und zwar für den festgesetzten Betrag von 150 Euro. Dafür wird zuvor jede Tochter nach ihren Wünschen gefragt, die zuverlässig erfüllt werden.

Wenn der Wunsch einer Tochter die 150-Euro-Grenze unterschreitet, wird das Geschenk mit Deko-Kram "aufgefüllt"

Wenn der Wunsch einer Tochter die 150-Euro-Grenze unterschreitet, wird das Geschenk mit Kleinigkeiten (Deko-Kram, Kalender und so weiter) und Gutscheinen für Läden, in denen man regelmäßig einkauft, "aufgefüllt". Das führt dazu, dass man als Tochter eigentlich immer schon weiß, was man geschenkt bekommt, es dafür aber auch wirklich brauchen kann. Partner und Kinder der Töchter (falls vorhanden) bekommen ebenfalls Geschenke, für die es auch Höchstbeträge gibt. 

Nadja Schlüter

3. Bei Mercedes gilt die Ein-Geschenk-Politik mit 20-Euro-Grenze

Meine Eltern sind seit Ewigkeiten geschieden und Weihnachten wird bei uns im jährlichen Wechsel entweder bei Mutter oder Vater gefeiert. Geschenke lagen bis vor einigen Jahren bei beiden stets relativ viele unter dem Baum, schon allein weil wir fünf Geschwister sind und jeder jedem mindestens etwas Kleines besorgt hatte.

Doch dann kündigten meine vier Geschwister plötzlich einheitlich an, dass ihnen das alles viel zu anstrengend sei. Und zu dekadent. In einem mir bis heute unverständlichen Anfall eiserner Genügsamkeit forderten sie, dass wir uns alle überhaupt gar nichts mehr zu Weihnachten schenken sollten. Nicht nur unter uns Geschwistern, sondern generell. Auch unsere Eltern sollten von dem nervlich und finanziell belastenden Geschenkezwang befreit werden. 

Meinem Vater war das recht, meiner Mutter sowieso. In meiner Erinnerung war ich die einzige, die starken Widerwillen äußerte und auf Kompromissverhandlungen pochte. Letztendlich einigten wir uns darauf, zu wichteln.

Es wird gewichtelt – jeder bekommt ein Geschenk im Wert von 20 Euro

Und so bekommt auch dieses Weihnachten wieder jeder nur ein einziges Geschenk. Und verschenkt logischerweise auch selbst nur ein Geschenk. Der Geschenke-Wert wurde auf 20 Euro gesenkt. Wer wen bewichtelt, losen wir anhand eines Online-Wichtelprogrammes aus. In dieses Programm muss jeder vorher einige Dinge eintragen, von denen die ihm zugeloste Person sich eines aussuchen kann.

Immerhin vermeidet das geschenkliche Fehltritte, die sich bei nur einem einzigen Geschenk vermutlich sehr traurig anfühlen würden. Ich kann mit dieser neuen Geschenkepolitik leben. Je älter man wird, desto mehr genießt man schließlich im besten Fall auch das Beisammensein an sich. Unsere ehemals großen Geschenke-Inseln unter dem Tannenbaum vermisse ich trotzdem schmerzlich. 

Mercedes Lauenstein

4. Bei Friedemann moderiert die Mutter die Oscar-Verleihung unter den Geschenkezeremonien

Bei uns wird ganz normal reihum herumgeschenkt, also: Jeder schenkt jedem relativ regelfrei irgendwas. Dafür hat das Event der Geschenkübergabe bei uns Oscar-Qualität. Denn an unserem Heiligabend nehmen bis zu 20 Verwandte und Bekannte teil. Ergibt einen ganzen Haufen Nächstenliebe, der da in Geschenkform unter den Baum gelegt wird. 

Auf jedem Geschenk steht der Name des Beschenkten drauf – oder in Ausnahmefällen auch nicht. Dann geht es los und meine Mutter setzt sich unter den Baum und beginnt, die Verleihung zu moderieren. Das gibt ein verlässlich großes Hallo, wenn sie zum Beispiel die unbeschriftete Lego-Piratenburg meiner Tante andrehen will und der eigentlich damit zu beglückende Neffe in Tränen ausbricht oder anfängt mit der Tante zu feilschen.

Es folgt das große Rätselraten: Wer hat den hässlichen Bildband von belgischen Barockkirchen besorgt und wem zugedacht? 

Grundsätzlich gibt es zwei Sorten Geschenke. Die richtigen, zum Beispiel: Bücher für die Erwachsenen, Spielzeug für die Kinder, Fotobücher von den Kindern für die Eltern. Und die „nur fürs Herz“ Geschenke. Kleine Aufmerksamkeiten, die nicht wirklich was nutzen, aber emotional wichtig sind oder sein sollen. Es fallen während dieser Zeremonie daher natürlich immer auch Geschenke ab, die keinen Abnehmer finden und an deren Herkunft sich niemand zu erinnern beteuert. Es folgt dann das große Rätselraten: Welcher abwesende Schwippschwager hat den hässlichen Bildband von belgischen Barockkirchen besorgt und vor allem wem zugedacht? 

Am Ende des Abends hat jeder einen Haufen Kram, die Mutter ist total fertig und mindestens ein Glas Sekt wurde vom tobenden Neffen umgeschmissen, der schließlich doch die Piratenburg bekommen hat – es sei doch nur ironisch gemeint gewesen. „Ich hasse das, ironisch“, sagt er und baut Stein auf Stein, bis tief nach Weihnachten hinein.

Friedemann Karig

5. Bei Charlotte herrscht die totale Geschenke-Manie

Vor kurzem hat mein Freund ein Buch gelesen, in dem die Menschheit aufgrund ihrer psychischen Verfassung in vier verschiedene Typen eingeteilt wurde. Manches an dem Buch war Quatsch, aber in einer Sache haben wir mich sofort wiedergefunden: bei der Frage, nach welchem Prinzip ein Mensch zu Weihnachten Geschenke verschenkt. Ich bin die, die allen etwas schenkt. 

Allen, die mir jemals etwas geschenkt haben. Allen, die mir jemals etwas schenken könnten. Und allen, von denen ich möchte, dass wir in Zukunft näher befreundet sind, ergo: uns vielleicht zukünftig etwas schenken.

Wie besagtes Buch prägnant feststellte, ist das ein ziemlicher Stress.

Denn wer nicht nur die eigene Familie beschenkt (in meinem Fall Eltern, Großeltern, Paten und Geschwister, und wenn ich ganz hart drauf bin, auch noch deren Partner), sondern auch allen guten Freunden und ausgesuchten Bekannten, erleidet regelmäßig kurz vor Weihnachten einen Nervenzusammenbruch. Spätestens dann, wenn er das ganze Zeug zur Post bringen und nach Belgien oder in die Schweiz verschicken muss und dann feststellt, dass sich das Porto zu einem Gesamtbetrag summiert, von dem man auch zehn weitere Geschenke hätte kaufen können. 

Der Alle-Beschenker denkt, er habe persönlich versagt

Das Buch stellte für diese Situation treffend fest: „Der Typ Mensch, der allen etwas schenken will, kommt in dieser Situation aber noch lang nicht auf die Idee, dass es möglicherweise einfacher wäre, in Zukunft weniger Menschen zu beschenken. Er denkt stattdessen, er habe persönlich versagt.“ Genau so ist das bei mir auch. Ich habe in diesem Moment das niederschmetternde Gefühl, psychisch einfach nicht belastbar genug zu sein.

Erschwerend kommt hinzu, dass man sich in meinem Umfeld natürlich darauf verlässt, dass ich für alle und jeden Geschenke organisiere. Habe ich ja schon immer getan. Und nie war ich hart genug, den Anderen zu sagen: „Du darfst bei meinem Geschenk für Oma aber nicht mitschenken, organisier’ dir bitte selbst was!“. Denn das wäre ja noch schlimmer als ein Nervenzusammenbruch in der Postfiliale: wenn es drauf ankommt, nicht genügend Geschenke auf Vorrat zu haben, dass es auch noch zum Teilen reicht.

Charlotte Haunhorst

6. Christians Familie spielt Bommelmützen-Flaschendrehen

Das Besondere an unserer Geschenkepolitik liegt nicht in der Art und Weise, wie wir uns beschenken, sondern in unserem Ritual des Geschenkeauspackens. Das Schenken selbst ist relativ simpel: Jeder schenkt jedem etwas, einen festgelegten Wert gibt es nicht, nur einen Erfahrungswert, den man irgendwie so im Gefühl hat und der bei irgendwas zwischen 20 und 40 Euro liegt (unsere Eltern geben allerdings oft auch mehr aus).

Die Nikolausmütze ist unser Boss. Mit ihr legen wir fest, wer auspacken darf. Funktioniert wie Flaschendrehen, nur eben mit Nikolausmütze

Das Auspacken ist komplizierter – und war es immer schon. Ganz früher durfte immer ich als erster auspacken, wegen Nesthäkchenbonus. Diese Reihenfolge war ein probates Mittel, mein Quengeln zu unterbinden. Irgendwann musste ich aber lernen, nicht immer der Erste sein zu können, und die Reihenfolge wurde von Jahr zu Jahr gewechselt.

Und dann kam die Nikolausmütze. Woher, weiß heute niemand mehr, wahrscheinlich war sie ein Überbleibsel irgendeiner Arbeits-Weihnachtsfeier. Jedenfalls ist die Nikolausmütze jetzt unser Boss. Mit ihr legen wir fest, wer auspacken darf. Funktioniert wie Flaschendrehen, nur eben mit Nikolausmütze: Man nehme die Mütze, stelle sich im Kreis auf, werfe die Mütze so in die Luft, dass sie rotiert, und warte ab, auf wen der weiße Bommel zeigt, wenn die Mütze auf dem Boden liegen bleibt. Derjenige darf dann seine Geschenke öffnen. Und muss – eh klar – dabei die Mütze aufsetzen. Was unsere Familienalben aussehen lässt, als hätten wir uns vorgenommen, bei einem Dämlichkeits-Fotowettbewerb mitzumachen. 

Christian Helten

7. Melanie schenkt Zeit

Unter Geschwistern haben wir schon früh aufgehört, uns etwas zu Weihnachten zu schenken. Erst gab es noch kleine Geschenke: irgendwelches Bastelzubehör, Socken – Kleinkram, den man irgendwann heimlich oder unabsichtlich auf dem Flohmarkt verkauft, weil man sowieso nicht mehr weiß, von wem man ihn bekommen hat. 

Und dann ließen wir es bleiben. Als Studentinnen hatten wir sowieso zu wenig Geld, um einander etwas wirklich Schönes zu kaufen. Mittlerweile verdienen wir alle, doch unser Budget investieren wir jetzt in was anderes: in das Geschenk für unsere Eltern. Und zwar eines, von dem alle etwas haben, nämlich, dass wir gemeinsam Zeit verbringen. Wir suchen uns einen Ausflug aus, den wir mit unseren Eltern zusammen machen können – Theater, Städtetrips, so etwas.

Wir schenken uns jetzt etwas, von dem alle etwas haben: gemeinsam zu verbringende Zeit

Dass wir unsere Energie nun darauf verwenden, familienfreundliche Ausflüge zu finden und zu planen, lohnt sich doppelt: Erstens ist so gesichert, dass wir jedes Jahr alle zusammen was machen – was gar nicht so einfach ist, weil wir Kinder nicht mehr zu Hause wohnen. Und zweitens können wir endlich ein bisschen was zurückgeben. Unsere Eltern überreichen uns nämlich jedes Weihnachten wieder viel zu große, tolle, mit Liebe ausgesuchte Geschenke. In buntes Papier eingewickelte Beweise, dass sie sich immer noch viele Gedanken um uns machen. Was wiederum die schöne Botschaft beinhaltet: Auch, wenn ihr ausgezogen seid, seid ihr noch Teil unseres Lebens.

Und das versuchen wir, ihnen mit unseren Ausflugs-Geschenken ebenfalls zu zeigen: Dass sie, auch wenn es nur für ein Wochenende sein mag, einen festen Platz bei uns haben, egal, wie selten wir uns das restliche Jahr über treffen mögen.

Melanie Wolfmeier

Mehr Weihnachtskram:

  • teilen
  • schließen