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Männer, nervt es euch, wenn ihr nach eurem Orgasmus weitermachen müsst?

Foto: xenia gromak /photocase.com

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Liebe Männer,

eine Umfrage im näheren Bekanntenkreis hat ergeben: Ihr seid voll die Assis im Bett. Na gut, wir wollen ja kultiviert streiten. Ich muss kurz googlen, wie das genau ging. Ahja, Ich-Botschaften senden! Also: Ich habe gehört, viele Frauen kommen im Bett nicht auf ihre Kosten, weil viele von euch nach eurem Orgasmus einfach aufhören. 

Jetzt gibt es mehrere Theorien, warum das so sein könnte. Die freundlichste, vermutlich aber verlogenste wäre: It’s nature, ihr habt euer Geschlechtsorgan nicht im Griff und findet eure Partnerinnen dermaßen heiß, dass ihr schon bei ihrem bloßen Anblick kaum einhalten könnt. Ist doch nur Kompliment für uns, nicht wahr? Das würde aber auch voraussetzen, dass Männer grundsätzlich innerhalb von, keine Ahnung, einer Stunde, nur einmal kommen können und dass es danach eben aus technischen Gründen nicht mehr ginge. Wie ich aber im Internet, dem bekanntermaßen seriösesten Nachschlagewerk des 21. Jahrhunderts, nachlesen kann, stimmt das nicht. Männer sind genau wie Frauen zu multiplen Orgasmen fähig und sie können ihren Orgasmus auch Kraft ihres Bewusstseins hinauszögern. Okay, dafür braucht es wohl ein wenig Übung, die man als Anfänger, sofern ihr denn noch welche seid, nicht unbedingt hat. Und ich verstehe auch, dass multiple Orgasmen vielleicht einfach nicht jedermanns Sache sind.

Nur: aus Frauenperspektive kommt diese „Wer zuerst kommt, hat fertig“-Mentalität trotzdem rücksichtslos rüber. Weil es gibt ja zum Beispiel auch noch eure Hände, wenn ihr wisst, was ich sagen will, Stichwort, ähm: fingerfertig nachhelfen!

Nur leider scheinen sich die wenigsten von euch dieser Strategie bewusst zu sein, vor allem in den ersten Jahren eurer Sexkarriere. Oder seid euch dieser Strategie bewusst und habt nur einfach keine Lust? Warum? Ist es wirklich die pure Selbstsucht oder was steckt dahinter? Seid ihr womöglich zu gschamig und fürchtet, was falsch zu machen?

Weil: Wir wissen ja auch, wie das ist, zuerst zu kommen und dass es ein Akt purer Nächstenliebe ist, darauf zu warten, dass jemand auf seine Kosten kommt, obwohl man selbst schon längst drauf gekommen ist. Das gilt nicht nur für Sex. Aber vor allem für Sex. Denn Sex ist definitiv eine dieser Aktivitäten im Leben, die, Entschuldigung, mir fallen dafür leider grad keine guten deutschen Namen ein, nur flashen, wenn man horny ist. Nüchtern betrachtet ist dieses Aufeinander-Rumrobben nämlich eine der absurdesten Alltagspraktiken überhaupt. Und wenn man grad gekommen ist, fällt der Horny-Rausch von einem ab und der ganze Akt verwandelt sich in eine extrem ernüchternde Erfahrung. Wenn der andere dann aber immer noch in allen Farben des Regenbogens trippt, (und das ist meistens der Fall, denn einer trippt immer etwas länger als der andere) stellt es durchaus eine Herausforderung dar, so zu tun, als wäre man ebenfalls noch dabei. Wir machen es aber. Frauen machen das, wie meine private Umfrage ergeben hat, eben grundsätzlich sehr viel häufiger als Männer.

Bitte erklären: Was fällt euch daran so schwer? Warum macht ihr so selten Gebrauch von euren Händen um bei uns nachzuhelfen? Und überhaupt: Wie verläuft eure sexuelle Kompromissbereitschaftsbiographie eigentlich konkret? Ändert sich da beim Älterwerden was, macht es einen Unterschied, ob es die eigene Freundin ist oder nur ein One-Night-Stand? Sind wir Frauen am Ende doch die empathischeren Wesen und nirgends wird es so deutlich wie im Bett?

Die Männerantwort: 

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Illustration: Katharina Bitzl

Liebe Frauen,

bestimmt gibt es zum Thema ein paar von diesen „It’s nature“-Ansätzen, die ihr schon angesprochen habt. Evolution, Weitergeben von Genen. Dieser Kram. Ich kann da nur spekulieren, wie die Theorien gehen. Vermutlich aber ungefähr so:

Für den Mann als Jäger und Sammler ist es, wenn er gejagt und gesammelt und sich also wohl auch gepaart hat, unerlässlich, Kraft zu tanken. Ergo: zu ruhen. Wer seine Gene gerade schon weitergegeben hat, hat in der Theorie nämlich bestimmt einen evolutionären Vorteil, wenn er möglichst schnell regeneriert, um mit frisch erschlafener Energie wieder mehr Nahrung ranzuschaffen – und mehr Paarungsmaterial.

Und deshalb, so stelle ich mir jedenfalls vor, dass Anhänger solcher Theorien argumentieren würden, hat die Natur dem Jäger und Sammler einen Penis gegeben, der postkoital erschlafft und erst mal zu nix nütz ist. Und die damit verbundene körperliche Gesamtmüdigkeit nach einer steil ansteigenden und noch viel steiler abfallenden Erregungskurve gleich dazu. Und man muss sagen: Ganz leicht zu widerlegen sind diese Ansätze ja auch tatsächlich nicht.

Ich privat halte trotzdem nicht wahnsinnig viel von ihnen. Unter anderem auch, weil ich, wie die meisten, nicht mehr in einer Höhle wohne, in der jemand stetig für Behaglichkeit sorgen muss, indem er das Lagerfeuer am Züngeln hält, während ich jage. Die thermostatgesteuerte Zentralheizung in der energieeffizient-gedämmten Wohnung hat da einiges verändert. Will sagen: Die Zivilisation hat neben viel Schlimmem auch ein paar gute Dinge gebracht – unter anderem Frauen, die arbeiten gehen dürfen. Und eine theoretisch gleichberechtigte Sexualität.

Theoretisch. Denn natürlich gibt es da diese Zeit irgendwo zwischen abklingender Pubertät und den sehr frühen Zwanzigern. Und in dieser Zeit, da ist nicht viel mit Tantra-Geist-über-Materie-Hinauszögern des Orgasmus’. Zack geht das manchmal, und vorbei ist das. Und ich sag euch jetzt mal was: Das ist einem da noch ganz schön peinlich.

Und in dieser irgendwie unklaren Gemengelage aus Scham und Erschöpfung, bei der man noch nicht mal genau weiß, wo das eine endet und das andere anfängt, da ist es tatsächlich oft nicht sehr weit her mit Empathie und Selbstlosigkeit. Da habt ihr schon recht. Ihr müsst euch das ein bisschen vorstellen wie bei einem Streit, bei dem man weiß, dass man Unrecht hat und eigentlich sagen müsste: „Tut mir leid!“ Aber stattdessen blickt man lieber noch etwas länger verstohlen bis bockig zu Boden – und sagt nichts.

Und das wird bei One-Night-Stands (auch im höheren Alter) sicher noch mal alles schlimmer. One-Night-Stands begründen sich schließlich eher nur auf Lust. Und wenn die sich erledigt hat, fehlt dem Ganzen ja schnell etwas die gemeinsame Basis. Wie bei einem Kaufvertrag, bei dem das Produkt zwischendrin kaputtgeht. Oder wie bei irgendeinem anderen schiefen Vergleich … Jedenfalls kann es es einem in diesen Fällen schon noch schwerer fallen mit der Vertragstreue. Weil das alles, das sagt ihr ja auch selbst, schon noch mal eine gehörige Arbeit werden kann. Die, wenigstens im Vergleich zu vorher, ziemlich wenig Spaß macht.

Das soll keine Entschuldigung sein. Nicht mal eine Rechtfertigung. Alles, was ich sage, ist, dass es Größe braucht, um selbstlos sein zu können. Erfahrung vielleicht auch und womöglich auch schon ein paar Erfolgserlebnisse. Das gilt eigentlich überall, aber besonders beim Sex. Und weil uns all das am Anfang tendenziell noch fehlt, sind wir da möglicherweise weniger fair als wir sollten. Oder könnten. Wir realisieren schließlich schon, dass ihr da früher (eigentlich von Anfang an) selbstloser seid als wir, wenn ihr tatsächlich mal schneller wart. Dass da ein Ungleichgewicht herrscht.

Aber wir werden ja auch ein bisschen älter und reifer – auch sexuell. Werden ein bisschen entspannter bei dem Thema, und haben also ein bisschen mehr Kontrolle über uns. Und vielleicht auch über euch. Und wenn wir dann trotzdem erste sind, können wir das mit etwas mehr Gelassenheit - Achtung - handhaben. Gerade in Beziehungen. Mit Liebe - und damit auch Nächstenliebe -, die die Lust flankiert. Und da, würde ich jetzt jedenfalls behaupten, steigt die Quote der Male, bei denen wir euch „in allen Farben des Regenbogens“ weitertrippen lassen, doch deutlich.

Aber wahrscheinlich, ich bezweifle allerdings, dass es da repräsentative Studien gibt, sind wir da noch einen Tick fauler als ihr. Zumindest quantitativ. Aber Achtung: In Summe vielleicht auch nicht. Weil: Arbeit = Kraft x Weg! Sagt die Physik. Und der Weg ist bei euch schon tendenziell länger, steiler und hat mehr Kurven als bei uns. Die Arbeit, die wir pro Ziellinie aufbringen müssen, ist also meistens höher. Und damit sind wir aufs Jahr hochgerechnet vielleicht gar nicht fauler als ihr.

Müsste man mal erforschen, finde ich. Und bis dahin, da will ich gerne eine weise Kollegin zitieren, sollte grundsätzlich immer gelten: „Eine Hand wichst die andere!“

Hand drauf!

Eure Männer

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