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Feministen sind die besseren Liebhaber

Katja Lewina meint: Feministen sind besonders gut im Bett. Aber warum?
Illustration: Katharina Bitzl

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Es war klar, worauf alles hinauslaufen würde. Ich mochte den Typen, nennen wir ihn Tom, und er mochte mich. Außerdem hatten wir Wodka getrunken. Da saßen wir also auf dem Sims vor der Bar und rauchten. Ich hätte schwören können, dass wir beide dasselbe wollten: knutschen. Also drehte ich mich zu ihm, machte meinen bezaubernden Augenaufschlag und öffnete meine Lippen ein ganz kleines bisschen. Ich war sowas von bereit, und ich zeigte es.

Tom lächelte zwar, doch machte er keine Anstalten, körperlich zu werden. Stattdessen sagte er: „Ich würd dich gern küssen. Darf ich?“

Fast wäre ich vom Sims gefallen. „Geht's noch?“, lachte ich. „Mit solchen Fragen machst du die ganze Stimmung kaputt. Du wirst doch wohl gemerkt haben, dass ich Bock habe!“ Doch er erklärte: „Das habe ich mir zwar gedacht. Aber kann ich es sicher wissen, wenn du nicht ausdrücklich zugestimmt hast?“

Ein Verfechter des Zustimmungskonzepts also. Kannte ich, schließlich gehören feministische Theorien zum modernen Bildungskanon, erst recht, wenn man selbst Feministin sein will. Im Grunde ist es die logische Fortsetzung von „Nein heißt Nein“: Nur ein ausdrückliches „Ja“ schließt ein mögliches „Nein“ komplett aus. Eine super Sache im Grunde, doch von mir unter der Rubrik „komplizierter, nicht praktikabler Scheiß“ abgelegt.

Und nun kam Tom mit seiner Frage daher. Er war nicht nur der erste mir persönlich bekannte männliche Feminist. Er war offensichtlich auch noch straighter darin, als ich es war.

Ich war hin- und hergerissen. Einerseits fühlte ich mich um die Leichtigkeit der Situation betrogen – schließlich sollen sich Zärtlichkeiten wie von selbst ergeben. Andererseits fielen mir ad hoc zahllose Situationen ein, in denen sich Typen absolut sicher waren, ich hätte sie mit meinem angeekelten Blicken geradezu aufgefordert, mich anzuspringen. „Und genau darum frage ich vorher, und zwar immer“, sagte Tom.

Wir kamen uns in dieser Nacht noch ziemlich nahe. Vor jedem weiteren Schritt fragte er, ob er dürfe. Ob ich wolle. Und obwohl ich jedes Mal irritiert war und insgeheim dachte: „Alter, mach doch einfach!“, musste ich erstaunt feststellen: Das Fragen macht einen Unterschied. Aber auch sonst war der Sex mit diesem Mann die absolute Ausnahmeerscheinung. Eine Offenbarung geradezu. Inwiefern? Dazu später mehr.

Gibt’s da einen Zusammenhang? Sind Feministen die besseren Sex-Partner?

Zufall, dachte ich zunächst. Ein Zufall jedoch, von dem ich allen meinen engen und nicht so engen Freundinnen erzählen musste, weil er mich derart faszinierte. Weil ich mich trotzdem fragte: Gibt’s da einen Zusammenhang? Sind Feministen die besseren Sex-Partner? Und siehe da: Alle, wirklich alle, die jemals Bett, Teppich oder Klokabine mit einem Typen geteilt hatten, der sich selbst als Feminist bezeichnete, berichteten Ähnliches. 

Natürlich gab es Ausnahmen: den Kerl, der sich selbst zwar das Label gab, weil es grade angesagt ist, aber sich ansonsten wie das letzte Arschloch verhielt. Oder den, der die Sache derart ernst nahm, dass er sich gegen Penetrationssex aussprach, weil ihm dieser Akt der Unterwerfung missfiel.

Doch im Großen und Ganzen fanden alle: Wenn man einen Feministen aufgerissen hatte, konnte man ziemlich sicher sein, eine außerordentlich befriedigende Nacht zu erleben.

Was also ist es, das ihn zur Krönung der Sex-Schöpfung macht?

1. Er steht auf Konsens

Er wird nie etwas tun, das du nicht willst. Die allerwenigsten Typen sind Vergewaltiger oder wirklich übergriffig. Aber jede Frau hat wahrscheinlich schon erlebt, dass sie eine Spur zu grob angefasst wird. Oder er schon drin ist, bevor sie auch nur „Oh“ sagen konnte. Meist nehmen wir es hin im Eifer des Gefechts. Zumal viele von uns daran gewöhnt sind, sich selbst zu übergehen. In diesem Fall ist jedes „Darf ich ...“ ein echtes Geschenk. Es wird zur Erinnerung, sich selbst kurz zu fragen: „Will ich wirklich, dass er ihn jetzt reinsteckt / sich an meinem Hintern zu schaffen macht / schon kommt?“ Und uns dann bewusst dafür oder dagegen zu entscheiden.

2. Er redet

Und zwar auch jenseits von „Darf ich …?“ Weil er nicht davon ausgeht, dass er, nur weil ihr miteinander im Bett gelandet seid, auch deine Gedanken lesen kann, fragt er, was du magst. Und sagt, was ihm gefällt. Du musst dir also nicht mehr den Kopf darüber zerbrechen, ob der Typ deine Bitte, langsamer zu machen, womöglich als Affront gegen seine Liebhaber-Qualitäten wahrnehmen könnte. Oder dich fragen, ob er fester angefasst werden will. Und wenn ihr schon dabei seid, kommen wie von selbst auch extravagantere Wünsche auf den Tisch. Win-win.

3. Er will, dass du auf deine Kosten kommst

Orgasm-Gap ist auch im Jahr 2017 traurige Realität: Frauen kommen beim Sex sehr viel seltener als Männer. Vielleicht, weil viele Typen immer noch davon ausgehen, dass ihr Penis Superkräfte entwickelt. Vielleicht, weil ihr oberstes Ziel der eigene Orgasmus ist. Vielleicht weil es nicht wenige Frauen gibt, die auf ihre eigene Befriedigung nicht so irre viel Wert legen. Ich weiß es nicht. Was ich jedoch weiß, ist, dass der Feminist es dir besorgen wird. Wie auch immer du es willst. Weil es sein ureigenstes Bedürfnis ist, dass ihr beide den gleichen Spaß an der Sache habt.

4. Er verehrt deinen Körper

Hast du Lust, dich wie eine Königin fühlen? Wie ein gottgleiches, überirdisch schönes Wesen? Meist fällt es uns schwer, das zuzulassen. Wir sind es gewohnt, uns schlecht zu machen oder schlecht machen zu lassen. Der Feminist hingegen wird dir sagen, wie schön er deinen ganz und gar nicht perfekten Bauch findet, und wenn er es nicht sagt, wird er es dich durch seine Berührungen spüren lassen. Dein Körper ist ihm ein Tempel, und genau so wird er ihn behandeln.

5. Er bedankt sich

Du hast deine Schenkel für ihn gespreizt? Ihm einen geblasen? Das mag dir vielleicht selbstverständlich vorkommen. Was ihn nicht daran hindern wird, sich bei dir für deine Mühen zu bedanken. Schließlich hast du ihm ein großartiges Geschenk gemacht. Und wer von uns saugt Wertschätzung nicht auf wie ein Schwamm?

6. Der Sex mit ihm kann (trotzdem) wild oder hart sein

Zugegeben, die oberen Punkte lassen den Feministen leicht devot aussehen. Doch das ist ein Trugschluss (wenngleich natürlich unter den Feministen, wie überall, Exemplare zu finden sind, die sich gern unterwerfen): Seine Hochachtung für dich ist Resultat einer inneren Stärke, die es nicht nötig hat, sich auf Kosten von anderen zu ermächtigen. Was nicht heißt, dass er dich nicht einfach durchvögeln wird. Oder Dinge mit dir tun, die Aua machen. Oder dich sonstwie benutzen. Wenn ihr beide das wünscht, jedenfalls. Egal, wie dominant er sich aufführt, du wirst immer seine Achtung vor dir spüren, und sie wird deine Hingabe an ihn noch leichter und gleichzeitig tiefer machen.

Ganz sicher vereint nicht jeder Feminist dieser Erde alle genannten Qualitäten in sich. Doch selbst wenn es nur zwei oder drei sind – du wirst den Unterschied spüren. Und mehr davon haben wollen.

As you see: Männlicher Feminismus lohnt sich schon allein aus sexuellen Gründen. Und sind das nicht immer die besten?

Dieser Text wurde zum ersten Mal am 04.08.2017 veröffentlicht und am 10.10.2020 noch einmal aktualisiert.

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