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Was man trinkt, wenn man nicht trinkt

Illustration: Federico Delfrati

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Alkohol ist unser soziales Schmiermittel Nummer Eins, trotzdem kann man natürlich auch ohne ihn Spaß haben. Auch wer keinen Alkohol trinkt, möchte ab und zu unter Leute gehen und dort etwas trinken. Dann steht man vor einem logistischen Problem. Denn auch, wenn wir nicht berauscht sind, bekommen wir irgendwann Durst. Als Nicht-Trinker ist die Getränkewahl in einer Bar oder einem Club ein Abenteuer, denn jeder nicht alkoholische Drink bringt seine Begleiterscheinungen mit sich.

Wasser – kein Geschmack, kein Spaß

Wasser ist für Nicht-Trinker die gesündeste Wahl. Aber auch mit Abstand die lahmste. Wasser hat zwar keine Prozente und keine Kalorien, aber Wasser schmeckt eben nur nach Wasser. Nach dem dritten Glas fühlt es sich ein bisschen so an, als würde deine Mama dich dazu verdonnern, endlich genug Flüssigkeit zu dir zu nehmen. Wasser hat keinen Geschmack und deshalb hat man mit Wasser auch keinen Spaß. Du rennst ständig aufs Klo, obwohl du nicht mal betrunken bist. Außerdem denkt jeder, dass du auf Diät bist und dann musst du nicht nur deinen Nicht-Konsum rechtfertigen, sondern auch erklären, dass du keine Probleme mit deiner Ernährung oder deinem Gewicht hast. Vom Barkeeper bekommst du nur Unverständnis, wenn du Wasser bestellst, aber stocknüchtern bist. Das Glas reicht er dir dann mit einem abwertenden Blick, weil er deine eigentlich ja löbliche Abstinenz als Knausrigkeit fehlinterpretiert.

Spezi – der freundliche Allrounder

Spezi ist eine ziemlich gute Wahl, wenn du grade keinen Alkohol trinkst. Keiner schaut dich komisch oder abwertend an. Weil jeder Spezi mag. Spezi ist der Allrounder unter den alkoholfreien Getränken, es war immer cool und wird auch immer cool sein. Das führt dazu, dass alle Betrunkenen einen Schluck von deinem Spezi abhaben wollen. Solang sich die Flasche nur innerhalb deines engeren Freundeskreises bewegt, ist das auch kein Problem. Wenn du tanzen bist und es wird immer später und die Leute immer betrunkener, dann wird es problematisch. Es sei denn, du hast keine Probleme mit dem Speichelaustausch mit fremden, schwitzenden Menschen, die sehr viel wacher und sehr viel besser gelaunt sind als du. Und das sind sie alle, denn sie sind ja betrunken. Ihre Kehlen sind ausgetrocknet und malträtiert vom Bier und Wodka Mate, da wirkt deine kühle, spritzige Spezi für sie wie ein Wasserloch in der Sahara.

Was auch zwingend an deinem Spezi-Abend passieren wird, ist die Diskussion darum, welches die geilste Spezi ist. Während die Betrunkenen über Flaschendesigns und das Orange-Cola-Mixverhältnis so heftig diskutieren wie über den Nahostkonflikt, kannst du dich entspannt zurücklehnen. Denn du kannst ja noch klar denken und jeder, der klar denken kann, weiß sowieso, welches die beste Spezi ist. Kleiner Hinweis dazu: Flaschen-/Dosendesign. Irgendwann sagt noch jemand zu dir, „Hey alter, Spezi würde bestimmt auch irgendwie geil schmecken, wenn man es mit Wodka oder Rum mischt, oder?“ Nein, lieber Betrunkener, wird es nicht.

Hippe Limos – schön und süß

Litschi-Bergamotte, Zitrone-Ingwer und Holunder-Rharbarber. Seit einigen Jahren meinen Getränkehersteller, dass es marketingtechnisch Sinn ergibt, einen interkontinentalen Obst-Gemüse-Garten in eine Flasche zu pressen. Diese Getränke sehen meistens ziemlich cool aus, weil fancy Farbe, und sind meistens ziemlich süß, weil diese Geschmackskombinationen nur mit ordentlich Fruchtzucker so richtig geil schmecken. So eine Litschi-Bergamotte-Limo kann als Nicht-Trinker ein ziemlich guter Einstieg in den Abend sein. Sie schmeckt gut und keiner fragt nach dem „Wie?“ und „Warum?“, weil die Litschi-Bergamotte-Limo ja auch einfach eine Überbrückung zwischen Bier und Gin Tonic sein könnte, also einfach was für den Geschmack und die Hydration. Wenn du aber mehr davon trinken willst, dann kann es kritisch werden. Nach der zweiten hippen Limo fühlst du dich nämlich so, als hättest du als Kind zu viele Maoam gegessen. Auch, wenn die hippe Limo natürlich nur aus fairtrade und organic-mäßigen Bestandteilen hergestellt wird, schmeckt sie ein bisschen so wie Diabetes in flüssiger Form.

Mate oder Energy Drink – sneaky aber effektiv

Wenn du nicht betrunken bist, musst du irgendwie schauen, dass du mit deinen betrunkenen Freunden feiermäßig mithalten kannst. Da du irgendwann müde wirst, versuchst du dich zwangsläufig mit Getränken am Leben zu halten, die mit der gesetzlichen Mindestgrenze für Koffein Limbo tanzen. Das hat den Vorteil, dass du die Party nicht schon um zwei Uhr verlässt und die ganzen blöden Sachen noch mitbekommst, die deine betrunkenen Freunde anstellen. Auch kannst du dich, wenn du diesen unehrlichen Pfad des Nicht-Trinkens wirklich wählen willst, sehr einfach den unangenehmen Gesprächen über deine Abstinenz entziehen. Du sagst einfach, da wäre Alkohol mit reingemischt. Das ist ziemlich sneaky, aber immerhin effektiv. Es gibt nur ein Problem: Koffein und Alkohol sind sich in einer Sache ziemlich ähnlich. Man verpasst sehr schnell den Punkt, an dem das Körpergefühl von geil zu eklig umschwingt. Drei Mate später rennst du dann wie ein Eichhörnchen auf Speed durch den Club und versuchst, deine betrunkenen Freunde zu finden, die längst im Raucherbereich mit jemanden rumknutschen, der auch betrunken ist. So gehst du einsam und allein nach Hause und kannst noch bis sieben Uhr morgens nicht schlafen, weil sich das Koffein immer noch fröhlich durch dein Herz-Kreislauf-System pumpt.

Alkoholfreies Bier – das Stigma

Das Problem bei alkoholfreiem Bier ist seine Stigmatisierung als uncooles Signature-Getränk von sich isotonisch ernährenden Sportskanonen. Wer alkoholfreies Bier sieht, denkt direkt an einen Werbespot, in dem sich ein hübscher Typ in enger Radlerhose und Dreitagebart gerade einen Schluck Gesundheit aus einer Flasche im Sonnenuntergang reinzieht. Das schmälert extrem den Coolness-Faktor von alkoholfreiem Bier und wenn du es trinkst, schmälert es in der Wahrnehmung deiner Freunde auch leider deinen Coolness-Faktor. Da solltest du dich aber entschieden dagegen wehren, denn es gibt tatsächlich leckere Sorten alkoholfreies Bier. Und wer eine Zeit lang nichts trinkt, hat halt irgendwann Bock auf den Geschmack von Bier.

Wenn du an der Bar ein alkoholfreies Bier bestellst, bekommst du vom Barpersonal nur einen genervten Blick und einen Seufzer zurück. Je cooler die Bar, desto länger braucht die Suche nach dem von dir bestellten Getränk. Wenn der Barkeeper dann irgendwo ganz hinten im Getränkelager fündig wird, reicht er dir mitleidig schauend die pisswarme, staubige Flasche einer Großbrauerei, deren normales Bier du nicht mal im Traum trinken würdest. Das alkoholfreie Bier heißt dann wie das Wort Spaß auf Englisch. Na dann, prost!

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