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„Ich höre Musik viel intensiver, wenn ich gekifft habe“

Foto: *pina / photocase.de; Bearbeitung: jetzt

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Zum Kiffen hat so ziemlich jede*r eine Meinung. In der öffentlichen Debatte darüber kommen die Konsument*innen aber am wenigsten zu Wort. Das sind in Deutschland rund 3,7 Millionen Menschen – und längst nicht alle kiffen aus medizinischen Gründen. Die Studentin Mia kifft seit sieben Jahren. Hier erzählt sie von ihrem Alltag mit Cannabis. 

Letztens war ich in einer Kunstausstellung im Museum. Eines der ausgestellten surrealistischen Bilder fesselte mich besonders, ich war unglaublich fasziniert von den Strichen und stand locker 30 Minuten davor. Ich muss auch ziemlich nah dran gestanden haben, weil ich irgendwann merkte, dass eine Frau von der Museumsaufsicht krass nervös wurde. Sie starrte mich von der Seite an, ich spürte ihre Blicke. Ich widerum starrte weiter das Bild an, keine 30cm vor der Leinwand stehend, weil mich der Pinselstrich des Malers so unglaublich faszinierte. Der war so fein und ich fragte mich, was das aussagte, warum der das so gemalt hatte und wie er das so verdammt dünn und sauber hinbekommen hatte. Das Bild ließ mich einfach nicht los. Ich hatte vor dem Museum aber auch einen fetten Joint geraucht.

Ausstellungen besuche ich am liebsten alleine und am liebsten bekifft. Ich kann mir so am ehesten mein eigenes Bild von der Kunst machen. Das hilft mir auch für mein Kunststudium. Natürlich gehe ich auch nüchtern in Ausstellungen, aber bekifft kann ich mich oft besser auf sie einlassen. Gras isoliert sozial, man ist alleine mit sich und seinen Gedanken. Das hilft dabei, sich auf Dinge ganz und gar einzulassen. Ich nehme mir durch das mediale Überangebot auf dem Smartphone eh viel weniger Zeit, mal bewusst Kunst zu konsumieren. Und weil Gras mich so entschleunigt, hilft es mir dabei, Kunst intensiver zu erleben.

Das ist nicht nur bei visueller Kunst so. Ich höre Musik viel intensiver, wenn ich gekifft habe. Klar, laute Musik wie Punk-Rock oder auch Techno, kann ich bekifft nicht hören. Dafür wäre mein vernebeltes Hirn viel zu langsam. Aber langsame Musik höre ich viel genauer, wenn ich geraucht habe. Ich spiele selbst Gitarre und wenn ich ein neues Riff lernen will, dann geht das am besten bekifft. Ich höre dann das Lied wieder und wieder und kann genau erkennen, welches Instrument welches ist. Die Musik lässt sich im bekifften Zustand viel besser in ihre Einzelheiten zerlegen: Hier ist die Bass-Line, hier kommen Streicher, hier wird die Gitarre anders gespielt als dort. Die Gitarrenakkorde höre ich high viel eher raus und kann sie viel besser nachspielen.

„So ein wenig Gras macht Kunst und Kultur für mich viel erlebbarer

 Auch Serien, in die man richtig einsinken muss, wie zum Beispiel „Game Of Thrones“, schaue ich bekifft viel lieber, weil ich sie dann besser verstehe. Der Schwebezustand, den Gras bei mir verursacht, hilft mir, richtig in so eine Serienwelt einzutauchen. Ich kann dann stundenlang da liegen und gucken – und natürlich ab und zu am Joint ziehen.

Wenn ich zu bekifft bin, dann höre ich natürlich weder Musik genau, noch kann ich dann Kunst interpretieren oder der Handlung einer Serie folgen. Dann bin ich einfach übertrieben high und kriege nichts mehr mit. Aber so ein wenig Gras macht Kunst und Kultur für mich viel erlebbarer, als ein nüchterner Zustand. Ich denke, dass es vielen Künstlerinnen und Künstlern auch so geht. Warum sonst gibt es denn so übertrieben viele Kifferfilme und Songs, in denen es um Gras geht?

Mia heißt nicht wirklich Mia, möchte aber  ihren richtigen Namen nicht im Internet lesen. Ihr wahrer Name ist der Redaktion bekannt. Für diese Kolumne treffen wir sie regelmäßig und sprechen mit ihr über ihr Leben als Kifferin.

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