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„Hast du mal versucht, gegen die Schmerzen anzukiffen?“

Foto: pischare / photocase.de; Bearbeitung: jetzt

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Zum Kiffen hat so ziemlich jede*r eine Meinung. In der öffentlichen Debatte darüber kommen die Konsument*innen aber am wenigsten zu Wort. Das sind in Deutschland rund 3,7 Millionen Menschen – und längst nicht alle kiffen aus medizinischen Gründen. Die Studentin Mia kifft seit sieben Jahren. Hier erzählt sie von ihrem Alltag mit Cannabis. 

Ich bekam meine Tage erst kurz vor meinem 16. Geburtstag. Ich machte mir schon Sorgen, dass sie gar nicht mehr kommen würden. Alle meine Freundinnen hatten sie schon, nur ich nicht. Als sie dann doch kamen, freute ich mich erst darüber, weil ich dachte: „Hey, endlich normal!“ Diese Freude währte aber nicht gerade lange. Schon am zweiten Tag waren die Schmerzen schlimm. Ich hatte Krämpfe im Unterbauch, mir war so übel wie noch nie zuvor und ich hatte Schmerzen in allen Gliedern.

An diesem Tag wollte ich nicht in die Schule, ich wollte nur mit einer Wärmflasche im Bett liegen. Aber meine Eltern ließen das nicht zu, sie sagten, ich müsse trotzdem in die Schule. Meine Mama gab mir eine Schmerztablette und sagte, ich solle es damit probieren. Das war richtig von ihr, sonst hätte ich es sicher nicht in die Schule geschafft. Aber seitdem heißt Periode für mich auch Schmerztablette.

Anfangs bekam ich meine Schmerzen mit Tabletten in den Griff. Wann immer meine Tage kamen, schluckte ich Ibuprofen wie Traubenzucker. Die Krämpfe und die Gliederschmerzen waren weg, auch die Übelkeit ließ sich viel besser aushalten. Ich verließ das Haus nicht mehr ohne einen Blister mit Tabletten in der Hosentasche, das gab mir Sicherheit. Ich fühlte mich gewappnet, weil ich wusste, dass ich für die Schmerzen ein Gegenmittel parat hatte. Aber jede Frau weiß, dass Schmerztabletten gegen Menstruationsbeschwerden nicht die Dauerlösung sind.

Mit Gras schaffe ich es während meiner Tage, meinen Alltag auf die Reihe zu kriegen

Nach einigen Monaten hatte mein Körper eine Toleranz entwickelt, sodass Ibuprofen nicht mehr wirkte. Auch nicht 800 Milligramm am Tag. Ich fing daher an, die Tabletten durchzuwechseln: mal eine Thomapyrin, mal eine Buscopan und mal eine Paracetamol. Aber nichts davon wirkte langfristig. Ich las mich deshalb zum Thema ein – und erfuhr von den krassen Nebenwirkungen. Da war alles dabei von Blutverdünnung bis Herzinfarkt und Leberversagen, da wusste ich, dass Schmerztabletten nicht so unbedenklich sind, wie ich vorher immer gedacht hatte. Tausend Mal hatte ich als Zwölfjährige in der Schule erklärt bekommen, wie schlimm zum Beispiel Heroin oder Kokain sind. Aber die Substanzen, die mir die Ärztin verschrieb und bei meine Eltern im Nachtkästchen lagen – darüber gab es nie Aufklärung. Seitdem bin ich Schmerztabletten gegenüber extrem skeptisch.

Mit Anfang 17 erzählte ich einer Freundin, nennen wir sie Anna, von meinen Menstruationsbeschwerden. Ich hatte meine Tage und in der Schule mal wieder drei Ibuprofen genommen und sie schlugen einfach nicht an. Nachmittags saß ich dann mit Anna im Park und wir rauchten einen Joint. Sie fragte mich: „Hast du mal versucht, aktiv gegen die Schmerzen anzukiffen?“ Auch sie hatte Beschwerden und während sie blutete, kiffte sie einfach non stop. Ich rauchte zu der Zeit zwar schon relativ viel, hatte aber nie daran gedacht, dass das gegen die Menstruationsschmerzen helfen könnte. 

Jetzt fing ich aber an, wie Anna gegen die Schmerzen zu kiffen. Es wirkte. Kiffen fährt alles in deinem Körper runter, auch Schmerzen und Übelkeit. Immer wenn ich meine Tage hatte, war ich bei Anna. Sie hatte zu dem Zeitpunkt schon mehr Erfahrung mit Gras als ich und hatte auch ständig was da. Nach der Schule trafen wir uns und gingen zu ihr nach Hause. Irgendwie hatten wir zu der Zeit auch oft gleichzeitig unsere Tage. Wir lagen in ihrem Bett, kifften, aßen Chips und guckten RTL, bis es wieder vorbei war.

Ich kiffe am meisten, wenn ich meine Tage habe. Das hat sich bis heute nicht geändert. Ich nehme deshalb kaum noch Schmerzmittel. Jeder Körper funktioniert anders, aber ich kann für mich sagen: Mit Gras schaffe ich es, während meiner Periode meinen Alltag halbwegs auf die Reihe zu kriegen. Natürlich ist es nicht die Lösung, sich immer zuzuknallen, wenn man Schmerzen hat. Aber momentan kann ich während meiner Tage nur mit Gras zur Uni und zur Arbeit. Zwar bin ich dann immer bekifft, aber auch nur so, dass ich noch was mitkriege. Die Schmerzen fände ich weniger erträglich, als ein bisschen zu high zu sein. Ich hoffe, dass sich das irgendwann ändert und ich auch während meiner Tage mal nüchtern sein kann.

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