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„Wie willst du Freunden helfen, wenn du breit bist?“

Foto: diesas / photocase.de; Bearbeitung: jetzt

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Zum Kiffen hat so ziemlich jede*r eine Meinung. In der öffentlichen Debatte darüber kommen die Konsument*innen aber am wenigsten zu Wort. Das sind in Deutschland rund 3,7 Millionen Menschen – und längst nicht alle kiffen aus medizinischen Gründen. Die Studentin Mia kifft seit sieben Jahren. Hier erzählt sie von ihrem Alltag mit Cannabis. 

„Viele meiner früheren Freundschaften entstanden nur wegen Gras. Kiffen hat uns verbunden, denn mit anderen Kiffern hatte ich immer ein Thema, über das ich reden konnte. Man ist sofort ‚partners in crime‘, im wahrsten Sinne. Jemanden mit einem Joint zu sehen, war für mich, als hätte dieser jemand ein Bandshirt von einer Band an, die ich liebte. Ich wusste, wir haben ziemlich sicher die gleiche Einstellung zum Leben: ‚Alles nicht so eng sehen, erst mal einen rauchen.‘

Noch heute ist es so, dass es für mich ein besonderer Moment ist, wenn ich mit jemand anderem einen rauche. Denn wir teilen etwas, das wir vor dem Rest der Welt verstecken müssen. Das unterscheidet Kifferfreundschaften auch zum Beispiel von Freundschaften, die aus Liebe zum gleichen Fußballverein entstanden sind: Wenn du Fußball-Fan bist, erzählst du das sofort. Du bist stolz auf dein Team, du trägst Klamotten mit dem Logo. Beim Kiffen bist du vorsichtiger. Du checkst erst mal ab, wie die andere Person so drauf ist, bevor du erzählst, womit du den Großteil deines Lebens verbringst. Du musst einander von Anfang an vertrauen. Nur ist das eben nicht alles, was in einer Freundschaft zählt.

Heute ist mir klar, dass es armselig war, dass ich meine Freundschaften in der Pubertät so sehr auf diese eine Sache reduziert habe. Ich muss einsehen, dass die Leute mich vor allem deshalb mochten, weil sie mit mir kiffen wollten. Oft interessierten sie sich nur für mein Gras und nicht für mich. Ich dachte, dass ich viel mehr gute Freunde hätte, als ich letztendlich hatte. Ich achte deshalb heute sehr genau darauf, wer mich wirklich mag und wer nur einen mit mir durchziehen will. Und während ich so darüber spreche, merke ich, dass die meisten meiner heutigen Freundschaften wenig mit Gras zu tun haben.

„Ich selbst habe wegen Gras schon Freunde verloren“

Das liegt daran, dass ich heute weiß, dass viele Kifferfreundschaften zerbrechen, weil man irgendwann merkt, dass es bis auf Gras absolut kein Thema gibt, über das man sprechen kann. Das ist dann wie im Film: Man sitzt zusammen, philosophiert über irgendeinen Quatsch und denkt, man hätte die Welt verstanden, viel besser als alle anderen. Klischeemäßiges Stonergequatsche. Aber bis man das begriffen hat, dauert es natürlich eine Zeit.

Irgendwann fängt man dann an, sich zu streiten, weil jeder immer denkt, dass er selbst das letzte Gras bezahlt hätte. Es ist schwierig, da den Ausgleich zu halten, weil kein Kiffer gut in Dingen wie Struktur oder Ordnung ist. Gerade weil man bekifft ist, ist man viel unvorsichtiger mit Geld und lädt Leute ein. Dann hat man am Ende des Monats keine Kohle mehr für was zu rauchen und ist sauer auf die Leute, die man eingeladen hat, obwohl die gar nichts dafür können.

Ich selbst habe wegen Gras schon Freunde verloren. Ich vergesse wegen des Kiffens, mich bei Leuten zu melden, oder ich bin lieber allein zu Hause, um zu rauchen. Trotzdem bin ich, glaube ich, eine gute Freundin. Meine besten Freunde sagen über mich, dass ich sehr empathisch bin. Das hat aber nichts mit dem Kiffen zu tun, so bin ich halt einfach.

„Im Endeffekt halten dir andere Kiffer mit ihren Problemen nur einen Spiegel vor“

Ich schätze es auch, wenn meine Freunde mir sagen, dass sie sich wegen meines Konsums Sorgen machen. Ich sehe das selbst nicht mehr klar, weil ich schon so lang rauche, deshalb ist das wichtig für meine Selbstreflexion. Wenn man süchtig ist, ist das unglaublich schwer. Meine Freunde sagen mir, wenn sie der Meinung sind, dass ich so viel kiffe, dass ich die Uni oder den Nebenjob nicht mehr auf die Reihe kriege. Sie wissen aber auch, dass sie mich niemals dazu bringen könnten aufzuhören. Deshalb versuchen sie es erst gar nicht.

Eine Freundschaft, die nur auf Kiffen basiert, ist meiner Meinung nach kaum aufrechtzuerhalten. Viele Probleme von Kiffern hängen mit der Droge zusammen: Sie sind vergesslich, unorganisiert und ständig im Stress, wenn sie mal nicht high sind. Freunde wollen sich helfen, aber wie willst du Freunden helfen, wenn du breit bist? Im Endeffekt halten dir andere Kiffer mit ihren Problemen nur einen Spiegel vor. Und das will ja niemand, der selbst Probleme hat und sie sich jeden Tag wegkifft.“

Mia heißt nicht wirklich Mia, möchte aber  ihren richtigen Namen nicht im Internet lesen. Ihr wahrer Name ist der Redaktion bekannt. Für diese Kolumne treffen wir sie regelmäßig und sprechen mit ihr über ihr Leben als Kifferin.

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