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„Ich war erst einmal zwei, drei Wochen offline“

Louisa Dellert folgen auf Instagram 466 000 Menschen. Sie teilt unter anderem Inhalte zu den Themen Nachhaltigkeit, Körpergefühl und Gleichberechtigung.
Foto: Laura Hoffmann; Bearbeitung: jetzt

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Es kann eine bewusste Provokation sein, ein missglücktes politisches Statement, ein Fehlverhalten. Manchmal reichen aber auch ein paar unbedachte Sätze. Shitstorms treffen oft Menschen, die es eigentlich gewohnt sind, in der Öffentlichkeit zu stehen und mit Gegenwind umzugehen. Aber nicht nur. Wie ist es, wenn man plötzlich zum Hass-Objekt wird? Und wie geht es weiter, wenn der Shitstorm vorbei ist? Das fragen wir in dieser Reihe eine ehemalige „Germany’s Next Topmodel“-Kandidatin, einen Metzger mit einer umstrittenen Werbestrategie und eine Nachhaltigkeits-Influencerin. 

Louisa Dellert, 31, ist hauptberufliche Influencerin und Betreiberin eines Online-Shops für nachhaltige Produkte. Auf Instagram folgen ihr 466 000 Menschen. Der Shitstorm kam, als sie ihre Follower*innen 2019 dazu aufrief, Geld für sie zu sammeln. Ihr Ziel war, mit dem Geld technisches Equipment und Reisekosten zu finanzieren. Bei einigen kam es jedoch so an, als wolle Louisa Dellert sich privat bereichern. Medien titelten „Influencerin fragt nach Spenden für BahnCard 100“ oder „Klamme Influencerin bittet Fans um Geld“. Und bei Louisa Dellert häuften sich die hämischen und beleidigenden Kommentare.

„In den USA machen es total viele Influencer*innen so, dass sie bei ihren Follower*innen um Spenden bitten. Dafür können sie dann Equipment und Reisekosten bezahlen und Inhalte produzieren. Dass es hier in Deutschland zu einem Shitstorm führen könnte, weil ich es genauso mache, habe ich zwar befürchtet. Aber dass es so schlimm werden könnte, daran dachte ich nicht.

Da Nachhaltigkeit und Klimaschutz für mich wichtige Themen sind, habe ich mir einen Kodex auferlegt. Ich lasse mich nicht von Firmen bezahlen und schalte keine Werbung. Auch ein Journalist wie Tilo Jung macht das seit Jahren so, er lässt sich von seinen Fans finanzieren. Bei Tilo scheint es in Ordnung zu sein. Bei mir nicht.

Den Aufruf zum Crowdfunding habe ich als Instagram-Story geschaltet. Ich wollte für ein politisches Format unabhängig von Firmen und Kooperationspartnern arbeiten können. Redaktion, Kamera- Crew, Reisekosten und so weiter. Und zuerst bekam ich dafür auch viel Zuspruch. Insgesamt kamen 9000 Euro dabei rum, von denen ich mir eine Bahncard 100 für meine Recherchereisen kaufen konnte. Einige Fans wollten mich also unterstützen. Aber irgendwann zog die Sache Kreise jenseits meiner Follower*innen. Zwei männliche Influencer-Kollegen machten sich darüber lustig. Schnell hieß es auch von anderen: Die will sich doch nur ein schönes Leben machen mit all dem Geld!

„Viele Leute fanden das lächerlich und dachten, ich würde mit dem Geld schön in den Urlaub fahren“

Es kamen Angriffe gegen meine Person. Viele Leute fanden das lächerlich und dachten, ich würde mit dem Geld schön in den Urlaub fahren. ,Du Influencer-Schmarotzerin!‘, schrieb mir einer. Oder: ,Verpiss dich aus Deutschland!‘ Dazu gab es üble sexistische Kommentare. Auch mein Freundeskreis bekam schlimme Nachrichten, mein Vater wurde darauf angesprochen. Es war nicht nur ein Shitstorm gegen mich, sondern gegen mein gesamtes Umfeld. Mir wurde das alles zu viel. Ich war erst einmal zwei, drei Wochen offline. Es sollte aber noch einige Zeit länger dauern, bis die Reaktionen nachlassen würden.

Heute verstehe ich, dass nicht ich persönlich angegriffen wurde, sondern dass die Tatsache, dass man Influencerin ist und Spenden für sich selbst sammelt, nicht gut ankommt. Den Spendenaufruf habe ich wenig später offline genommen, weil ich es nicht mehr ertragen konnte. Ich habe mich dem Druck gebeugt und wollte einfach, dass mich alle in Ruhe lassen.

Was ich aber auch sagen muss: Es kamen auch viele neue Menschen auf meinen Account. Plötzlich haben sich Leute für mich interessiert, die vielleicht nie auf mich aufmerksam geworden wären. Auch meine Kooperationspartner, die ich bis dahin hatte, sagten, dass sie meinen Aufruf total in Ordnung fanden.

Aber dieses Erlebnis werde ich jetzt wohl immer im Hinterkopf haben. Wenn es zu den kleinsten Anzeichen von Hass kommt, bin ich vorsichtig. Ich möchte mich nicht mehr so machtlos fühlen und nicht reagieren können. Ich zeige aus meinem Alltag nicht mehr so viel, wie ich es vorher gemacht habe. Vielleicht habe ich meine Leichtigkeit verloren.“

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