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Der Knigge für Kiffer ist da

Illustration: Julia Schubert

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Darf man die Bong des Gastgebers ungefragt anfassen? Haut immer der, der baut? Wie oft darf ich in Kifferrunden am Joint ziehen? Wer sich diese Fragen schon mal gestellt hat, sollte „Higher Etiquette“ von Lizzie Post lesen. Sie ist die Nachfahrin von Emily Post, die 1922 das nordamerikanische Äquivalent zu unserem Knigge geschrieben hat. Knapp 100 Jahre später kommt jetzt der Benimmratgeber für den Cannabiskonsum. Wir hatten da ein paar Fragen.

jetzt: Okay, Lizzie, starten wir vielleicht mal bei den Grundlagen: Wenn man trinkt, stößt man an und sagt „Prost oder sowas in der Richtung. Wie stößt man mit einem Joint an?

Lizzie Post: Also mit einem Joint wirklich anzustoßen wäre ziemlich albern. Aber man kann zum Beispiel vor dem Anzünden „Auf ein tolles High!“ sagen. Ist aber überhaupt kein Muss. Wichtiger ist, dass man vorher noch mal checkt, wer eigentlich derjenige sein sollte, der den Joint anzündet.

Und wer sollte das sein?

Wenn ich zum Beispiel auf einem Geburtstag einen Joint drehe, biete ich ihn auf jeden Fall erst mal dem Geburtstagskind an. Da geht es nicht nur um die „Ehre des ersten Zuges“, sondern der Anfang eines Joints ist sozusagen auch das Filetstück und besser als das Ende.

„Etiquette“ beziehungsweise „Knigge“ ist für viele ein Synonym für altbackene Benimmregeln, die auf den ersten Blick nicht unbedingt mit dem alternativen Lebensstil zusammenpassen, für den Cannabis steht. Was glaubst du, würde deine Ur-ur-Großmutter zu deinem Buch sagen?

Da kann ich natürlich nur spekulieren. Ihr ging es jedenfalls vor allem um ein respektvolles Miteinander und nicht darum, starre Regeln zu konservieren oder etwa irgendjemandem den Spaß zu verderben. Sie war zum Beispiel in den 20ern gegen die Prohibition. Ich glaube, sie würde ganz einfach anerkennen, dass Cannabis für viele Menschen heute ein wichtiger Teil ihres Alltags ist und sich Gedanken machen, wie man diesen Bereich so respektvoll und angenehm wie möglich für alle Beteiligten gestalten könnte.

Ich empfehle, auf keinen Fall auf einer Beerdigung „the giggles“ zu bekommen

Aber verträgt sich Gras wirklich mit Etikette? Alkohol macht eher laut und selbstbewusst, aber bekifft neigen manche ja zu sozialer Zurückhaltung und wollen einfach nur Tierdokus schauen.

Naja, zum einen kommt es darauf an, was genau man raucht. Und dann muss man auf jeden Fall unterscheiden zwischen vernünftigem, genussvollem Kiffen und „stoned“ sein. Bei letzterem kommt es natürlich vor, dass einem ganz normale soziale Interaktionen auf einmal extrem schwerfallen. Aber – und das kenne ich auch von mir selbst – die meisten Menschen werden unter dem Einfluss von Cannabis erstmal eher plauderhaft und finden es sogar besonders angenehm, bewusst, respekt- und rücksichtsvoll mit ihren Mitmenschen umzugehen. Das zeigt sich zum Beispiel in so traditionellen Kiffer-Konventionen wie einen Joint nicht zu lange zu behalten oder die ganze obere Lage eines Pfeifenkopfes nicht auf einmal zu rauchen.

Nagut, wir reden also vom sozialen Kiffertyp. Aber was macht der, wenn er einen schlimmen Kicheranfall bekommt?

Okay, also das … (kichert ausgiebig) ... also im Normalfall ist die beste Lösung, einfach zu sagen, was einem gerade durch den Kopf geht. „Sorry ich kann grade einfach nicht aufhören!” zum Beispiel. Im Idealfall versucht man, die anderen anzustecken. Wichtig ist aber, dass man in der richtigen Umgebung dafür ist. Ich empfehle, auf keinen Fall auf einer Beerdigung „the giggles“ zu bekommen.

Es gibt da diese Stelle in deinem Buch, an der du empfielst, bei Dinnerpartys, auf denen Joints herumgereicht werden, Wasserschälchen bereitzustellen. Hast du das in der Praxis schon mal gemacht?

Hab ich tatsächlich. Und ich finde diese Lösung eigentlich auch ziemlich elegant. Bei den Wasserschälchen trifft nämlich ein alte Konvention auf eine moderne Herausforderung: Es gilt schon lange als Tabu, bei Tisch zu spucken, in irgendeiner Form Speichel ins Spiel zu bringen, die Zunge rauszustrecken oder etwa mit dem Finger die Zunge zu berühren. Bei einem Dinner, bei dem Joints angeboten werden, lässt sich das aber kaum vermeiden: Zum einen leckt man ja das Pape beim Drehen ab. Und weil Joints oft ungleichmäßig abbrennen, befeuchtet man dann mit Speichel die Seite, die schneller brennt, um das zu vermeiden. Und mit Wasserschälchen umgeht man dieses ganze Spucke-Dilemma.

Ziemlich clevere Lösung.

Danke! Ich bin auch ein bisschen stolz auf die Idee. Zur Zeit meiner Ur-ur-Großmutter hat man übrigens auch solche Schälchen gereicht, um die Finger zu waschen, etwa nach Schalentieren. Aber so wie damals sind meine Schälchen vielleicht auch eher was für fortgeschrittene Gastgeber.

Ja, das klingt schon ziemlich fancy. In meiner Vorstellung laufen bei dieser Party auch Kellner in Fracks herum und bieten Hasch-Horsd’œuvres auf Silbertabletts an. Glaubst du, Gras schafft es mal wirklich so weit? Auf Staatsempfänge oder Erstkommunionsfeiern?

Ich hoffe sehr, dass dieser Tag kommt! Alkohol ist völlig selbstverständlich bei offiziellen Anlässen und es gibt keinen vernünftigen Grund, weshalb das nicht auch für Gras der Fall sein sollte. Es eignet sich sehr gut als Appetitanreger bei Diners und verstärkt generell einfach den Genuss. Ich glaube, dieser Tag liegt noch weit in der Zukunft, aber die Legalisierung in Kanada und einigen US-Staaten ist schon ein großer Schritt in diese Richtung. Wie ist denn eigentlich die Situation in Deutschland?

Naja, Kiffen ist nicht legal. Aber ich glaube, das stört die meisten, die kiffen wollen, nicht.

Okay. Na, vielleicht schwappt der Trend ja zu euch rüber. Wünsche ich euch jedenfalls!

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