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Frauen, setzt euch öfter ans Steuer!

Illustration: Julia Schubert

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Meine Freundin ist das, was man wohl eine starke Frau nennt. Sie hat sich alles in ihrem Leben selbst erkämpft, sich beruflich in einer Männerdomäne durchgesetzt und sich in einer weitgehend gleichberechtigten Beziehung eingerichtet. Sie besteht so beispielsweise auf geteilte Aufgaben im Haushalt und in der Kindererziehung, auf eines aber nicht: das Steuer beim Autofahren.

Dabei, und das will ich gleich klarstellen, liebt sie es, Auto zu fahren. Sie tut es alleine ständig und gut – zum Einkaufen, Arbeiten, Freunde treffen. Als ich sie zuletzt darauf ansprach, warum sie aber nie fährt, wenn ihr Mann dabei ist, sagte sie nur: „Naja, das ist irgendwie automatisch so. Hab ich noch nicht drüber nachgedacht.“

Und tatsächlich ist es ein Schauspiel, das sich mir ständig von Neuem darbietet: Schreiten Mann und Frau auf ein Auto zu, scheinen beide oft wie magisch angezogen. Der Mann von der Fahrer-, die Frau von der Beifahrerseite. Klar, es gibt Ausnahmen. Aber ich würde doch schätzen, dass in mindestens drei von vier Fällen ein Mann den Wagen fährt. Man braucht ja bloß auf den Straßen mal durch die Fenster des Gegenverkehrs zu gucken. Oder in die Werbung. Wenn Frauen darin am Steuer sitzen, sind sie meist unter sich. Ist ein Mann im Auto, fährt er in der Regel auch.

Aber warum eigentlich? Woher kommt es, dass die klassischen Rollenverteilungen nach Geschlecht in so vielen Bereichen der Gesellschaft gerade rasant aufgebrochen werden, man in Sachen Autofahren wie meine Freundin aber kaum einen Gedanken daran verschwendet?

Für viele kein Grund zur Aufregung. Trotzdem sollten sich Paare beim Fahren öfter abwechseln

Vermutlich, weil es grundsätzlich kein Drama ist. „Mei, dann fährt er halt wieder“, denken wir uns. Und tatsächlich ist es auf dem Beifahrersitz ja oft genug schon auch gemütlich. Da kann man essen und trinken und motzen und am Handy rumdaddeln, Leute mit hervorragendem Kreislauf und ruhigem Magen vielleicht sogar ein Buch lesen. Kein Grund zur Aufregung also. Ändern sollte es sich aber trotzdem.

Nicht nur, weil manche Männer, die ich dazu für diesen Artikel befragte, das Ganze mit ziemlich anti-feministischen Ansätzen erklärten. Sie meinten zum Teil, die Frauen wollten sich auf der Fahrt eben öfter mal noch nachschminken, müssten nach hinten auf die Kinder achten oder führen geschlechtsbedingt einfach schlechter als ihre Partner.

Frauen sollten auch deshalb öfter das Lenkrad übernehmen, weil dieses „kutschiert werden“ und sich (meinetwegen auch freiwillig) rumfahren lassen, ja tatsächlich etwas furchtbar Passives an sich hat. Und das drückt zurück in alte Rollenmuster. Mindestens symbolisch hängt da was schief: Würde man sich heterosexuelle Paarbeziehungen nur innerhalb eines Autos ansehen, käme man schließlich zwangsläufig zu dem Schluss, dass Männer wortwörtlich am Steuer sitzen. Dass sie die Verantwortung tragen – vermutlich nicht nur im Straßenverkehr, sondern auch ganz generell. Dabei ist diese Vorstellung und Realität doch schon längst überholt.

„Mein Auto fahre ich, dein Auto fährst du“

Noch dazu glaube ich auch nicht, dass wirklich alle happy mit dieser Lösung sind. Während viele Frauen sicher auch oft Lust hätten, zu fahren, oder sich zumindest nicht daran stören würden, sind Männer zum Teil strapaziert davon, den Transport immer regeln zu müssen. Aber viele kommen eben schon gar nicht mehr darauf, eine Änderung vorzuschlagen. Es hat sich inzwischen schließlich schon so eingespielt und manifestiert, weil: immer so gelaufen.

Dabei müsste so ein Abwechseln doch eigentlich für jeden Vorteile haben, oder? Mal abgesehen von Fällen, in denen die Frau wirklich null Lust darauf hat, zu fahren, der Mann aber eben schon – da will ich nichts gesagt haben.

Wie auch immer man dieses Wechselmodell dann für sich als Paar lösen will, bleibt ja allen selbst überlassen. Meine Mutter beispielsweise geht nach der Regel „Mein Auto fahre ich, dein Auto fährst du“. Und das funktioniert dann ebenso gut wie die Methode eines befreundeten Paares, das sich einfach nach Lust, Verfassung und Laune abwechselt. Jeder darf mal steuern, jeder darf mal entspannen. Klingt für mich fair. Fairer jedenfalls, als wenn meine Freundin, von der ich anfangs erzählte, nur in dieser einen Ausnahme ans Steuer soll: Wenn sie mit ihrem Mann auf einer Party ist – und einer von beiden nüchtern bleiben muss.

Am allereinfachsten wird das Ganze aber natürlich dann, wenn sowieso beide keine Lust aufs Autofahren haben und sie ihr Wohnort auch nicht dazu zwingt. In Bus, Zug und auf dem Fahrrad sollte es solche Diskussion jedenfalls nicht geben – und die Umwelt hätte auch was davon.

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