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Warum Victoria's Secret keine Plus-Size-Models zeigt

Foto: afp / Timothy A. Clary

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Wenn die Kostüme wieder extravagant, die erste Reihe mit Stars und Sternchen bestückt und Models wieder besonders schlank sind, dann ist „Victoria’s Secret“-Show-Zeit. Seit Gründung der Unterwäsche-Marke in den Siebzigern sind die Shows (Paraden trifft es beinahe besser), bei welchen regelmäßig stolz die neuen Kollektionen präsentiert werden, zu international beachteten Happenings avanciert. In den letzten Jahren interessiert das aber nicht nur die Boulevardpresse, sondern ruft mitunter auch Kritiker auf den Plan. Und stoßen im Jahr 2018 in Zeiten von #MeToo und Body-Positivity-Bewegungen endlich auf mehr Resonanz.

Victoria’s Secret (VS) steckt in der Krise. Die Zahlen sind seit Jahren rückläufig. Trotz florierender US-Wirtschaft ging der Umsatz im zweiten Quartal von 2018 weiter zurück. Besonders bei Frauen zwischen 18 und 49 Jahren hat die Marke an Ansehen eingebüßt. Das geht aus einer Umfrage der Marktforschungsfirma YouGov hervor. Immer wieder großer Kritikpunkt: Die Victoria’s-Secret-Models sind alle sehr dünn und weiß, Plus-Size- oder Transgender-Models kommen dort nicht auf den Laufsteg. Von 19 neuen Gesichtern die dieses Jahr neu dazugekommen sind, erreicht keines auch nur annähernd Plus-Size-Maße - dafür waren immerhin mehr farbige Models dabei.

„Niemand hatte daran Interesse. Hat immer noch niemand“.

Warum Plus Size bei ihnen nicht vorkommt, hat jetzt Ed Razek, Marketing-Chef des Mutterkonzerns von VS, im Interview mit der Vogue verraten - und dabei wenig Sympathien gewonnen. Razek versicherte zunächst, der Konzern habe schon häufiger mit der Idee gespielt, die Shows etwas diverser zu gestalten: „Wenn Sie fragen, ob wir schon einmal in Erwägung gezogen haben, Plus-Size – oder Transgender-Models in die Shows zu integrieren, das haben wir.” Fuhr aber damit fort, dass beispielsweise der Versuch, um 2000 rum eine spezielle Plus-Size-Fernsehshow zu starten, nicht von Erfolg gekrönt war: „Niemand hatte daran Interesse. Hat immer noch niemand.“

Im Interview wurde er auch auf Instagram angesprochen. Ein unverzichtbares Marketinginstrument und Spiegel sozialer Vorlieben junger Menschen. #MeToo hätte ohne die soziale Plattform deutlich weniger Ausschlagkraft gehabt. Und auch die Body-Positivity-Bewegung verbreitet sich vornehmlich über die App. Ed Razek hingegen reagiert genervt: Er selbst hätte seit einiger Zeit kein Instagram mehr, der Hass und die Kritik die einem (er spricht auch von sich selbst) auf der sozialen Plattform entgegengebracht werde, sei nicht tragbar. Genauso wie die Forderungen an die Marke.

„Solltet ihr keine Transsexuellen in der Show haben? Nein, ich glaube nicht, dass wir das sollten“ erklärt Razek. „Warum nicht? Weil die Show eine Fantasie ist. Ein 42-minütiges Unterhaltungs-Spektakel. Darum nicht.” Damit impliziert er, dass er der Meinung ist, diese Fantasie könnte durch transsexuelle Models zerstört werden. Eine traurige Einstellung, die von veralteten Schönheitsidealen zeugt und stark an die Aussagen des ehemaligen Chefs von Abercrombie & Fitch, Mike Jeffries, erinnert. Der wollte nicht, dass „fette oder nicht so coole“ Menschen seine Kleidung tragen. Abercrombie & Fitch kam das damals teuer zu stehen. Nicht lange nach viral werden der Aussagen (die von 2006 sind aber erst 2013 öffentliches Aufsehen erregten) nahm Jeffries seinen Hut. Der Konzern selbst kam nie aus der Krise. Die Zahlen sinken seit vier Jahren.

Auch im Rest des Interviews, das er zusammen mit Monica Mitro, Vize Präsident der Presseabteilung von Victoria’s Secret, gibt, wirkt Razek nicht gerade zugänglicher. Oder generell sympathisch. Er schwafelt von Models, die sich nicht dafür entschuldigen sollten, dass sie so „in Form“ sind - womit er passgenau am Punkt vieler Kritiker vorbeiargumentiert. Die fordern ja nicht, dass dünne Models nun auf einmal zulegen sollten, sondern dass auch andere Figurentypen von vorneherein in die Show mit einbezogen werden. Auch findet er, die ganze tolle, soziale Arbeit von Victoria’s Secret bekäme nicht genug Beachtung.

Mal abgesehen von unvorteilhafter Öffentlichkeitsarbeit plagt VS auch noch etwas anderes: Der zunehmende Druck der Konkurrenz. War die Unterwäsche-Marke lange Zeit die unangefochtene Nummer Eins auf dem Markt, sieht es inzwischen so aus, als könnte dieser Rang auf kurz oder lang verloren gehen. Momentan steht nämlich ein anderes Unternehmen auf der Sonnenseite der Branche. Aerie, eine Untermarke von American Eagle Outfitters, holt mit großen Schritten auf. Nicht zuletzt dank einer Kampagne die Models mit Behinderungen featured und unretouchierten Fotos.

Die  „Model Alliance“, eine Gewerkschaft die sich für Rechte der Menschen in der Mode-Industrie einsetzt, hat sich nach den Vorfällen zu Wort gemeldet:

Man sei enttäuscht von dem durch solche Kommentare hervorgerufenen, feindseligen Arbeitsklima in der Branche und rufe VS dazu auf, dem Respect-Programm beizutreten. Das Programm setzt sich dafür ein, dass im Job alle mit Achtung und Respekt behandelt werden, ganz gleich welche Hautfarbe und welche Körpermaße man hat und wie man sich mit seinem Geschlecht identifiziert. Auch das transsexuelle Supermodel Andreja Pejić äußerte auf Instagram Befremden zu Razeks Ansichten.

Tatsächlich scheint ein Teil dieser Message auch bei Victoria's Secret angekommen zu sein. Dort veröffentlichte man einen Tag nach Erscheinen des Interviews ein neues Statement von Razek - eine Entschuldigung. Ob 2019 nun andere Modeltypen bei der Show mitlaufen dürfen, bleibt abzuwarten.

schja

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