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„Ich fühlte mich hässlich und wollte mich verstecken“

Illustration: Julia Schubert

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Es gab Tage, an denen ging Markus durch die Hölle. Seine Haut war entzündet und blutete, sein Gesicht tat weh und war heiß. Er erfand Ausreden, um Verabredungen abzusagen, und verschanzte sich in seinem Zimmer. „Wenn ich vor dem Spiegel stand, sah ich nur noch meine schlechte Haut“, sagt der heute 22-Jährige. „Die Situation belastete mich extrem.“ Markus litt an Akne, einer entzündlichen Erkrankung der Haut, die vor allem in der Pubertät auftritt. Als er mit zwölf erstmals Hautprobleme bekam, machte er sich deswegen noch keine Sorgen, in dem Alter sind hormonell bedingte Pickel schließlich normal. Zwei Jahre später wurde es schlimmer.

Dass Akne vor allem im jugendlichen Alter auftritt, liegt daran, dass der Körper in der Pubertät verstärkt Androgene, also männliche Geschlechtshormone, produziert. Die wiederum kurbeln die Talgproduktion an, wodurch es zu Entzündungen der Haut kommen kann. Mehr als die Hälfte aller Fälle von Akne im Jugendalter verlaufen mild, meistens bildet sie sich bis zum 25. Lebensjahr zurück. Auch andere Faktoren wie Vererbung können eine Rolle bei der Entstehung von Akne spielen, und auch im Erwachsenenalter kann sie erstmals auftreten. Die Ursachen hierfür sind noch nicht endgültig erforscht, die Symptome sind meistens nur leicht bis mittelschwer.

Laut Statistiken erkranken über 80 Prozent der Deutschen mindestens einmal im Laufe ihres Lebens an der ein oder anderen Form von Akne. Trotzdem ist sie eine der Hautkrankheiten mit der höchsten Stigmatisierungsrate, sagt Markus Reinholz. Der 33-Jährige ist Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten an der Klinik der LMU München. „Bei Hautkrankheiten wie Akne ist die psychische Belastung extrem hoch“, erklärt er. „Denn sie tauchen an Körperstellen auf, die für alle sichtbar sind.“

„Eineinhalb Jahre lang verzichtete Markus auf Milchprodukte, Fleisch und Zucker. Es half nicht“

Im Laufe der Jahre war Markus bei insgesamt fünf Hautärzt*innen. Eine riet ihm, seine Ernährung umzustellen. Eineinhalb Jahre lang verzichtete er auf Milchprodukte, Fleisch und Zucker. Geholfen hat das nicht. Mit 19 wurde Markus von einer anderen Hautärztin ein Medikament mit dem Wirkstoff Isotretinoin verschrieben, der als besonders erfolgreich in der Akne-Therapie gilt. Bei Patient*innen kann er Nebenwirkungen wie trockene Haut, Gelenkschmerzen, eine Veränderung der Leberwerte oder depressive Verstimmungen hervorrufen.

„Das Medikament wurde mir so spät verschrieben, weil meine Hautärzt*innen es wegen der starken Nebenwirkungen vermeiden wollten“, erzählt Markus. „Ich musste mir währenddessen einmal monatlich Blut abnehmen lassen, weil die Tabletten so schlecht für die Leber sind.“ Er bekam trockene Haut, Augen und Lippen, und ihm fielen Haare aus. Aber: Zwei Wochen, nachdem er mit der Einnahme begann, war seine Haut wieder rein – und das ist sie bis heute.

Laut Reinholz kommt es häufig vor, dass bei Akne zuerst nicht die richtige Behandlungsmethode gefunden wird. Er rät davon ab, zu lange auf eine medikamentöse Therapie zu verzichten. „Bestimmte Präparate können zwar zu Nebenwirkungen wie einer Veränderung der Leberwerte oder der Muskeln führen“, sagt er. „Bleibt Akne aber zu lange unbehandelt, kommt es zur Narbenbildung.“

Auch Markus findet, dass man bei ihm früher zu einer stärkeren Behandlungsmethode hätte greifen sollen. Stattdessen wurde ihm unter anderem geraten, täglich seine Bettwäsche zu wechseln und sein Gesicht öfter zu waschen, um die Vermehrung von Bakterien auf der Haut zu vermeiden. „Hautärzt*innen hielten meine Akne für ein pubertäres Hygieneproblem“, sagt Markus. „Dabei war es offensichtlich, dass sie genetisch bedingt war – schließlich litt meine ganze Familie daran. Hautärzt*innen fehlt oft das Bewusstsein für die individuelle Situation der Betroffenen. Das ist frustrierend.“

„Alles schmerzte und war heiß“

So empfindet das auch Lisa. Sie leidet am sogenannten PCO-Syndrom, einer Hormonstörung, die dazu führt, dass männliche Hormone im Körper von betroffenen Frauen überproduziert werden. Dadurch kann es unter anderem zu vermehrtem Haarwuchs und Akne kommen. Lisa war zwölf, als bei ihr erstmals Pickel auftraten. Um ihren Hormonhaushalt auszugleichen, wurde ihr mit 15 die Anti-Baby-Pille verschrieben, und die Hautprobleme verschwanden – bis sie die Pille mit 19 absetzte.

Reinholz erklärt, dass der durch die Pille stabilisierte Hormonhaushalt wieder aus dem Takt geraten kann, sobald sie abgesetzt wird. Vor allem bei Frauen, die am PCO-Syndrom leiden, sei das oft der Fall. So auch bei Lisa. „Ich bekam Entzündungen im Gesicht, die teilweise bluteten“, erzählt sie. „Alles schmerzte und war heiß.“ Um Lisas Haut zu retten, wurde ihr wieder die Pille verschrieben. Das machte die Akne aber nur noch schlimmer. 

Wie Markus ging auch Lisa zu verschiedenen Hautärzt*innen, fühlte sich dort aber schlecht aufgehoben. Eine Ärztin riet ihr, die betroffenen Stellen mit Alkohol zu desinfizieren. Das trocknete die Haut aus, half aber nicht. Ein anderer Arzt mischte ihr eine Creme an, von der sie nur Ausschlag bekam. Nachdem alle ärztlich verordneten Behandlungsmethoden nicht halfen, beschloss Lisa auf eigene Faust, die Pille abzusetzen. Ihre Haut verbesserte sich endlich. 

Woran es lag, dass die Pille Lisas Akne verstärkte, kann ihr aktueller Hautarzt ihr nicht sagen. „Die Pille brachte meinen Körper total durcheinander“, vermutet Lisa. „Nachdem ich sie absetzte, regenerierte er sich.“ Lisa ist jetzt 22 und hat keine Hautprobleme mehr. Es könnte zwar wieder zum Ausbruch ihrer Akne kommen, ihr Hautarzt meint aber, dass ihr Hormonhaushalt durch Sport und eine ausgewogene Ernährung stabilisiert bleiben kann.

Schminke machte das zwar optisch besser, half Lisa aber psychisch nicht

Auch Lisa erzählt, dass die Akne sie extrem belastete. Sobald sie auch nur einen Muskel in ihrem Gesicht bewegte, schmerzte und brannte ihre Haut. Schminke machte das zwar optisch besser, half ihr aber psychisch nicht. „Psychisch war ich am Ende“, sagt sie. „Ich fühlte mich hässlich und wollte mich verstecken.“ Als Studentin hatte sie zwar die Freiheit, an Tagen, an denen ihre Haut besonders schlecht war, nicht in die Uni zu gehen. Musste sie dann aber zu ihrem Nebenjob in einer Kanzlei, fühlte sie sich extrem unwohl: „Die Arbeit war an solchen Tagen schrecklich. Ich saß dort und dachte nur: ,Ich will nicht hier sein.’“

Lisas Umfeld versuchte, Verständnis für ihre Situation zu zeigen – sie hatte aber das Gefühl, dass ihre Freund*innen nicht nachvollziehen konnten, dass es ihr wegen der Akne so schlecht ging. Erzählte sie ihnen davon, hatte Lisa das Gefühl, das Ausmaß der Akne wurde kleingeredet. „Alle sagten nur: ,Das sind doch nur Pickel, das geht vorbei’“, erinnert sie sich. „Das ist nett gemeint, stimmt aber leider nicht.“

„Wer das nicht selbst erlebt hat, kann das wahrscheinlich nicht verstehen“, sagt Markus dazu. Denn auch seiner Erfahrung nach ist die psychische Belastung bei Akne für Menschen, die noch nicht davon betroffen waren, schwer nachzuvollziehen. Deswegen, findet Lisa, sollten Menschen besser für Hautkrankheiten sensibilisiert werden. „Der Leidensdruck bei Hautkrankheiten ist extrem hoch“, sagt sie. „Und dieses Bewusstsein fehlt meiner Meinung nach.“

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