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Es ist toll, den „Game of Thrones“-Hype an sich vorbeiziehen zu lassen

Illustration: Julia Schubert

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Ich lasse mich fast immer von Serien-Hypes beeinflussen. Wenn alle ständig über „Breaking Bad“, „Orange is the New Black“ oder „Queer Eye“ sprechen, dann kommt unweigerlich der Punkt, an dem ich die erste Folge anschaue und dann hängenbleibe. Die Masse hat ja längst nicht immer Recht, aber in Sachen Serien vertraue ich auf sie. Lasse mich von ihr einsaugen, spreche mit den Menschen in ihr darüber, wie toll unsere gemeinsame Serie ist, und kommuniziere das auch aus der Masse heraus an andere Menschen, auf dass auch sie eingesogen werden. Ich mag Serien-Hypes und ich will ein Teil davon sein.

Außer bei „Game of Thrones“. Das habe ich trotz aller Aufregung nie angefangen und beabsichtige auch nicht, das zu tun. Und darum werde ich ab Mitte April ein paar herrlich ruhige Wochen haben, auf die ich mich jetzt schon freue.

GoT ist wie ein Mann, der mich sehr aktiv anflirtet, aber einfach nicht mein Typ ist

Ich weiß gar nicht, wieso das passiert ist, aber GoT (wie Fans schreiben) war mir von Anfang an egal. Und es ist mir bis heute egal. Ich betreibe keinen bewussten GoT-Boykott, ich habe schlicht keine Gefühle gegenüber dieser Serie. Bei keinem Gespräch, das seit 2011 (!) über GoT geführt wurde, bei keiner der unendlich vielen popkulturellen Anspielungen und Satire-Videos und keinem der beinahe 50 Emmys, die die Serie bisher bekommen hat, habe ich jemals dieses Zucken in den Fingern und den Augenlidern gespürt, das mir signalisiert hat: „Du musst das sofort anschauen! Sonst wirst du es bereuen!“ Vielleicht liegt es an der Männer-mit-Schwertern-Frauen-mit-wallendem-Haar-Drachen-Muskeln-Pferde-Ästhetik – ich bin insgesamt nicht so der Fantasy-Liebhaber. Andererseits kriegt mich das Genre immer dann, wenn es wirklich episch wird. Als Teenagerin habe ich zum Beispiel die „Herr der Ringe“-Bücher verschlungen und die Filme gleich hinterher. Und episch ist GoT ja anscheinend auch. Trotzdem: keine Regung. Als wäre GoT ein Mann, der mich sehr aktiv anflirtet und dabei auch wirklich nett und klug und gutaussehend ist – aber aus einem Grund, den ich selbst nicht recht benennen kann, ist er einfach nicht mein Typ. Sorry.

Das bedeutet, dass ich mich ab dem 14. April, wenn die achte und letzte Staffel startet, entspannt zurücklehnen und das Gefühl genießen kann, ein paar Wochen Hype einfach an mir vorbeiziehen zu lassen. Das wird für mich wie das (nicht mehr existente) mediale Sommerloch sein.

In dieser Zeit wird kein anderer Serien-Hype aufkommen, dem ich mich anschließen muss. Denn da wären die Produzenten ja schön dumm, wenn sie was großes Neues veröffentlichen, während GoT läuft. Meine News-Feeds werden voller GoT-Recaps, Filmchen und Artikel sein, über die ich einfach hinwegscrollen kann, als wären sie eine ausgebüxte Kuh im Juli oder ein Problembär im August. Ich weiß ja schon, dass sie mich nicht interessieren und ich auch nicht verpflichtet bin, mich dafür zu interessieren. Nicht mal als Journalistin, es gibt ja genug andere, die das übernehmen. Auch die Memes und Gifs kann ich einfach ignorieren. Sie sind Insider-Witze, die ich nicht verstehe, und obwohl mich das normalerweise rasend machen müsste (eigentlich ist doch nichts schlimmer, als nicht zu verstehen, warum alle anderen lachen bzw. das Lach-Emoji anklicken oder posten!), werde ich einfach nur mit den Schultern zucken und mir was anderes zum Lachen suchen.

Das Hype-vorbeiziehen-Lassen ist eine gute Übung in Gelassenheit und kurzfristigem Einsiedlertum

Trotzdem werde ich in dieser Zeit nicht vereinsamen und alle meine Freunde verlieren. Darum ist das Hype-vorbeiziehen-Lassen so eine gute Übung in Gelassenheit und selbstgewähltem, kurzfristigem Einsiedlertum. Macht ihr mal, ich mache derweil was anderes, und wir reden wieder, wenn ich auch was dazu zu sagen habe. Das kann sogar abends in der Bar passieren. Wenn plötzlich einer von GoT anfängt und dann alle am Tisch drüber reden, werde ich schweigen und denken: Macht ihr mal, wir reden wieder, wenn ich auch was dazu zu sagen habe. So gewinne ich fünf Minuten stille Kontemplation und niemand wird es mir übelnehmen, dass ich nichts zum Thema beigetragen habe. Es ging ja nicht um die Flüchtlingspolitik oder den Klimawandel, es ging bloß um GoT.

Ich empfehle jedem, sich etwas in seiner Peergroup extrem Gehyptes zu suchen, das er egal genug findet, um sich einfach überhaupt gar nicht damit zu beschäftigen. Und dann jene Momente zu genießen, in denen es für andere extrem wichtig wird. Denn diese Momente bedeuten: Jetzt kannst du abschalten. In dich gehen. An was ganz anderes denken. Und musst dabei keine Angst haben, irgendwas Essentielles zu verpassen.

Manchmal, ganz, ganz selten, blitzen vor meinem inneren Auge die Vorteile auf, die es hätte, wenn ich jetzt doch noch mit GoT anfinge. Zum Beispiel hätte ich inklusive der kommenden Staffel mehr als 70 Episoden, die ich anschauen könnte. Das wäre toll. Denn eine Serie anfangen und wissen, dass da noch sehr viel Material vor einem liegt und die Figuren einen noch sehr lange begleiten werden, wenn man das will (wobei ich aus dem Grundrauschen zu GoT herausgehört habe, dass ständig alle Hauptfiguren sterben), ist ein schönes Gefühl. Und außerdem mag ich die Titelmelodie und die würde ich dann vielleicht auch mit schönen Gefühlen verbinden. Mit diesem Jon-Snow-Typen und seinen Drachen und mit der Frau mit den Wallehaaren und dem Schnee und so. Aber dann spüre ich in meine Finger und meine Augenlider hinein und merke: keine Regung. Einfach nicht mein Typ, dieses GoT. Macht ihr mal. Ich mache derweil was anderes.

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