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Wir brauchen mehr echte Frauenfreundschaften auf dem Bildschirm

Foto: Francois Duhamel / AP, Netflix; Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

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Ohne Frauenfreundschaften, wäre mein Leben leer und ich nicht die Person, die ich bin. Natürlich habe ich auch enge männliche Freunde, die ich ebenso schätze und nicht missen will, aber meine Freundschaften zu Frauen funktionieren doch etwas anders. Sie sind ein Ort der Bestärkung, der Freude, der Trauer, der Wut, des Rückzugs, der Entspannung und Ideenschmieden. Die Bündnisse zu meinen Freundinnen helfen mir, mich als Frau – spezifisch als migrantische Frau – halbwegs unbeschadet durch diese Gesellschaft zu navigieren.

Nicht immer habe ich Frauenfreundschaften derart geschätzt, ist es doch gängige Praxis, Rivalitäten zwischen Frauen anzuheizen. Es beginnt schon in der Kindheit und zieht sich bis ins Erwachsenenalter, dass Mädchen und Frauen impliziert wird, andere Geschlechtsgenossinen als Rivalinnen zu sehen. Frauen, die gegeneinander ausgespielt werden, sind durch die Kämpfe untereinander derart „abgelenkt“, dass sie den Fokus auf den eigentlich unterdrückenden Mechanismus, das Patriarchat, verlieren. Ähnlich verhält es sich mit anderen marginalisierten Gruppen, denen suggeriert wird, dass es immer nur einen Platz am Tisch gäbe, den man sich erkämpfen muss. Dabei darf nicht vergessen werden, dass Konkurrenzverhältnisse systemerhaltend sind. 

Ich will gar nicht abstreiten, dass die Rivalitäten zwischen Frauen existieren

Weibliche Rivalität beschränkt sich nicht auf einen Lebensbereich, wie beispielsweise den Arbeitsplatz. Medial wird sie zur Unterhaltung stilisiert, vor allem in Dating-Shows, die es zum Konzept haben, dass viele Frauen um die Aufmerksamkeit eines Mannes buhlen wie bei „Der Bachelor“, „Bachelor in Paradise“ und weiteren Spin-Offs. Wir kennen das Phänomen aber auch von anderen Reality-Formaten, in denen Frauen den Großteil des Casts ausmachen. Sendungen wie „Germany’s Next Topmodel“ oder „Real Housewives“ sind vielleicht nicht primär auf Streitereien ausgelegt, aber leben vom Drama des „Cat Fights“. In der Forschung wird diskutiert, inwieweit Reality-TV rassistische und sexistische Stereotype manifestiert, aber das ist ein Thema für sich.

Ich will gar nicht abstreiten, dass diese Rivalitäten existieren und mitunter selbst von Frauen vorangetrieben werden. Diese Verhaltensmuster sind internalisierte Misogynie. Ähnlich wie Frauen, die sich damit brüsten eher ein Jungs-Typ oder gar „völlig anders als andere Frauen zu sein“, geht es darum, sich vermeintlich abzuheben.

Männer sind in der Darstellung ihrer Freundschaften viel weiter: „Buddy Movies“ bilden ein gesamtes Genre, in dem sich fast ausschließlich Männer, meistens als Duo, auf eine Reise oder ein Abenteuer begeben und zum Ende des Films ihre Freundschaft entwickelt oder vertieft haben. Gemeinsam sind sie unterwegs in Autos, auf Pferden, in Vans, in Flugzeugen, in Taxen, durch die Stadt, das Dorf, die Wüste, den Dschungel und in jeglicher Zeitepoche. Die Variationen des Genres sind so endlos wie die Mittelmäßigkeit, die viele dieser Filme ausmacht.

Das Vorgehen, ein „Männerding“ zu nehmen und einfach „Frau“ draufzuklatschen, kann nicht funktionieren

Diese Kolumne plädiert allerdings dagegen, existierende Konzepte zu übernehmen und die Männer einfach durch Frauen auszutauschen. Das wäre faul und einfallslos und würde Vielfältigkeit von Frauenfreundschaften in ihren verschiedenen Facetten nicht gerecht werden. Weibliche Lebensrealitäten haben es verdient, mehrdimensional gezeigt zu werden. Das Vorgehen, ein „Männerding“ zu nehmen und einfach „Frau“ draufzuklatschen, kann deshalb nicht funktionieren.

Die Darstellung weiblicher Freundschaft ist nicht so ausgereift wie die männlichen Pendants, aber ein Blick in die Vergangenheit zeigt auch einige Positivbeispiele. Ich erinnere mich an „Clueless“, „Plötzlich Prinzessin“, „Girls United“ und den Britney Spears-Film „Not A Girl“. Die haben vielleicht ein paar Macken, aber man konnte auch einiges über Freundschaft und Zusammenhalt lernen.

In den vergangenen Jahren bin ich immer mehr auf fortschrittliche Darstellungen gestoßen, sei es auf dem kleinen oder dem großen Bildschirm. Allen voran geht meiner Meinung nach die Animationsserie „Tuca & Bertie“. Das Frausein und Frauenfreundschaften werden dort so verhandelt, wie ich es vorher noch nie gesehen habe und lustigerweise sind die beiden Protagonistinnen nicht mal als Frauen, sondern als Vögel dargestellt. Die Hauptfiguren werden von Tiffany Haddish, Ali Wong und Steven Yeun und somit einer Schwarzen und zwei Asian-American Schauspieler*innen gesprochen. Die ganze Sache ist ziemlich bahnbrechend. Umso trauriger, war ich, als Netflix diese Serie nach nur einer Staffel abgesetzt hat. Glücklicherweise hat ein anderer Sender „Tuca & Bertie“ gerettet. Wenn wir es durch dieses eher holprige Jahr schaffen, werden wir am Ende mit einer zweiten Staffel belohnt.

„Book Smart“ ist ein schöner Coming-of-Age-Film, der die Freundschaft zweier High School-Absolventinnen verhandelt. Die Komödie von Olivia Wilde dreht sich um die Freundinnen Amy und Molly, die zwar erfolgreiche Schülerinnen waren, aber aufgrund ihrer Strebsamkeit ziemlich wenig Aufregendes erlebt haben. In der Nacht vor ihrem Abschluss wollen sie das aufholen.

Die Rezeption des Filmes war mitunter getränkt von Sexismus und Doppelmoral. Statt den Film als High-School-Comedy mit zwei Protagonistinnen zu bezeichnen, wurde Book Smart oft als „Superbad mit Mädchen“ tituliert, also einfach einer weiblichen Version eines Films mit gleichem Setting. Es zeigte, wie sehr männliche Narrative als Standard gelten und wie wenig man bereit war, der Darstellung junger weiblicher Lebensrealitäten eine gewisse Notwendigkeit zuzusprechen. Warum wurde gefragt, ob man einen angeblichen „Superbad“-Abklatsch in weiblich bräuchte, wenn sich kaum wer daran stört, wenn weiterhin massig Buddy-Filme produziert  werden? Doppelmoral, eben.

Es gibt mir ein gutes Gefühl, wenn ich an kluge Darstellungen von Frauenfreundschaften denke

Meine letzte Empfehlung: „Dollface“, eine Serie des amerikanischen Streaming-Anbieters Hulu. Es geht um Jules, die wieder Kontakt zu ihren Freundinnen sucht, nachdem sie sie über eine langjährige Beziehung komplett vernachlässigt hat. Ich habe es selbst erlebt, wenn Menschen, vor allem Frauen, ihre Freundschaften zugunsten der Beziehung aufgeben und nach der Trennung dann ganz allein dastehen. Die Show geht auf das Spannungsverhältnis zwischen der Hauptfigur und ihren Freundinnen ein, die sie zwar vermisst haben, sich aber ebenso enttäuscht zeigen, erst nach der Trennung wieder relevant geworden zu sein. 

Weitere Favoriten sind die Serie „Broad City“, der Film „Someone Great“ und mit Blick auf meine Kindheit die Freundschaft zwischen den Kyoshi-Kriegerinnen und Katara und Toph in „Avatar“ – Herr der Elemente, meiner liebsten Animationsserie überhaupt.

Es gibt mir ein gutes Gefühl, wenn ich an kluge Darstellungen von Frauenfreundschaften denke. Mit Hinblick auf Repräsentation und medialem Einfluss hoffe ich einmal mehr, dass es mehr Serien und Filme für Mädchen und Jugendliche geben wird, sodass Identifikationsangebote geschaffen werden und dem Konzept der weiblichen Rivalität schon früh etwas entgegengesetzt werden kann.

Deshalb ein Hoch auf weibliche Freundschaften. Falls meine großartigen Freundinnen das lesen sollten: Danke euch! Ihr wisst, wer ihr seid.

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