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Diese sexistischen Frauenfiguren sollten aus Filmen verschwinden

Illustration: Daniela Rudolf-Lübke; Foto: Columbia / dpa / Bildfunk, Jay Maidment/Disney/Marvel via AP/picture alliance

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In „The Female Gaze“ kommentiert und analysiert Nhi Le Filme, Serien und andere medien- und popkulturelle Phänomene aus feministischer und anti-rassistischer Sicht. Mit einer Expertise aus Wissenschaft und Subreddit-Abos hinterfragt sie alle zwei Wochen gängige Narrative und Darstellungen aus der Medienwelt. „The Female Gaze“ setzt dem traditionellen Blick auf Medienkultur etwas entgegen.

„Birds of Prey – The Emancipation of Harley Quinn“ war der letzte Film, den ich vor der Corona-Krise im Kino gesehen habe. Der Blockbuster widmet sich der Comicfigur Harley Quinn, nachdem sie sich vom Schurken Joker getrennt und Mitstreiterinnen, die Birds of Prey, gefunden hat. Im Film gab es eine winzige, aber bedeutungsvolle Szene: Harley Quinn reicht Black Canary im Kampf ein Zopfgummi, sodass ihre Haare nicht stören. Dieser kurze Moment zeigte mir, dass der Film von Frauen geschrieben und gedreht wurde, denn, ehrlich gesagt, würde Männern so etwas einfach nicht einfallen.

Die „Jungfrau in Nöten“ ist ein uraltes Stereotyp

Ich liebe Filme und Serien, aber zu oft werden Frauen vereinfacht und nur so dargestellt, wie sich Männer eben Frauen vorstellen. Aufgrund von patriarchalen Gesellschaftsstrukturen ist das oft stereotyp. Diese Stereotype werden in Erzählungen als Trope bezeichnet. Niemand muss Kultur- oder Medienwissenschaft studiert haben, um diese Tropes zu erkennen. Sie basieren auf sexistischen Ansichten, denen wir im Leben begegnen und kommen medial vielfach vor.

Da wäre zum Beispiel die „Jungfrau in Nöten“, ein uraltes Stereotyp, das man spätestens seit Super Mario und Princess Peach kennen dürfte. In Filmen muss die Jungfrau in Nöten vom männlichen Protagonisten, physisch oder auch emotional gerettet werden und kann sich nicht aus eigener Kraft befreien. So etwa Latika in „Slumdog Millionaire“ oder Mary Jane in den Spiderman-Filmen. Die Jungfrau in Nöten wird oft als Beispiel weiblicher Objektifizierung eingeordnet, da sie stets attraktiv und als männlicher „Besitz“ dargestellt wird, den er sich im Laufe seiner Heldenreise zurückerobern muss.

Im Stereotyp des „Manic Pixie Dream Girl“ (MPDG) wird die Rolle der Frau als Narrationstool für den Mann auf die Spitze getrieben. Wie der Name schon sagt, gleicht sie einer Fee, einer Träumerin, wobei sie keine eigenen Wünsche, Ziele oder gar einen eigenen Handlungsstrang hat. Das MPDG ist lediglich dazu da, um die Handlung des männlichen Protagonisten voranzubringen. Sie unterstützt und bestärkt. Mit ihrer netten, besonnenen Art hilft sie dem Mann, an sein Ziel zu kommen, vom Arschloch zum Helden zu werden oder in ihm schlummernden Mut zu wecken, wie Claire Colburn in „Elizabethtown“. Den Einsatz des MPDG finde ich besonders frustrierend, da er Frauen in die Passivität drängt und Bände spricht, wie manche Männer Frauen sehen. Sie sind vielleicht Musen, aber haben keine eigenen Visionen und handeln nicht selbst. Diese Ansicht beschränkt sich ja nicht auf Filme. Von Frauen wird gefordert, kostenlose Pflegearbeit zu leisten und sich zu kümmern. Sie sollen einfach Unterstützerinnen sein, während sich der Mann verwirklicht.

Die „starke toughe Frau“ ist leider meistens eindimensional

Sexistische Stereotype äußern sich aber nicht immer in passiven Frauen. Die „starke toughe Frau“ könnte eigentlich genau als Gegenteil zur „Jungfrau in Nöten“ gesehen werden – und ist dennoch gleichermaßen eindimensional. Bei der „starken toughen Frau“ muss zwischen zwei Typen unterschieden werden: Es gibt jene Frau, deren Stärke ein herausragendes Attribut ihres Charakters ist und die darüber hinaus noch andere Gefühlswelten hat. Ein Beispiel wäre Katniss Everdeen in der Tribute von Panem-Serie. Katniss ist eine geschickte Jägerin, kämpft sich durch die Hungerspiele. Sie ist aber auch fürsorglich, wütend, pflegt Beziehungen und hat verschiedene Motivationen. Weitere starke, aber vieldimensionale Frauen sind Wonder Woman, Beatrix Kiddo in den Kill Bill-Filmen oder Natalie Portmans Lena in Annihilation.

Dann gibt es die eindimensionale starke Frau, der es, von ihrer Stärke abgesehen, an jeglichen Eigenschaften fehlt und die den Plot selten vorantreibt. Letztere kommt oft als Superheldin oder in Actionfilmen daher. Ein aktuelles Beispiel ist die Darstellung von Black Widow / Natascha Romanoff in ihren ersten Auftritten im Marvel Cinematic Universe (MCU). Sie ist eine exzellente Kämpferin und Spionin, der es jedoch an Tiefe fehlt. Black Widow steht für ein weiteres Trope, nämlich die Schlumpfine. Das Schlumpfine-Prinzip bezeichnet die Anwesenheit einer einzigen Frau inmitten einer männlichen Gruppe. Black Widow ist zu Beginn des MCU der einzige weibliche Avenger.

Auch in Filmen sind Schwarze und Frauen of Colour rassistischen und sexistischen Stereotypen ausgesetzt

Es gibt gar nicht genug Platz, um alle weiteren sexistische Film-Stereotype gegenüber Frauen zu erläutern, schon gar nicht, wenn eine Figur mehrere Stereotype in sich vereint. Noch schlimmer wird es, wenn Schwarze oder Frauen of Color in Hollywoodfilmen auftauchen. Sowohl fiktional wie auch im wahren Leben sind sie rassistischen und sexistischen Stereotypen ausgesetzt und werden dementsprechend geschrieben. Schwarze Frauen sind als „Sassy Black Woman“ keck und sollen die Zuschauer*innen mit ihrer frechen Art zum Lachen bringen.

Südoastasiatische Frauen sind unterwürfige „zarte Lotusblüten“, die nichts weiter im Kopf haben, als dem männlichen Protagonisten zu gefallen und zu dienen. Um das auseinanderzunehmen, bräuchte es aber eine ganz eigene Episode dieser Kolumne.

Die Filmindustrie ist eine Domäne, in der Männer den Ton angeben und darüber entscheiden, welche Geschichten erzählt werden und welche Frauen wir anschauen. Meiner Meinung nach gilt es, das allein schon anzufechten. Für mehrdimensionale Frauenfiguren braucht es mehr Drehbuchautorinnen, Regisseurinnen, Produzentinnen und generell federführende Frauen in der Filmindustrie.

Ich bin es leid, Frauen als männliche Anhängsel zu sehen 

Filme und Serien erreichen wie kaum ein anderes Medium verschiedene Menschen und tragen mit frauenfeindlichen Darstellungen zur Normalisierung und Verfestigung sexistischer Stereotype bei. Sie beeinflussen wortwörtlich, wie wir Frauen sehen. Durch einen männlichen Blick ist das eben oft sexualisiert, passiv und einseitig. Während sich Männer meist in verschiedenen vielschichtigen Charakteren wiederfinden dürfen, können Frauen bei eindimensionaler und stereotyper Darstellung nur verlieren. Einfallslose Darstellungen bedeuten für die Zuseherin immer einen Mangel an Identifikationsmöglichkeiten. 

Was ich will, sind Frauen, die in ihren verschiedenen Lebensrealitäten mit vielschichtigen Gefühlswelten gezeigt werden. Ich bin es leid, Frauen vor allem als männliche Anhängsel und ohne jegliche Tiefe auf dem Bildschirm zu sehen.

Nhi Le ist freie Journalistin, Speakerin und Moderatorin. Sie hat Kommunikations- und Medienwissenschaft sowie Journalismus studiert. Ihre Lieblingsfilme sind Chihiros Reise ins Zauberland und The Virgin Suicides.

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