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Darf man alte und neue Beziehungen vergleichen?
Wenn man mit Freund*innen über Beziehungen spricht, sagt irgendjemand garantiert: „Ich denke manchmal dran, dass der T. immer so wahnsinnig schnell zu begeistern war – der R. ist da ganz anders, beinahe stoisch.“ Oder: „Mit L. war ich oft auf Partys, weil sie so einen riesigen Freundeskreis hat. Mit S. bin ich viel mehr daheim.“ Denn alle vergleichen mal ihre Beziehungen. Nicht die Freunde untereinander, sondern jeder seine eigenen: die letzte mit der aktuellen. Die vorletzte mit der aktuellen. Die allererste mit der aktuellen.
Wahrscheinlich hat das viel mit Gewohnheit zu tun. Wenn jemand lange in einer Beziehung ist und dann in einer neuen, rechnet er in bestimmten Situationen mit bestimmten Verhaltensweisen des Partners beziehungsweise der Partnerin. Der oder die dann aber was ganz anderes macht. Ist ja auch ein anderer Mensch. Trotzdem ist man kurz verwirrt. Und hin und wieder passiert es, dass man eine Situation damit vergleicht, wie sie in einer vergangenen Beziehung abgelaufen wäre – und dann bewertet. Dass man denkt: „Schade. Über den Witz hätten R. und ich beide lachen müssen.“ Oder: „Wahnsinn, wie entspannt das jetzt abgelaufen ist – R. hätte deswegen einen Streit vom Zaun gebrochen…“
Der neue Mensch kann ja nichts für den alten Menschen und umgekehrt
Und irgendwie fühlt sich das falsch an. Unfair. Der neue Mensch kann ja nichts für den alten Menschen und umgekehrt. Beim Vergleichen kommt aber einer immer schlechter weg und damit auch ein Teil der alten oder der neuen Beziehung. Andererseits kann man seine Erfahrungen und Prägungen und Erinnerungen ja nicht einfach ausschalten. Die sind ja auch für irgendetwas gut.
Darum die Frage: Ist das gesund oder nicht? Sollte man seine Beziehung mit vergangenen Partnerschaften vergleichen oder es um Gottes Willen bleiben lassen? Gibt es vielleicht ein bestimmtes, gesundes Maß, und wenn man das voll gemacht hat, ist alles danach Gift für die aktuelle Beziehung?
Ich frage bei Andrea Bräu nach, Paartherapeutin in München. Und sie verweist erst mal auf das Obst, das immer zur Sprache kommt, wenn es ums Vergleichen geht: Äpfel und Birnen. „Man kann die letzte, zehnjährige Beziehung nicht so einfach mit der neuen, zehnmonatigen vergleichen“, sagt sie. Aber sie weiß natürlich auch, dass es trotzdem passiert. Dass Menschen in neuen Beziehungen an die alte Beziehung denken.
Das positive Vergleichen, also die neue Beziehung besser finden als die alte, hält sie für unproblematisch. „Das passiert ja auch eher am Anfang, in der Verliebtheitsphase, wenn sowieso alles toll ist“, sagt sie. „Super ist natürlich, wenn man auch nach fünf Jahren immer noch sagt: Gut, dass ich den Thomas habe und nicht mehr den Peter.“ Negative Vergleiche, so Bräu, ziehe man eher dann, wenn die Beziehung alltäglicher geworden ist und die Fehler des anderen sichtbar werden. Wenn man mit etwas unzufrieden ist, denkt man vielleicht daran, was der oder die vorige Partner*in in dieser Situation anders und vermeintlich besser gemacht hätte. Das kann mal passieren. Zum Problem wird es aber nur, wenn andauernd verglichen wird. „Wenn man das Vergangene zu sehr verklärt, steht man sich selbst im Weg“, sagt Bräu. Heißt: Die ewig mäkelnden Vergleicher geben der neuen Beziehung keine Chance, mit der alten gleichauf zu sein. Oder sie sogar einzuholen.
Die neue Beziehung darf nicht nur der Versuch sein, eine zweite Version der kaputten ersten Version herzustellen
Wie viel man vergleicht, hängt zum einen damit zusammen, wie die letzte Beziehung ausgegangen ist. Laut Bräu denken nämlich vor allem die Menschen zu viel zurück, die ihre vorige Trennung nicht gut verarbeitet haben und so zu viel Ballast in die nächste Beziehung mitgeschleppt haben. Sie grübeln und gleichen Neues mit Altem ab, weil sie immer noch nicht so genau wissen, was letztes Mal eigentlich falsch gelaufen ist. „Wenn Paare zu mir in die Therapie kommen, sage ich ihnen oft: Wenn ihr euch trennt, muss sich jeder von euch ganz genau anschauen, welchen Anteil er selbst daran hatte, dass es nicht geklappt hat“, sagt Bräu. Denn erst danach ist man wirklich bereit für etwas Neues. Dass dann auch wirklich neu ist und nicht nur der Versuch, eine zweite Version der kaputten ersten Version herzustellen.
Aber auch die Tatsache, wie eine Beziehung angefangen hat, kann dazu führen, dass eine*r der Partner*innen oft zurückdenkt und das Alte mit dem Neuen abgleicht. Und zwar in dem Spezialfall, wenn ein Mensch seine*n Partner*in betrügt und dann verlässt, um mit der ehemaligen Affäre oder dem ehemaligen Seitensprung zusammen zu sein. „Das ist immer sehr schwierig, weil diese Beziehung unter den Vorzeichen des Misstrauens beginnt“, sagt Andrea Bräu. „Und weil dann irgendwann nach der Verliebtheitsphase der Tag kommt, an dem sich die dritte Person fragt: ‚Woher weiß ich, dass der oder die mich nicht auch betrügt?‘“ Da passiert also sozusagen ein „Fremd-Vergleichen“: Man versucht, die alte Beziehung des Partners oder der Partnerin mit der aktuellen Beziehung zu vergleichen, was natürlich besonders schwer ist. Wenn man Glück hat, schafft man es so, sich abzusichern und sich zu sagen: „Bei uns ist ja alles besser.“ Wenn man Pech hat, nicht.
Wenn’s gut läuft, entwickelt man sich also mit jeder Beziehung weiter
Wenn es ums Vergleichen geht, spielt auch noch die Tatsache eine Rolle, dass die serielle Monogamie in unserer Gesellschaft und vor allem in unserer Generation Standard ist: Viele haben im Laufe ihres Lebens mehr als zwei Beziehungen, die sie miteinander vergleichen können. Ist das gut oder schlecht? Macht uns das klüger – oder bloß, wie Pessimisten so gerne sagen, so anspruchsvoll, dass wir am Ende mit niemandem mehr lange zusammen sein können?
Andrea Bräu glaubt, dass die viele Auswahl natürlich neue Herausforderungen birgt, mit denen man umgehen lernen muss. Aber an sich glaubt sie an die Vernunft und die Stärke des Individuums, und das ist sehr schön. Sie sagt nämlich: „Ich glaube, dass man in einer zweiten oder dritten Beziehung sehr viel weiter kommen kann als in der ersten – zumindest, wenn man die vorigen Partnerschaften gut reflektiert hat.“ Wenn’s gut läuft, entwickelt man sich also mit jeder Beziehung weiter und kennt jedes Mal seine eigenen Bedürfnisse besser.
Und das führt zu einer Erkenntnis, die das ganze Vergleichs-Dilemma (wir erinnern uns: der neue Mensch kann ja nichts für den alten und umgekehrt) vielleicht am allerbesten löst: Beziehungen zu vergleichen ist völlig in Ordnung, beziehungsweise sogar gesund und hilfreich, wenn man Verantwortung für seine Entscheidungen übernimmt – und vor allem sich selbst in der alten und der neuen Beziehung vergleicht. Und nicht den Partner oder die Partnerin. Denn dass man jetzt mit dem Thomas zusammen ist und nicht mehr mit dem Peter, dass hat am ja Ende weniger mit dem Thomas oder dem Peter zu tun, als mit einem selbst.
Dieser Artikel wurden zum ersten Mal am 16.11.2016 veröffentlicht und am 15.11.2020 aktualisiert.