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Was mir das Herz bricht: Menschen, die Aprilscherze machen

Illustration: Julia Schubert

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Kaum ein Tag im Kalender, der kein fixer Feiertag ist, löst so starke Emotionen aus wie der 1. April. Vorfreude ist allerdings eher selten, sobald dieses Datum auf den Handybildschirmen erscheint. Außer vielleicht bei Kindern. Früher bin auch ich extra früh aufgestanden, habe mit diebischer Freude Salz und Zucker vertauscht, um meiner Mutter einen möglichst schlechten Start in den Tag zu bereiten. Ich habe gewartet, bis sie den ersten Schluck Kaffee nimmt, um ihr dann auch noch penetrant „April, April!“ ins Gesicht zu plärren. Diese Zeiten sind lange vorbei. Zum Glück. Wenn ich mittlerweile sehe, dass der 1. April ist, dann verdrehe ich die Augen und hoffe, dass ich mich heute ausschließlich mit Menschen umgebe, die diesen Tag der erzwungenen Komik genauso verachten wie ich.

In meinem Freundeskreis gibt es zum Glück niemanden, der noch Aprilscherze macht. Die Frage „Naaaa, heute schon jemanden in den April geschickt?“ stellt man sich am Tag der Tage allenfalls noch mit einem übertrieben-deutlichen ironischen Unterton. Mittlerweile scheinen alle begriffen zu haben, dass am 1. April das gleiche gilt, wie an den anderen 364 Tagen im Jahr: Man macht sich nicht sonderlich beliebt, wenn man Menschen durch nervige Streiche den Tag versaut. Nun ja, fast alle haben das begriffen.

Einmal aus dem Alltag ausbrechen

Denn in jedem Büro gibt es diesen einen Menschen, bei dem das nicht angekommen ist und der eine ganze Batterie an unlustigen Schelmereien vorbereitet hat. Der extra früher ins Büro gekommen ist, damit er all seine Gags ungestört umsetzen kann, damit er rechtzeitig die Maus des Sitznachbarn abstecken, Zahnpasta unter Türklinken schmieren und Furzkissen auf den Stühlen verteilen kann. Dann sitzt er da ganz aufgeregt und schaut voller Vorfreude zwischen Uhr und Bürotür hin und her und kann sich das Lachen kaum verkneifen, während sich der erste Kollege an seinen präparierten Computer setzt. Ein, zwei, drei genervte Tipper, ein Blick hinter den PC, aha: Die Maus ist ausgesteckt. Der Scherzkeks springt auf, ruft „April, April!“ und kriegt sich vor Lachen gar nicht mehr ein. Als Einziger.

KNACK!  

Das ist der Moment, in dem mir das Herz bricht. Denn dieser Kollege ist meistens der Typus Mensch, der immer freundlich ist, der in Unterhaltungen auf den Boden schaut, und der, wenn in der Büroküche über den nervigen Mitarbeiter gelästert wird, alle an die positiven Seiten des Schmähobjekts erinnert. Doch nicht am 1. April. Denn an diesem Tag, so hat er es in seiner Kindheit gelernt, darf jeder Dummheiten machen und sich wenigstens einmal nicht korrekt verhalten. Dieser Tag ist sein Feiertag. Ein Tag, auf den er sich wochenlang vorbereitet hat, für den er die besten Streiche, Gags und Pranks gegoogelt und Utensilien gekauft hat. An diesem Tag steht er mit einem Lächeln auf. Denn dieser Tag wird der eine sein, an dem er aus sich herausgeht. Die Möglichkeit, um den Kollegen zu zeigen, dass auch er es „faustdick hinter den Ohren hat“.

Mitleids-Lacher als Best-Case-Szenario

Doch natürlich ist das nicht dieser Tag. Das eine Drittel der Streiche funktioniert nicht, weil eine Kollegin krank ist und das Furzkissen auf dem Stuhl den ganzen Tag vergeblich auf ihren Hintern wartet oder der Scherzkeks bei der hastigen Vorbereitung vergessen hat, dass die Tür ja in die andere Richtung aufgeht. Das zweite Drittel der Streiche hat er schon längst verraten, weil er sie in seiner Vorfreude nicht für sich behalten konnte oder fast sekündlich mit einem schelmischen Grinsen auf das „Achtung: funktioniert nur mit Sprachsteuerung“- Schild über der Kaffeemaschine schaut. Doch das dritte Drittel ist das tragischste: Die Streiche, die tatsächlich klappen.

Denn während unser bemitleidenswerter Scherzkeks sich nach dem „April, April“, der Punchline seines prächtigen Plans, die Tränen aus den Augen wischt, kriegt er im besten Fall einen schlecht gespielten Mitleids-Lacher, im schlechtesten Fall ein paar Beleidigungen an den Kopf geworfen. Der Feiertag wird für ihn zum Albtraum. Es wir der Tag, an dem er seinen Kollegen so richtig auf die Nerven gegangen ist. Wenn er dann nach Feierabend betrübt zu Hause im Bett liegt, sich hin- und her wälzt und das Hirn zermartert, warum seine Streiche nicht den gewünschten Effekt gebracht haben, dann wird er leider nicht zur einzig logischen Schlussfolgerung kommen: Streiche sind halt einfach nervig. Nein. Er wird denken, dass er sie einfach nicht gut ausgeführt hat. Das nächste mal, verspricht er sich, wird es klappen. Denn nächstes Jahr fängt er noch früher mit der Planung an.  

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