Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Horror-Date: Ohne Worte, aber mit großen Erwartungen

Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Date-Situation: Pizzaessen in der WG 

Geschlecht und Alter des Dates: männlich, Anfang 20

Vibe des Dates: angespannt

Horror-Stufe: 6 von 10

Seit einer Stunde sitzen wir an diesem Küchentisch. Ich fühle mich wie in einem Vorstellungsgespräch, bei dem beide Seiten noch währenddessen merken: Das hier passt auf keinen Fall. Doch das hier ist ein Date. Ein Date, das unangenehmer ist als jedes Vorstellungsgespräch, das ich je hatte. Ein Date, bei dem nur eine Fragen stellt: ich. Dabei wollte Lukas, der eigentlich anders heißt, dieses Treffen unbedingt. 

Wir hatten uns auf einer WG-Party kennengelernt und ganz nett unterhalten. Als er danach immer wieder um ein Treffen bat, ließ ich ihn lange warten: „Puh, also muss gerade echt viel lernen“, „die ganze nächste Woche ist schon voll, tut mir leid“, „sorry, bin in der Heimat“. Ich dachte, meine Ausreden wären offensichtlich. Aber er blieb hartnäckig. Wir verabredeten uns zum Pizzaessen.

Nun sitze ich also an diesem Tisch, schneide Zwiebeln und überlege scharf, was ich als nächstes sagen könnte, während er schweigt oder mir einsilbig antwortet. Wetter, Mitbewohner, Uni, viel mehr fällt mir nicht mehr ein. Ich weiß quasi nichts über Lukas und es wirkt auch nicht so, als würde er viel Persönliches von sich erzählen wollen. Die Stimmung ist angespannt. Warum wollte er mich unbedingt treffen, wenn er doch gar nichts über mich wissen will? Die Antwort erfahre ich später. Nach dem Essen fragt er, ob ich einen Film gucken möchte.

Glaubt er, die eine Kerze reiche aus?

„Eigentlich nicht“, denke ich.

„Klar doch“, sage ich.

Und rede mir ein, dass man beim Film schauen immerhin nicht miteinander sprechen muss. Er allerdings scheint andere Pläne zu haben: Als er eine Kerze anzündet und nach den ersten zehn Minuten des Films meine Hand halten will, weiß ich, was hier los ist. Denkt er wirklich, er könne ohne das kleinste bisschen Mühe bei mir landen? Glaubt er, die eine Kerze reiche aus? Was ich vorher schon vermutet habe, ist leider die Wahrheit: Er ist nicht darauf aus, mich kennenzulernen, sondern darauf, mich möglichst schnell in sein Bett zu bekommen. Und da sehe ich mich an diesem Abend definitiv nicht. 

Ich ziehe meine Hand zurück und sage nur: „Äh ne, sorry“. Er guckt zu mir rüber, genervt, enttäuscht und weiterhin sprachlos. Wir quälen uns zum Ende des Films – und danach geht plötzlich alles ganz schnell. Ich stehe in der Tür, Lukas verabschiedet sich mit den Worten „Man schreibt sich.“ Anscheinend sind wir uns beide einig, dass das das letzte Date war. Geschrieben haben wir nie wieder.

  • teilen
  • schließen