Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Horror-Date: Der Stripclub-Plan

Nach dem ersten Getränk hatte David große Pläne.
Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Nicht alle Dates laufen gut – diese Kolumne beschäftigt sich mit den weniger gelungenen Abenden. Diesmal hat unsere Autorin Cora Wucherer nach einem Interview mit einer Bekannten folgende Geschichte aufgeschrieben.

Dating-Situation: Abends im Irish Pub etwas trinken gehen – und dann in den Stripclub

Geschlecht, Alter und Vibe des Dates: männlich, Mitte 20, getarnt als sympathischer Typ

Horrorstufe: 7 von 10

„Lass uns in den Stripclub gehen“, sagte mein Tinderdate David (Name von der Redaktion geändert) nach einer Stunde Gespräch zu mir. Da gebe es noch Getränke und zudem sei er „ganz nah“. Ich starrte ihn mit halb offenem Mund an. Es war Sonntagabend in einem Irish Pub in Augsburg. Ja, vielleicht würden wir – abgesehen von dem Stripclub – keine andere offene Bar mehr finden. Aber wir hatten unser erstes Date – wie war ich nur hier gelandet?  

Als meine vorherige Beziehung in die Brüche ging, war es 2014 – und Tinder noch etwas Neues. Mein Exfreund hatte mich immer klein gehalten und ich, gerade mal 20, hatte deshalb Selbstwertprobleme. Ich dachte, diese unbekannte Dating-App wäre ein guter Weg, meinen Marktwert zu checken und zu gucken, was in der Männerwelt so los ist. Ich hatte zwei, drei Dates, die nicht besonders gut waren, aber ich ließ mich noch nicht abschrecken.

Dann sah ich Davids Profil. Er war Mitte 20 und sah bodenständig aus, nicht wie ein Player. Sein Lächeln gefiel mir. Wir matchten, schrieben ein wenig und machten schnell ein Treffen aus. Ich war vorsichtig und traf mich nur an öffentlichen Orten mit Dates, so landeten wir in dem Irish Pub.

David lächelte, sah aus wie auf seinen Bildern, begrüßte mich nett und fragte, was ich trinken wolle, um dann für mich zu bestellen, was ich ganz süß fand. Wir saßen nebeneinander an der Bar, er trank Bier, ich etwas Alkoholfreies, weil ich mit dem Auto da war. Er fragte mich, was ich beruflich mache und ich fing an, von meinem Studium zu erzählen – Erziehungswissenschaft. David unterbrach mich sofort: „Das ist total langweilig, das will ich nicht hören.“ Ich war kurz sprachlos angesichts solcher Frechheit, er redete einfach weiter. Von da an ging es nur noch bergab: Nach kaum zehn Minuten legte David den Arm um meine Schultern, zog mich an sich und versuchte, mich zu küssen. Ich wehrte ihn ab. Ich bin feministisch und körperliche Selbstbestimmtheit ist mir sehr wichtig. Jemanden so schnell, ohne zu fragen und Zustimmung zu küssen, geht meiner Meinung nach gar nicht. Weder der Barkeeper noch die wenigen anderen Gäste im Pub nahmen uns zur Kenntnis, obwohl ich mich sichtlich unwohl fühlte.

„Als er sein Bier ausgetrunken hatte, war ihm augenscheinlich langweilig mit mir“

Zu dieser Zeit waren Pick-up-Artists gerade ein Ding: Männer, die denken, dass sie Frauen natürlich überlegen sind und mit Psychotricks versuchen, möglichst viele schnell zu „verführen“. Dazu gehörte auch, Frauen zu verunsichern und ihr Selbstbewusstsein zu dämpfen, um sie danach an sich zu binden. Ich denke, dass David sich von diesen Tricks einiges abgeschaut hatte. Ich wollte nur noch weg. Aber ich hatte Angst vor Davids Reaktion. Also stellte ich ihm viele Fragen, damit er nicht zu viel von mir erfahren würde. Er erzählte großspurig davon, dass er Unternehmensberater sei, wie viel er unterwegs sei und wie viel Sport er in seiner Freizeit mache. Sein Monolog dauerte fast eine Stunde, während ich die ganze Zeit versuchte, irgendwie aus der Situation herauszukommen. Alles, was er erzählte, wirkte irgendwie beliebig, austauschbar. Vielleicht log er mich auch an.

Als er sein Bier ausgetrunken hatte, war ihm augenscheinlich langweilig mit mir – oder er wollte die Situation etwas anheizen. Aber einen Stripclub als Location für das erste Date vorzuschlagen, fand ich völlig daneben. Eine Weile starrte ich ihn nur an, dann schaffte ich es, zu sagen: „Nein, dann fahre ich nach Hause.“ David entgegnete schulterzuckend: „Dann geh ich eben allein in den Stripclub“ – und ließ mich stehen. Ich musste im Dunkeln 15 Minuten allein zu meinem Auto laufen, während ich die ganze Zeit ein ungutes Gefühl hatte. Jetzt, mit Ende 20, hätte ich anders reagiert: David damit konfrontiert, dass sein Verhalten nicht in Ordnung ist und den Barkeeper um Hilfe gebeten. Aber damals traute ich mich das nicht.

Von David hörte ich nie wieder, ich blockierte ihn und sagte auch alle anderen Tinder-Dates ab. Nur zu einem Date ging ich noch, weil das schon fest ausgemacht war – mein letztes Tinder-Date jemals. Mit ihm bin ich heute verheiratet.

  • teilen
  • schließen