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Horrorparty: Zu viel Kirschlikör und ein geschlachtetes Schwein

Mit genügend Kirschlikör waren die Erlebnisse der Party direkt besser erträglich.
Illustration: jetzt

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Man vergisst leicht, dass Feiern nicht immer nur spaßig ist. In dieser Serie erzählen wir deshalb von den schlimmsten Partys, auf denen wir in unserem Leben waren. Viel zu viel Alkohol, grässlich langweilige Verwandte, emotionale Tiefpunkte – es gibt ja viel, das eine Feier vermiesen kann. Falls du selbst von einer schlimmen Party erzählen willst: Schreib uns eine Mail an info@jetzt.de! Diese Geschichte hat uns eine Leserin erzählt, die anonym bleiben möchte. Wir veröffentlichen sie hier als Protokoll. 

Horrorstufe: 7 von 10

Center of Attention: eine Holzhütte in Transsilvanien

Trinkverhalten: durchgängig hochmotiviert

„Es war der 24. Dezember, seit sechs Monaten lebte ich für mein FSJ in der rumänischen Stadt Timișoara und arbeitete in einer deutschen Schule. Als Weihnachtsgeschenk hatte mich ein Kumpel eingeladen, mit ihm gemeinsam zu der Geburtstagsparty eines Freundes zu fahren. Ich freute mich, die Stadt zu verlassen und war gespannt auf das, was mich erwarten würde – aber auch ein bisschen nervös: Ich war damals erst 19 Jahre alt und die einzige Deutsche auf der Party. Mein Kumpel und die anderen Gäste waren alle über dreißig und kamen aus Rumänien und Ungarn. 

Die Party-Location: eine große Holzhütte im transsilvanischen Wald 

Gemeinsam mit einem befreundeten Pärchen fuhren wir fünf Stunden lang mit dem Auto zur Party-Location: eine große Holzhütte im transsilvanischen Wald. Es war eiskalt und die Hütte stand umgeben von Bäumen auf einem kleinen Hügel im Schnee. Gemeinsam mit den anderen Geburtstagsgästen verbrachten wir den ersten Abend mit selbstgebranntem Kirschlikör, Pflaumenschnaps und Glühwein. Idyllisch, könnte man meinen.

Obwohl ich mich nicht so gut verständigen konnte, weil ich nicht fließend Rumänisch sprach, war ich froh, auf der Party zu sein. Nach dem dritten Glühwein verbesserten sich auch meine Sprachkenntnisse. Doch am nächsten Morgen begann, was mich schon in den Tagen zuvor mentale Vorbereitung gekostet hatte: Es sollte ein Schwein geschlachtet werden. So ist es in Rumänien im Winter Tradition. Mir sollte die große Ehre zuteil werden, während der Schlachtung das Ringelschwänzchen des Schweins zu halten. Das Problem: Seit ich 13 Jahre alt bin, bin ich ich Vegetarierin. Dabei geht es mir nicht nur um Klimaschutz. Mir liegt das Tierwohl am Herzen und ich hatte sechs Jahre lang kein Fleisch mehr gegessen – ohne Ausnahmen. 

„Als ich die Schreie des Schweins hörte, war ich wie festgefroren“

Trotzdem hatte ich mir in den Tagen zuvor vorgenommen, meiner Rolle als Ringelschwänzchen-Halterin irgendwie gerecht zu werden. Ich wollte der rumänischen Tradition gerecht werden und dachte mir: ,Dieses Schwein hatte sicherlich ein besseres Leben als ein abgepacktes Hähnchen bei Aldi.‘ Doch als ich mir auf der Terrasse der Holzhütte meine Jacke anzog und schon die Schreie des Schweines hörte, war ich wie festgefroren. Meine Vorsätze, mir die Schlachtung zumindest anzuschauen, waren wie weggeblasen. Und so stand ich dort auf der Terrasse, bewegte mich keinen Zentimeter, während eines der älteren Kinder der Gäste das Schwänzchen des Schweines hielt, als es geschlachtet wurde.

Erst als die Schreie des Schweines verstummten, traute ich mich von der Terrasse, um mir anzusehen, wie das Schwein weiterverarbeitet wurde. Ich fand es zwar ganz interessant und irgendwie lehrreich, aber das Fleisch wollte ich nicht anfassen. Ich fühlte mich in der ganzen Situation ziemlich fehl am Platz. 

Anstatt mitzuhelfen, war ich eher eine Last für die anderen, da ich nicht vom Schwein essen wollte und mir mein Kumpel deswegen noch extra Essen zubereiten musste. Während die anderen Gäste also mit der Verarbeitung des Schweines beschäftigt waren, trank ich fleißig Kirschlikör und aß Käsespätzle. 

Nachts schnappte ich mir dann einen Schlitten, um alleine den schneebedeckten Hang hinunterzusausen. Vielleicht war es der Alkohol, vielleicht aber auch die Absonderlichkeit der ganzen Situation, die mich dazu motivierten. Immerhin war es ein gelungener Abschluss einer ziemlich verrückten Party.“

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