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Horror-Urlaub: Ungebetene Gäste im Hostel-Bett

Illustration: Julia Schubert

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Reiseziel: Rundreise in Andalusien

Mitreisende: Beste Freundin

Horror-Stufe: 7 von 10

Meine beste Freundin und ich machen jährlich eine Rucksackreise: Wir fahren mit leichtem Gepäck per Bus von Stadt zu Stadt und von Hostel zu Hostel. Meistens funktioniert das gut, in Spanien wurde daraus aber eine kleine Katastrophe. Eine Ahnung bekam ich davon, als wir in unseren ersten Dorm zogen. Die Hostelmitarbeiterin führte uns in ein Zimmer mit sechs Betten – sechs noch bezogenen Betten, um genau zu sein. Sie schaute kurz verwirrt,  schimpfte dann über die Leute, die sich hier unerlaubt eingenistet hätten, und zog zwei der Betten wieder ab. „Das sind jetzt eure“, sagte sie.

Dass mein Bett allerdings nicht wirklich meines war, musste ich gegen zwei Uhr nachts feststellen, als jemand an mir rüttelte. „You are sleeping in my bed“, eine Frau leuchtete mir mit ihrer Handy-Taschenlampe ins Gesicht. Wir waren offenbar beide demselben Bett zugeteilt worden. Sie ging also zur Rezeption, um sich zu beschweren. Es stellte sich schließlich heraus, dass wir zu acht in einem Sechser-Dorm waren. Am Ende teilte ich mir ein 80-cm-Bett mit meiner Freundin.

In der nächsten Stadt zogen wir wieder in ein Mehrbettzimmer ein. Dort wollte zunächst zwar niemand zu uns ins Bett steigen, das wäre aber auch ziemlich schwierig gewesen: Das Stockbett meiner Freundin befand sich in vier Metern, meines immerhin in zweieinhalb Metern Höhe. Was uns erst noch Angst machte, sollte sich später jedoch als Vorteil herausstellen. 

Ihr Check über die Online-Bildersuche zeigte schnell: Es war eine Bettwanze

Als wir morgens aufwachten, hatten wir beide furchtbar geschlafen. Viel schlimmer aber war, dass meine Freundin überall „Mückenstiche“ hatte, die aus ihr einen anderen Menschen machten. Die Stiche juckten nämlich offenbar so schrecklich, dass die Stimmung komplett versaut war. Ständig kratzte und jaulte sie, bis wir uns gegenseitig ankeiften. Ich dachte, sie solle sich nicht so anstellen und sie klagte immer wieder: „Ich versteh das nicht: Warum hast du keinen einzigen Stich und ich so viele?!“

Die Lösung fand sie nachts auf ihrer Matratze. Ein kleines Tier, das direkt neben ihr herumkrabbelte. Ihr Check über die Online-Bildersuche zeigte schnell: Es war eine Bettwanze. Diese Tiere verursachen mit ihrem Biss laut Internet „extrem juckende, kleine Beulen, die oft lange nicht verheilen”. Also floh sie im Dunkeln aus ihrem Hochbett und kletterte in mein Bett.

Das Schlimmste an Bettwanzen sind nicht mal die Bisse, sondern dass man sie nur schwer wieder loswird. Viele bringen die Wanzen unbemerkt aus dem Urlaub mit nach Hause – und haben dann ein großes Problem. Denn die Tiere verstecken sich nicht nur an jeder erdenklichen oder nicht erdenklichen Stelle wie hinter Bildern, Tapeten, Lichtschaltern und Steckdosen, in Jalousien oder Ritzen von Möbeln. Sie sind zudem extrem robust und können monatelang hungern. Da würde nicht mal helfen, kurzfristig woanders zu wohnen und ihnen so die Nahrung (Menschenblut) zu entziehen. Stattdessen sterben sie erst durch extreme Kälte oder Hitze oder müssen mit Gas vom Kammerjäger bekämpft werden.

Meine Freundin duschte sich ab. Danach untersuchten wir sie auf Tiere, inspizierten ihre Kleidung mit einer Taschenlampe und forderten an der Rezeption ein neues Zimmer. Aber alle Betten waren belegt. Wir quetschten uns also gemeinsam in mein enges Stockbett in fast drei Metern Höhe. Da das Bett zur einen Seite komplett offen war, war das nicht ungefährlich. Deshalb, aber auch vor lauter Bettwanzen-Paranoia, schliefen wir furchtbar.

Am Tag darauf hatten wir keine weiteren Bisse. Wir untersuchten aber noch unser Gepäck, stundenlang, bis auf die letzte Ritze. Dabei waren wir zum ersten Mal dankbar für die Entfernung zwischen Betten und Boden. So waren die Wanzen wohl nicht an unser Gepäck gekommen. 

In der nächsten Stadt buchten wir ein teureres Hostel, das uns vertrauenswürdig schien. Dort checkten wir wenige Stunden später ein. Todmüde schliefen wir ein wenig und wollten uns danach die Stadt ansehen. Im Aufzug nach unten trafen wir auf andere Bewohnerinnen: Sie hatten Bisse am ganzen Körper, sogar das Gesicht einer Frau hatte rote Beulen. „Auf welchem Stockwerk seid ihr?“, fragten sie uns. „Der komplette zweite Stock ist voll mit Bettwanzen.“

Jedes Sandkorn und jeder Fussel löste immer wieder kurze Panik aus

 

Jackpot, wir waren auf dem zweiten Stock. Also ab zurück ins Hostelzimmer und die Rucksäcke so weit wie möglich von den Betten wegziehen. Wir suchten sofort nach neuen Zimmern, doch unter 100 Euro für eine Nacht war nichts zu holen – wir saßen fest. Der Umgang des Hostels mit dem Befall war übel. Vor der Rezeption bildete sich eine Schlange aus Dutzenden Menschen, die ihre Bisse und Bilder von den Tieren zeigten. Doch die Mitarbeiter*innen behaupteten immer noch, die Bisse seien Moskitostiche und die Tiere Käfer. Dort kamen wir also auch nicht weiter.

Wir untersuchten stundenlang eine unserer Matratzen, sie schien bettwanzenfrei zu sein. Als wir uns gerade entspannen wollten, zog eine Frau zu uns ins Zimmer. Sie hatte Male an den Beinen, sagte, sie sei hierher verwiesen worden, weil “etwas mit dem alten Zimmer nicht stimme”. Uns war ziemlich schnell klar, wie sich die Bettwanzen überhaupt hatten ausbreiten können. In dieser Nacht teilten meine Freundin und ich uns wieder ein Bett. Im großen Gemeinschaftsraum schliefen Dutzende Menschen auf dem Boden, die aus ihren Zimmern geflohen waren.

Auch in den folgenden Tagen war das Thema noch omnipräsent, der Urlaub ruiniert: Denn Einfrieren konnten wir unsere Sachen nicht, solange wir reisten – und eine 80 Grad heiße Wäsche im Waschsalon hätte sie zerstört. Mehrmals täglich untersuchten wir also unsere Rucksäcke, jedes Kleidungsstück, Schuhe und Kulturtaschen nach Wanzen oder kleinen Eiern. Jedes Reiskorn, jedes Sandkorn und jeder Fussel löste immer wieder kurze Panik aus.

Zurück in Deutschland stürmten wir sofort auf meinen Balkon. Dort packten wir alles, wirklich alles, in Tüten und verschlossen sie. So kamen unsere Sachen portionsweise erst eine Woche in die Gefriertruhe und danach in die Waschmaschine. Erst nach vier Wochen sortierten wir unsere Kleidung wieder in unsere Schränke, sogar Pässe und Geldbeutel verwendeten wir erst dann wieder. Und zum Glück hatte sich der Aufwand gelohnt: Wir waren beide bettwanzenfrei. Allerdings läuft es mir heute noch eiskalt den Rücken hinunter, wenn ich ein Insekt in Bettnähe entdecke.

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