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Etwa 3500 Euro brutto für den Filmkomponisten

Foto:Julia Schwarz/Bearbeitung: SZ Jetzt

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Seine Kolleg:innen sind deutlich älter als Tobias Alexander Ratka, meist zwischen 30 und 60 Jahren. So früh eingestiegen in die Filmkomponie ist der heute 23-Jährige vor allem durch seine Familie. Er erzählt von Melodien, die ihm beim Skifahren einfallen und von epischen Autofahrten. 

Wie ich die Liebe zur Filmmusik entdeckt habe

„Mit meinen Eltern habe ich früher oft Filmsoundtracks im Auto gehört, vor allem die Musik aus ‚Star Wars‘ oder Kompositionen von Hans Zimmer. Meinen Schulweg beschreibe ich deshalb immer als epische Autofahrten. Meine Familie und ich spielen heute noch ein Spiel, bei dem wir erraten, welcher Soundtrack von wem komponiert wurde. Mittlerweile erkenne ich Komponist:innen von fast jedem Soundtrack. Als Kind habe ich oft den Star-Wars-Soundtrack auf unserem CD-Player angehört, während ich mit den passenden Figuren gespielt habe. Ich bin durch meinen Vater ein großer Star-Wars-Fan.“ 

Wie ich Filmkomponist geworden bin

„Eigentlich wollte ich immer Regisseur werden. In meiner Jugend habe ich aber gemerkt, dass ich mich kreativ mit Musik besser ausdrücken kann. Ich habe schon mit sieben Jahren angefangen, mit einer Musik-Software namens Garageband zu experimentieren: Zuerst habe ich Audio-Loops aneinandergereiht, dann habe ich Star-Wars-Stücke oder Kompositionen von ‚Inception‘ nachproduziert. Ungefähr mit zehn habe ich ein MIDI-Keyboard bekommen und selbst Melodien komponiert. Die habe ich dann im Internet gepostet. Ich habe Kurzfilme komponiert und bei Wettbewerben mitgemacht und auf Facebook und anderen Foren Menschen in der Filmbranche angeschrieben. So habe ich ungefähr mit vierzehn meinen ersten Auftrag bekommen.  

  

Kurz nach meiner Matura (Anm. der Redaktion: Abitur in Österreich) habe ich über meinen Vater einen Auftrag für einen Dokumentarfilm bekommen. Er hat eine Produktionsfirma und macht Werbespots und Imagefilme. In unserer Arbeit haben wir heute wenig Berührungspunkte, weil ich mehr Filme und TV-Sendungen mache. Aber damals hat sich die Möglichkeit ergeben und ich war dankbar für den Job. Er war damals für den Schnitt eines No-Budget-Indie-Travel-Films zuständig. Ich habe die Musik komponiert. Die Dokumentation über drei reisende Freund:innen lief in ausgewählten Programmkinos. Es war meine Premiere als Komponist vor einem Publikum, mein erster veröffentlichter Spielfilm-Soundtrack. Seitdem arbeite ich als Filmkomponist. Eine Ausbildung habe ich dafür keine gemacht.“ 

Wie ein Soundtrack entsteht

„Soundtracks entstehen unterschiedlich. Wenn Komponist:innen für Produktionen gesucht werden, gibt es manchmal Ausschreibungen. Aber meistens werden Filmkomponist:innen empfohlen. Oft bekommt man Jobs von Leuten, die man kennt. Bei meinem letzten Spielfilm „Hades – eine (fast) wahre Geschichte“ habe ich schon zwei Jahre, bevor es ein Skript gab, über die Produktionsfirma von dem Film erfahren. Vor den Dreharbeiten habe ich mich mit dem Regisseur in einem Restaurant getroffen, weil er mich noch nicht kannte. So habe ich dann den Auftrag bekommen. 

  

Die Anfrage für die Titelmusik einer History-Dokumentationsreihe hingegen habe ich per E-Mail bekommen, als ich im Skiurlaub war. Noch auf der Piste habe ich spontan eine Melodie gesummt und auf dem Skilift mit meinem Handy aufgenommen. Drei Tage später habe ich das Stück in meinem Studio, einem kleinen angemieteten Raum, auskomponiert und an die Produktionsfirma geschickt. Erst ein halbes Jahr später habe ich für die Titelmelodie eine Zusage bekommen.“

Was ich als Filmkomponist mache

„Zuerst bekomme ich das Bildmaterial, also den Film oder die Folge, die ich mit Musik untermalen soll. Auf der linken Tonspur kann ich den O-Ton hören – das sind die Dialoge im Film, Soundeffekte und Umgebungsgeräusche. Rechts sind die sogenannten Temp Tracks. Das können Stücke aus anderen Filmen oder irgendwelche Songs sein. Die Temp Tracks zeigen, an welcher Stelle Musik gewünscht ist, welches Tempo und welchen Vibe sie haben soll. Ich kann anschließend die Tracks nachbauen oder ganz neue Musik komponieren. 

  

Ich arbeite hauptsächlich alleine in einem Musikstudio mit schwarzen Akustikpaneelen an der Wand und Decke. Im Studio habe ich ein Banjo, eine E-Gitarre, einen E-Bass, zwei Keyboards, einen Bildschirm und einen Computer. Ich probiere Melodien auf einem sogenannten MIDI-Keyboard aus. Damit steuert man andere elektronische Musikgeräte oder virtuelle Instrumente. Das können Violinen, Harfen oder ein Schlagzeug sein. Ich versuche außerdem immer, Teile der Melodien mit echten Instrumenten vor Ort einzuspielen. Dafür zupfe ich zum Beispiel mein Banjo oder spiele auf meinem analogen Synthesizer. Für viele Aufnahmen lade ich Freund:innen ein. Zum Beispiel hat eine Freundin einmal in ihre Querflöte gebeatboxt oder für einen Spielfilm ein besonderes persisches Holzblasinstrument namens Duduk gespielt. Nach der Aufnahme korrigiere ich die erstellten Dateien am Computer nach und schicke die Aufnahme an die Produktionsfirma.“ 

Welche Herausforderungen der Job mit sich bringt

„Man sollte auf seine mentale Gesundheit achten. Vor allem zu Beginn könnte man viele Absagen bekommen. Vielleicht dauert es mehrere Jahre, bis ein Produzent auf einen aufmerksam wird. Und immer wieder raten einem Menschen davon ab, kreative Arbeit zu machen. Es kann hart sein, optimistisch zu bleiben. 

Je nach Deadline habe ich unterschiedlich viel Zeit. Den Soundtrack für einen Spielfilm habe ich in zweieinhalb Monaten fertig gestellt. Bei laufenden Fernsehserien hingegen brauche ich für eine Folge ungefähr drei Tage. Dabei sind auch Ruhephasen wichtig. Es gibt Zeiten, in denen man das Studio kaum verlässt. Für meinen letzten Kinofilm habe ich oft von acht Uhr morgens bis um Mitternacht gearbeitet. Das beeinflusst auch das Privatleben. Ich musste zum Beispiel ein neues Hobby finden, weil ich meines zum Beruf gemacht hatte. Heute spiele ich in meiner Freizeit Videospiele oder treffe Freund:innen.“ 

Welche Eigenschaften man braucht

„Es ist wichtig, die eigenen Wünsche zurückschrauben zu können. Denn es geht nicht darum, die eigene Musik zu veröffentlichen. Als Filmkomponist:in ist man letztendlich Dienstleister:in. Bei großen Projekten arbeitet man mit vielen Menschen zusammen: Regisseur:innen, Produzent:innen, Geschäftsführer:innen oder Redakteur:innen bei TV-Produktionen, die genaue Vorstellungen und Wünsche haben. Da sollte man vermitteln können, sensibel sein und ein gutes Menschenverständnis haben.  

Zugleich sollte man gerne allein arbeiten. Zwar arbeitet man in Meetings oder Screenings viel mit anderen zusammen, trifft sich zum Beispiel in der Dubbing Stage. Das ist ein Tonstudio, das man sich wie ein kleines Kino vorstellen kann, wo der Film fertig gemischt wird. Abgesehen davon sitze ich aber während der Aufnahmen hauptsächlich alleine im Studio.  

Instrumente muss man übrigens nicht spielen können. Man sollte aber ein Gefühl für Musik und Rhythmus haben. Und, wenn man selbstständig ist, natürlich verhandeln und netzwerken können.“ 

Wie viel man als Filmkomponist verdient

„Das Gehalt für Filmkomponist:innen kann als Selbständige:r zwischen null und 6000 Euro brutto liegen. Anfangs muss man viel arbeiten, ohne bezahlt zu werden, weil man sich erst ein Repertoire aufbauen muss. Für Filmkomponisten gibt es keine Mindestbezahlung. Zum Beispiel habe ich für die erste Travel Doku kein Gehalt bekommen. Später habe ich mehrere Aufträge erhalten und konnte auch Geld dafür verlangen. 

Mittlerweile arbeite ich für ungefähr 3500 Euro brutto im Monat. Je nach Budget und Umfang des Auftrags kann das Gehalt variieren. Für eine Doku können Komponist:innen zwischen 4000 und 10 000 Euro brutto bekommen. Das Gehalt hängt davon ab, wie viele Sender oder Geldgeber beteiligt sind. Es kommt auch darauf an, wie viel Zeit man hat, eine Woche oder ein Jahr? Wer länger an ein Projekt gebunden ist, bekommt auch mehr.“ 

Was Filmkomposition besonders macht

„In einem Buch kann man eine Szene über 150 Seiten beschreiben. Bei einem Film muss dieselbe Szene oft in zwei Sekunden erklärt werden. Man muss in gewisser Weise mit den Gefühlen der Zuschauer:innen spielen. Das ist das Inspirierende an Filmmusik.“ 

Welche Frage mir auf Partys immer gestellt wird

„’Ich wusste gar nicht, dass das ein echter Beruf ist’. Viele sind überrascht, dass Filmmusik von Menschen komponiert wird. Dabei werden die Soundtracks der meisten Kinofilme sogar mit echten Orchestern aufgenommen.“  

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