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5247 Euro brutto für die Förderschullehrerin

Foto: privat, Grafik: SZ Jetzt

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Über Familienangehörige und ein Praktikum ist Lena auf den Beruf der Förderschullehrerin aufmerksam geworden. In ihrem Studium hat sie sich für den Förderschwerpunkt geistige Entwicklung entschieden. Nach einigen Jahren Lehrerfahrung weiß sie, dass ihr Beruf mehr umfasst als zu unterrichten. Außerdem hat sie gelernt, wie wichtig es ist, im Umgang  mit Eltern Grenzen zu setzen.

Was ich als Förderschullehrerin mache

Ich arbeite im Bereich geistige Entwicklung. Das heißt, ich unterrichte Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung. Derzeit leite ich eine Klasse mit acht Schüler:innen im Grundschulalter. Darunter sind zum Beispiel Kinder mit Trisomie 21 oder Autismus-Spektrum-Störung.

In kleinen Klassen kann ich besser auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder eingehen. Außerdem bin ich nicht so strikt an einen Lehrplan gebunden wie in der Grundschule. Die Schüler:innen lernen nicht nur Lesen, Schreiben und Rechnen, sondern auch ganz praktische Alltagsfertigkeiten, zum Beispiel wie man sich die Schuhe bindet oder im Supermarkt Lebensmittel einkauft. An der Förderschule nehmen wir den ganzen Menschen in den Blick und versuchen, jedes Kind dort abzuholen, wo es gerade steht. Das war der Grund, warum ich mich entschieden habe, Lehramt für Sonderpädagogik zu studieren. Nach dem Studium, das in Bayern aktuell neun Semester dauert, und dem ersten Staatsexamen ging es dann für zwei Schuljahre ins Referendariat. Inzwischen habe ich auch das zweite Staatsexamen hinter mir.

Wie mein typischer Arbeitstag aussieht

Ein normaler Arbeitstag besteht bei mir aus zwei Teilen. Vormittags unterrichte ich in meiner Klasse und nachmittags erledige ich alles, was sonst noch ansteht. Ich muss den Unterricht vor- und nachbereiten, schreibe Förder-, Wochen-, und Halbjahrespläne. Als Klassenleitung bin ich nicht nur für meine Schüler:innen verantwortlich, sondern auch für mein Team. An Förderschulen mit Förderschwerpunkt geistiger Entwicklung arbeitet man in der Regel nicht allein in einer Klasse, sondern wird zum Beispiel von einer Pflegekraft unterstützt. Manche Kinder haben außerdem eine feste Schulbegleitung, also eine Person, die ihnen dabei hilft, sich im Schulalltag zurechtzufinden. Mit den Eltern stehe ich ebenfalls im ständigen Austausch.

Welche Eigenschaften man mitbringen sollte

Ich glaube, am wichtigsten ist, dass man gut mit Kindern beziehungsweise Jugendlichen umgehen kann und dass man offen ist für Neues. Während des Unterrichts sollte man in der Lage sein, auch in chaotischen Situationen den Überblick zu behalten. Eigentlich verläuft nie etwas nach Plan, deshalb muss man flexibel bleiben und schnell reagieren können. Um auf die Kinder eingehen zu können, braucht es Einfühlungsvermögen und eine gute Menschenkenntnis. Für die organisatorischen Aufgaben ist außerdem eine gewisse Strukturiertheit von Vorteil. Da man an Förderschulen meistens mit anderen zusammenarbeitet, ist auch Teamfähigkeit zentral.

Was wir von Menschen mit geistiger Behinderung lernen können

Was mich an meinen Schüler:innen fasziniert, ist, wie offen, authentisch und herzlich sie sind. Sie verstellen sich nicht, und sagen, was sie denken. Von dieser Ehrlichkeit brauchen wir mehr in unserer Welt. Ich würde mir wünschen, dass es mehr Begegnungsmöglichkeiten zwischen Menschen mit und ohne Behinderung gibt. Inklusion sollte nicht nur an Schulen gelebt werden, sondern auch an Orten, an denen der Leistungsgedanke nicht im Vordergrund steht.

Wie ich Förderschullehrerin geworden bin

Sowohl mein Papa als auch meine Tante arbeiten an einer Förderschule. Deshalb war mir das Berufsbild schon immer sehr vertraut. Für mich war klar, dass ich mit Kindern arbeiten möchte. Ursprünglich wollte ich aber Grundschullehrerin werden und habe deshalb ein Praktikum an einer Grundschule gemacht. Dort gab es eine Partnerklasse von einer Förderschule und so konnte ich auch in diesem Bereich erste Erfahrungen sammeln. Dabei habe ich schnell gemerkt, dass mir die Arbeit an der Förderschule mehr zusagt.

Was der Job mit dem Privatleben macht

Als Lehrerin kann ich natürlich nur während der Schulferien Urlaub machen. Das hat Vor- und Nachteile. Einerseits kann ich gut vorausplanen und muss mich nicht mit meinen Kolleg:innen abstimmen. Andererseits kann ich aber auch nicht spontan ein paar Tage wegfahren, wenn ich gerade Lust dazu habe. Denn verreisen kann ich nur während der Hauptsaison, in der die Preise entsprechend hoch sind. Abgesehen davon ist unterrichtsfreie Zeit ohnehin nicht mit Freizeit gleichzusetzen. Auch in den Ferien sitze ich oft am Schreibtisch, bereite Unterricht vor oder arbeite Papierkram ab. Dasselbe gilt für die Nachmittage in einer normalen Schulwoche: Wenn die Kinder nach Hause gehen, habe ich noch keinen Feierabend.

Welche Frage ich auf Partys gestellt bekomme

Der Klassiker ist: Hast du schon wieder Ferien? Im Vergleich zu anderen Berufen habe ich als Lehrerin natürlich vergleichsweise viel frei. Die Leute unterschätzen aber meistens, wie viele Aufgaben neben dem Unterricht anfallen. Wenn ich erzähle, dass ich Menschen mit Behinderung unterrichte, dann höre ich auch häufig: Das könnte ich nicht! So geht es mir bei anderen Berufen: Ein Bürojob wäre für mich die Hölle, weil es einfach nicht zu mir passt. Für andere ist das die perfekte Umgebung. Wir sind eben alle unterschiedlich.

Vorstellung vs. Realität

Anfangs dachte ich, dass das Unterrichten einen größeren Teil einnimmt. Ich habe total unterschätzt, wie viel Zeit man mit Elterngesprächen, Konferenzen und Papierkram verbringt. An manchen Tagen habe ich so viel Organisatorisches zu tun, dass die Unterrichtsvorbereitung auf der Strecke bleibt. Dabei ist es doch gerade das Unterrichten, das mich an meinem Beruf so begeistert!

Und mit der Zeit habe ich gelernt, wie wichtig es ist, Grenzen zu setzen. Als Klassenlehrerin bin ich für Eltern oftmals die erste Anlaufstelle für alle möglichen Probleme. Ich helfe immer gerne und freue mich natürlich, dass sie mir so viel Vertrauen entgegenbringen. Aber für manche Dinge bin ich einfach nicht zuständig. Es ist zum Beispiel nicht meine Aufgabe, private Konflikte zu lösen.

Wie Inklusion an Schulen umgesetzt wird

Laut UN-Behindertenrechtskonvention haben Menschen mit Behinderung das Recht auf Inklusion. Das heißt, Eltern können frei entscheiden, ob sie ihr Kind an einer Regelschule oder an einer Förderschule unterrichten lassen. Ich halte Inklusion für richtig und wichtig. Es ist aber definitiv manchmal eine Herausforderung. Inklusion spielt aktuell in der Ausbildung von Regelschullehrkräften eine untergeordnete Rolle. Oft mangelt es an Wissen, Zeit und Personal. Da gibt es politisch auf jeden Fall Handlungsbedarf.

Wie viel ich verdiene

Mit 26 Unterrichtsstunden pro Woche arbeite ich aktuell in Vollzeit. Als Beamtin auf Probe werde ich in Bayern nach der Besoldungsgruppe A13 vergütet. Das entspricht einem Bruttogehalt von 5247 Euro im Monat. Je mehr Berufserfahrung man vorweisen kann, desto mehr verdient man. Wer weiter aufsteigen will, hat die Möglichkeit, Konrektor:in oder Schulleitung zu werden. Außerdem kann man als Seminarleitung an der Ausbildung neuer Lehramtskandidat:innen mitwirken. Mit meinem aktuellen Gehalt bin ich sehr zufrieden. Als ich studiert habe, wusste ich tatsächlich gar nicht, was genau ich später verdienen werde. Das Geld war von Anfang an nicht meine primäre Motivation. Trotzdem war ich positiv überrascht, dass man mit einem so tollen Job auch noch gut verdient.

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