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500 Euro pro Auftritt für die Rapperin

„Rapp doch mal was!“ – Diese Aufforderung kann Rebecca nicht mehr hören. Musik macht sie nur noch gegen Geld.
Foto: Yakub Peach

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Wie ich angefangen habe, Texte zu schreiben

Ich habe meinen Vater nicht kennengelernt, als er noch am Leben war. Deshalb habe ich begonnen, ihm Briefe zu schreiben. Die Nachrichten habe ich unter mein Kopfkissen gelegt, und in meiner Vorstellung hat mein Vater sie gelesen. Das hat mir mit meiner Trauer geholfen. Aus diesen Texten sind Reime, später Gedichte entstanden. Im Nachhinein betrachtet, hat mich dieser Trauerprozess auf meine Zukunft als Artist vorbereitet. Allerdings hatte ich bis dahin weder Songtexte geschrieben noch gerappt. 

Wie ich Rapperin geworden bin

Bevor ich Musikerin geworden bin, habe ich als Assistentin und in der Buchhaltung gearbeitet. 2021 habe ich dann zum ersten Mal Musik gemacht: Ich habe meine beste Freundin und Sängerin W1ZE ins Musikstudio begleitet und wir haben einen lustigen Song aufgenommen. Ich habe gerappt und es hat richtig gut geklungen. Es war mein erster Song. Das hat mir so gefallen, dass ich hauptberuflich Musik machen wollte. Wir haben mit einem Produzenten zusammengearbeitet, der mir weitere Beats geschickt hat. Ich habe Texte dazu geschrieben, W1ZE hat mir ein Instrumental geschickt. Daraus hat sich immer mehr ergeben. Heute bin ich regelmäßig im Studio, trete als Rapperin auf und bin Songwriterin für andere Artists. 

Wie ein Tag im Musikstudio abläuft

Mein typischer Arbeitsalltag sieht so aus: Ich gehe ins Studio, das wie ein Wohnzimmer aufgebaut ist und mit Lautsprechern, Mikrofonen, Instrumenten und einem Bildschirm ausgestattet ist. Mein Produzent und ich hören uns Beats und Songs an oder schauen Musikvideos. Danach nehmen wir auf und mein Produzent schraubt an dem Beat herum. Aber jeder Tag ist anders. Manchmal gehe ich dreimal in einer Woche zur Aufnahme, manchmal nur einmal. An manchen Tagen laufe ich direkt mit Ideen ins Studio, manchmal fallen mir die Ideen während einer Session ein.

Wie man einen Song aufnimmt

Als Rapperin bin ich für Text, Rhythmus und Ablauf eines Songs zuständig. Das ist aber von Artist zu Artist unterschiedlich. Oft schreibe ich zuerst den Songtext und finde den richtigen Flow. Dann suche ich online nach einem passenden Beat. Sobald ich ein Instrumental habe, das mir gefällt, gehe ich ins Studio zur Produktion. Mein Produzent und ich lassen uns davon inspirieren. Dabei ist mir wichtig, dass wir den Vibe des Originals behalten, ohne den Beat zu kopieren. Dieser Prozess ist aber von Künstler:in zu Künstler:in unterschiedlich. Ich arbeite mehr nach Gefühl. Mein Produzent, der ausgebildeter Tontechniker ist, unterstützt mich mit technischem Wissen. 

Nach mehreren Sessions wird der Song aufgenommen. Dann schicken wir die Tonspuren zum Mischen und Mastern, so dass dieser auf unterschiedlichen Lautsprechern in guter Qualität abgespielt werden kann. Das ist der letzte Schritt in der Musikproduktion. Anschließend laden wir die Musik auf Streaming-Plattformen wie Spotify, iTunes oder Youtube hoch.

Welche Eigenschaften man als Rapperin braucht

Man muss authentisch sein. Im Ton und im Auftreten – einfach 100 Prozent du selbst. Wie du Sachen singst oder rappst, fällt nämlich auf. Unsicherheit hört man aus der Musik heraus. Man sollte Vertrauen in das haben, was man tut. Außerdem merken Produzent:innen, ob du Ahnung von der Branche hast oder nicht. Es gibt aber kein Wissen, das du vorweisen musst. Wenn du ehrlich bist, begegnen dir Produzent:innen auf Augenhöhe. Ich lerne jeden Tag dazu. Deshalb ist es als Newcomerin besonders wichtig, ein gutes Team zu haben. 

Apropos: Der Job ist super sozial. Das meiste funktioniert über Networking. Natürlich habe ich Talent und muss meine Songs vorbereiten. Aber jedes Gespräch auf einem Event ist ein Pitch. Ich erzähle von meiner Arbeit, zeige Videos von mir oder spiele den Leuten einen Song vor. So kann man Bookings bekommen. Meine ersten Auftritte habe ich über Bekanntschaften erhalten. Um gebucht zu werden, kann man aber auch aktiv auf Veranstalter:innen zugehen. 

Wie viel man als Rapperin verdient

Wenn man kein Superstar ist, dauert es ein Leben lang, bis man mit Musik richtig Geld verdienen kann. Von den Streams bekommt man nämlich kaum etwas. Ich investiere finanziell viel mehr in die Musik als ich damit verdiene. Musikvideos, Produktion, Pressefotos und Promo – das ist alles nicht günstig. Die Arbeit ist eine Leidenschaft, aber rentiert sich nicht. Ich mache nebenbei verschiedene Jobs, um mein Leben zu finanzieren.

Es gibt auch keine genaue Zahl zu meinem Gehalt. Ich bin bei einer sogenannten Verwertungsgesellschaft namens AKM angemeldet. Dort können veröffentlichte Songs gegen einen Mitgliedsbeitrag registriert werden. Wenn meine Musik im Radio gespielt wird oder ich meine Songs performe, bezahlt mir die Gesellschaft anteilig Geld. Allerdings habe ich mein Honorar für 2022 noch nicht erhalten und weiß daher nicht, wie viel ich pro Stream verdiene. 

Ich bekomme meine Anfragen mittlerweile über Social Media oder werde von Veranstalter:innen gebucht, wenn sie mich auf Events performen sehen. Wenn ich auftrete, achte ich darauf, dass das Publikum gut unterhalten wird. Deswegen verlange ich 500 Euro für eine Performance, was ich allerdings nicht immer bezahlt bekomme. Wie oft ich gebucht werde, variiert von Monat zu Monat. In manchen Phasen passiert absolut nichts, aber im Schnitt habe ich ein bis zwei Auftritte pro Monat. Es ist nicht viel Geld, aber für einen neuen Artist ein hohes Einstiegsgehalt.

Vorstellung vs. Realität

Ich habe anfangs unterschätzt, wie viel es kostet, ein Musikvideo zu drehen. Und ich rede nicht nur von Geld. Hinter einem Song können 20 Nervenzusammenbrüche und viele Tränen stecken. Natürlich auch Freudentränen. Es ist schließlich eine Leidenschaft, aber auch Arbeit. 

Gleichzeitig wird von Frauen in der Musikindustrie sehr viel erwartet. Die Vorgaben: Nicht zu aggressiv oder zu sexy sein. Männliche Rapper können in Jogginghosen auf die Bühne kommen, Frauen nicht. Deine Bars müssen sitzen und du musst performen. Vor allem als Schwarze Frau habe ich oft das Gefühl, unterschätzt zu werden. Bis ich eine Demo abspiele oder rappe.

Die Frage, die auf Partys immer gestellt wird

‚Rap mal was!‘, sagen mir viele Menschen. Das kommt aber nicht in Frage. Rappen und Musik machen ist nämlich meine Arbeit. Sogar manche Eventveranstalter:innen wollen nicht für Auftritte bezahlen. Hauptsache wir tauschen ‚Good Vibes‘ und ‚Energy‘ aus. Damit kann ich meine Miete aber nicht bezahlen.

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