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3850 Euro brutto für die Försterin

Foto: Tobias Haas/Bearbeitung: SZ Jetzt

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Andere Menschen gehen nach der Arbeit als Ausgleich in den Wald. Lisa Schuberts Beruf ist der Wald. Sie arbeitet als Revierleiterin für das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Weilheim. Dort plant sie die Bewirtschaftung von Gemeindewäldern und berät Privatbesitzer. Im Interview erzählt sie, was sie unter nachhaltiger Forstwirtschaft versteht und welche Fragen zum Thema Tierwohl ihr Umfeld ihr regelmäßig stellt.

Vorstellung vs. Realität

„Wie sich viele eine Försterin vorstellen – mit Gewehr und Dackel durch den Wald stapfend – entspricht durchaus der Realität. Beziehungsweise stellen sich die meisten wohl einen Förster vor: Nur etwa zwanzig Prozent der Personen in meiner Position sind Frauen. Manche verwechseln auch Försterinnen mit Aktivistinnen für einen Naturschutz, der die Natur sich selbst überlässt. Bei uns alle Flächen stillzulegen und die Ressourcen, die wir als Menschen nun einmal brauchen, stattdessen zu importieren, ist für mich nicht die Lösung. Vielmehr verstehe ich es als meinen Beruf, den Wald, den wir hier haben, nachhaltig zu bewirtschaften. Wenn ein Waldbesitzer seine Flächen als reine Wertanlage für Brennholz sieht, ist das auch eine Ressourcennutzung und verhindert zum Beispiel, dass noch mehr Erdöl um die Welt geschippert wird. Die eine Wahrheit gibt es nicht.“

Wie ich zu dem Job gekommen bin

„Ich habe an der Fachhochschule Freising Forstingenieurwesen studiert. Zu den Fächern gehören zum Beispiel Forstbetriebsplanung, Zoologie und Naturschutzrecht. Neben der Theorie gibt es viele Praxisangebote wie den Jagd- und Imkereischein oder Motorsägenkurse. Einige der Vorlesungen finden im Wald statt. Außerdem gehören zwei Praxissemester zum Studium. Dabei lernt man von Waldarbeitern, was es heißt, bei Schneeregen Tannen zu pflanzen und begleitet Förster:innen bei der Arbeit. Dem Studium folgt bei den meisten der einjährige Anwärterdienst, in Bayern ist das in Lohr am Main. In der ersten Hälfte arbeitet man für die Staatsforsten, also staatlich bewirtschaftete Flächen. Die nächsten fünf Monate ist man im Forstamt für Privat- und Kommunalwälder tätig. Dann folgt das Staatsexamen, das ermöglicht die Verbeamtung. Mittlerweile gibt es auch die Möglichkeit, bei den Staatsforsten ein duales Studium zu machen. Ich bin seit meinem Abschluss vor neun Jahren im gehobenen technischen Dienst im Amt für Ernährung, Forstwirtschaft und Forsten Weilheim als Beamtin.“

Der Arbeitsalltag als Revierleiterin

„Als Försterin bin ich von Jahreszeiten und Wetter abhängig, den typischen Tagesablauf gibt es nicht. Morgens verbringe ich oft eine Stunde im Büro, lese E-Mails, beauftrage Forstunternehmen oder erstelle Förderanträge für Waldbesitzer:innen. Frühjahr und Herbst sind Pflanzsaison. Um die Flächen vorzubereiten, delegiere ich an die Forstdienstleister, welche Bäume auf welcher Fläche gepflanzt werden sollen. Für die Waldbesitzer leiste ich Hilfe zur Selbsthilfe, biete zum Beispiel Schulungen über den Borkenkäfer an oder versende Newsletter. Außerdem habe ich als verbeamtete Försterin einen offiziellen Bildungsauftrag und biete Führungen für Schulklassen an. Den Kindern zeige ich, wie sie den Wald schützen können und mit allen Sinnen erleben – Baumrinden ertasten, barfuß ins Moos steigen. Die Kernaufgabe als Försterin ist auch, Waldbesitzer zu beraten. Wir treffen uns im Wald, analysieren ihre Flächen und was sie für welches Ziel wie pflanzen, ernten oder Sturmschäden beseitigen. Für die Kommunen kümmere ich mich ebenfalls um die Pflanzplanung und zeichne zum Beispiel das Holz an, das geerntet werden soll.“

Welche Eigenschaften man als Revierleiterin braucht

„Strukturiert und eigenständig arbeiten zu können ist entscheidend. Niemand sagt mir, was wann genau zu tun ist. Auch wetterfest zu sein ist wichtig – und ich meine nicht nur die Kleidung. Man sollte sich damit arrangieren können, bei Schneeregen ein Vegetationsgutachten zu erstellen oder bei sengender Hitze Borkenkäfer zu suchen. Als Försterin arbeitet man mit ganz verschiedenen Menschen zusammen. Neben einer sozialen Ader ist es mindestens genauso wichtig, allein sein zu können. Forstreviere sind oft dezentral gelagert, der Tratsch an der Kaffeemaschine oder enge Abstimmungen mit Kolleg:innen bleiben aus. Damit kann ich gut leben, freue mich dafür aber umso mehr auf Fortbildungen.“

Was der Job mit dem Privatleben macht

„Auf dem Papier habe ich eine 40-Stunden-Woche. Weil ich mit den Jahreszeiten arbeite, kommen im Frühsommer weniger und im Herbst dafür deutlich mehr Stunden zusammen. Auch Abendveranstaltungen, zum Beispiel von der Waldbesitzervereinigung, sind Teil des Berufs. Dafür kann ich mir vormittags auch mal freinehmen. Weil ich meinen Beruf so leidenschaftlich ausübe, ziehe ich keine klare Linie zwischen Arbeit und Privatleben: Hat auf Dorffesten oder Spaziergängen jemand Fragen zum Wald, helfe ich immer gern. Insgesamt ist die Försterin ein positiv besetzter Beruf. Ich habe auch selbst das Gefühl, etwas Sinnstiftendes getan zu haben, wenn ich abends heimkomme.“

Diese Fragen bekommt man auf Partys gestellt

„Musst du auch Rehe schießen?“ Diese Frage höre ich öfter. Ein Jagdschein ist Voraussetzung für meine Arbeit. Das Jagen gehört nicht zu meinen Dienstaufgaben, allerdings berate ich Waldbesitzerinnen und Jagdpächter zu dem Miteinander von Wald und Wild. Ich beziehe in Vegetationsgutachten Stellung dazu, wie es um die Waldverjüngung steht. Erzähle ich, dass ich als Privatperson jage, ist die Folgefrage oft, wie ich das übers Herz brächte. Das ist das Schlachthausparadox: die Menschen wollen Fleisch, aber nicht, dass Tiere getötet werden. Sie wollen Möbel aus Holz, aber fragen mich, wieso ich veranlasse, Bäume zu fällen. Doch wenn alle Jungbäume weggefressen werden, steht es bald schlecht um den Wald.“

Wie viel man als Revierleiterin verdient 

„Als Revierleiterin mit meinem Abschluss bin ich bei Besoldungsgruppe A10, Stufe Drei eingestiegen, das entspricht einem Einstiegsgehalt von 2800 Euro netto. Beförderungen werden anhand der Zeit im Amt und der Leistung, also wie engagiert man ist und ob man Zusatzaufgaben übernimmt, entschieden. Ich bin inzwischen in der Besoldungsgruppe A11 und verdiene 3850 Euro brutto im Monat. Wer in den höheren technischen Dienst möchte, muss noch einen Master und zwei Jahre Referendariat dranhängen. Das bedeutet: mehr Geld, aber auch deutlich mehr Zeit am Schreibtisch als im Wald.“

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